Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Journale in demselben Casino lesen, wo ihr euch über ihnen langweilt, laßt sie nicht blos Aerzte und Advokaten, sondern auch Beamte der Polizei, Richter, laßt sie Minister werden, wenn sie das Adelspatent des Genies dazu haben; macht sie zu Offizieren, wenn sie sich ihren lendenlahmen Gang abgewöhnt haben und den Kopf ohne Neigung tragen - ist dies Alles erst frei gegeben, dann werden die Unterschiede sich bald ausgleichen und in ein Nivellement verlieren, wo uns die Verschiedenheit der Religion, das einzige Unterscheidungsmittel, nicht mehr stören wird. Es ist natürlich nothwendig, daß die Juden ihre Emanzipation von eben diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Jhre Anwälde wollen blos das politische Recht, und gestehen uns nicht zu, daß die Frage weit mehr moralischer, als politischer Natur ist. Sie pochen entweder auf die Menschenrechte oder die Paragraphen einer Verfassung, wo den Juden ein geregelter Zustand versprochen wurde, ohne daß die Fürsten daran dachten, sie nun auch gänzlich zu emanzipiren. Gegen diese Behandlungsweise der Judenemanzipation soll sich der ächte Liberalismus durchaus aufwerfen; er ist der Frage nicht feindselig, er will sie zum Besten, aufs Schnellste gelöst sehen, nur sollen uns die Juden Parlamentäre schicken, die denken und fühlen, keine Rabulisten, sondern Weise. Man soll die Frage verhandeln mit Gesichtspunkten auf die Zeit im Ganzen und Großen, mit Gesichtspunkten der Moral und Journale in demselben Casino lesen, wo ihr euch über ihnen langweilt, laßt sie nicht blos Aerzte und Advokaten, sondern auch Beamte der Polizei, Richter, laßt sie Minister werden, wenn sie das Adelspatent des Genies dazu haben; macht sie zu Offizieren, wenn sie sich ihren lendenlahmen Gang abgewöhnt haben und den Kopf ohne Neigung tragen – ist dies Alles erst frei gegeben, dann werden die Unterschiede sich bald ausgleichen und in ein Nivellement verlieren, wo uns die Verschiedenheit der Religion, das einzige Unterscheidungsmittel, nicht mehr stören wird. Es ist natürlich nothwendig, daß die Juden ihre Emanzipation von eben diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Jhre Anwälde wollen blos das politische Recht, und gestehen uns nicht zu, daß die Frage weit mehr moralischer, als politischer Natur ist. Sie pochen entweder auf die Menschenrechte oder die Paragraphen einer Verfassung, wo den Juden ein geregelter Zustand versprochen wurde, ohne daß die Fürsten daran dachten, sie nun auch gänzlich zu emanzipiren. Gegen diese Behandlungsweise der Judenemanzipation soll sich der ächte Liberalismus durchaus aufwerfen; er ist der Frage nicht feindselig, er will sie zum Besten, aufs Schnellste gelöst sehen, nur sollen uns die Juden Parlamentäre schicken, die denken und fühlen, keine Rabulisten, sondern Weise. Man soll die Frage verhandeln mit Gesichtspunkten auf die Zeit im Ganzen und Großen, mit Gesichtspunkten der Moral und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="228"/> Journale in demselben Casino lesen, wo ihr euch über ihnen langweilt, laßt sie nicht blos Aerzte und Advokaten, sondern auch Beamte der Polizei, Richter, laßt sie Minister werden, wenn sie das Adelspatent des Genies dazu haben; macht sie zu Offizieren, wenn sie sich ihren lendenlahmen Gang abgewöhnt haben und den Kopf ohne Neigung tragen – ist dies Alles erst frei gegeben, dann werden die Unterschiede sich bald ausgleichen und in ein Nivellement verlieren, wo uns die Verschiedenheit der Religion, das einzige Unterscheidungsmittel, nicht mehr stören wird.</p> <p>Es ist natürlich nothwendig, daß die Juden ihre Emanzipation von eben diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Jhre Anwälde wollen blos das politische Recht, und gestehen uns nicht zu, daß die Frage weit mehr moralischer, als politischer Natur ist. Sie pochen entweder auf die Menschenrechte oder die Paragraphen einer Verfassung, wo den Juden ein geregelter Zustand versprochen wurde, ohne daß die Fürsten daran dachten, sie nun auch gänzlich zu emanzipiren. Gegen diese Behandlungsweise der Judenemanzipation soll sich der ächte Liberalismus durchaus aufwerfen; er ist der Frage nicht feindselig, er will sie zum Besten, aufs Schnellste gelöst sehen, nur sollen uns die Juden Parlamentäre schicken, die denken und fühlen, keine Rabulisten, sondern Weise. Man soll die Frage verhandeln mit Gesichtspunkten auf die Zeit im Ganzen und Großen, mit Gesichtspunkten der Moral und </p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0230]
Journale in demselben Casino lesen, wo ihr euch über ihnen langweilt, laßt sie nicht blos Aerzte und Advokaten, sondern auch Beamte der Polizei, Richter, laßt sie Minister werden, wenn sie das Adelspatent des Genies dazu haben; macht sie zu Offizieren, wenn sie sich ihren lendenlahmen Gang abgewöhnt haben und den Kopf ohne Neigung tragen – ist dies Alles erst frei gegeben, dann werden die Unterschiede sich bald ausgleichen und in ein Nivellement verlieren, wo uns die Verschiedenheit der Religion, das einzige Unterscheidungsmittel, nicht mehr stören wird.
Es ist natürlich nothwendig, daß die Juden ihre Emanzipation von eben diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Jhre Anwälde wollen blos das politische Recht, und gestehen uns nicht zu, daß die Frage weit mehr moralischer, als politischer Natur ist. Sie pochen entweder auf die Menschenrechte oder die Paragraphen einer Verfassung, wo den Juden ein geregelter Zustand versprochen wurde, ohne daß die Fürsten daran dachten, sie nun auch gänzlich zu emanzipiren. Gegen diese Behandlungsweise der Judenemanzipation soll sich der ächte Liberalismus durchaus aufwerfen; er ist der Frage nicht feindselig, er will sie zum Besten, aufs Schnellste gelöst sehen, nur sollen uns die Juden Parlamentäre schicken, die denken und fühlen, keine Rabulisten, sondern Weise. Man soll die Frage verhandeln mit Gesichtspunkten auf die Zeit im Ganzen und Großen, mit Gesichtspunkten der Moral und
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/230>, abgerufen am 18.07.2024. |