Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.von jüdischen Sitten so widerwärtig ist, empfinden die Juden selbst allmälig Ueberdruß, und jenes spezielle Kolorit ihres Treibens würde bald aufhören, wenn man sie nur aus dem Bereich ihrer eigenen Gesellschaft herausließe, sie von der Botmäßigkeit der Rabbinen befreite, von der Verketzerung jener Familien, die mit der Tradition koquettiren und die, wie z. B. die Rothschilds, reich genug sind, Dies ohne eigene Unbequemlichkeit thun zu können. Der Geist der Reform, der in die jüdische Religion gekommen ist, würde, wie überhaupt die Bildung jenes abgesonderten Stammes, bessere Fortschritte machen, wenn man die Schranken einrisse und dem freien Streben auch freien Raum gäbe. Nun wendet sich freilich gegen die Freiheit der Juden immer wieder das unvertilgbare Gefühl ein, daß wir in die inneren Kreise unserer Gesellschaft eine Kaste aufnehmen sollen, deren Eigenthümlichkeit uns so widerwärtig ist. Wir reformiren recht gern, erschrecken aber oft genug, wenn wir auf die Stadien der Fortschritte zurückblicken, welche die Sache der Juden gemacht hat. Denn es ist etwas Eigenes mit unserm Widerwillen gegen jüdische Denk- und Handlungsweise. - Allein dieser eigenthümliche jüdische Accent, wie konnt' er sich anders, als durch Absonderung erhalten! So wie sich französische Auswanderer in Deutschland und deutsche Auswanderer in Amerika allmälig mit der Masse verbinden, so können auch die von jüdischen Sitten so widerwärtig ist, empfinden die Juden selbst allmälig Ueberdruß, und jenes spezielle Kolorit ihres Treibens würde bald aufhören, wenn man sie nur aus dem Bereich ihrer eigenen Gesellschaft herausließe, sie von der Botmäßigkeit der Rabbinen befreite, von der Verketzerung jener Familien, die mit der Tradition koquettiren und die, wie z. B. die Rothschilds, reich genug sind, Dies ohne eigene Unbequemlichkeit thun zu können. Der Geist der Reform, der in die jüdische Religion gekommen ist, würde, wie überhaupt die Bildung jenes abgesonderten Stammes, bessere Fortschritte machen, wenn man die Schranken einrisse und dem freien Streben auch freien Raum gäbe. Nun wendet sich freilich gegen die Freiheit der Juden immer wieder das unvertilgbare Gefühl ein, daß wir in die inneren Kreise unserer Gesellschaft eine Kaste aufnehmen sollen, deren Eigenthümlichkeit uns so widerwärtig ist. Wir reformiren recht gern, erschrecken aber oft genug, wenn wir auf die Stadien der Fortschritte zurückblicken, welche die Sache der Juden gemacht hat. Denn es ist etwas Eigenes mit unserm Widerwillen gegen jüdische Denk- und Handlungsweise. – Allein dieser eigenthümliche jüdische Accent, wie konnt’ er sich anders, als durch Absonderung erhalten! So wie sich französische Auswanderer in Deutschland und deutsche Auswanderer in Amerika allmälig mit der Masse verbinden, so können auch die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0228" n="226"/> von jüdischen Sitten so widerwärtig ist, empfinden die Juden selbst allmälig Ueberdruß, und jenes spezielle Kolorit ihres Treibens würde bald aufhören, wenn man sie nur aus dem Bereich ihrer eigenen Gesellschaft herausließe, sie von der Botmäßigkeit der Rabbinen befreite, von der Verketzerung jener Familien, die mit der Tradition koquettiren und die, wie z. B. die <hi rendition="#g">Rothschilds</hi>, reich genug sind, Dies ohne eigene Unbequemlichkeit thun zu können. Der Geist der Reform, der in die jüdische Religion gekommen ist, würde, wie überhaupt die Bildung jenes abgesonderten Stammes, bessere Fortschritte machen, wenn man die Schranken einrisse und dem freien Streben auch freien Raum gäbe.</p> <p>Nun wendet sich freilich gegen die Freiheit der Juden immer wieder das unvertilgbare Gefühl ein, daß wir in die inneren Kreise unserer Gesellschaft eine Kaste aufnehmen sollen, deren Eigenthümlichkeit uns so widerwärtig ist. Wir reformiren recht gern, erschrecken aber oft genug, wenn wir auf die Stadien der Fortschritte zurückblicken, welche die Sache der Juden gemacht hat. Denn es ist etwas Eigenes mit unserm Widerwillen gegen jüdische Denk- und Handlungsweise. – Allein dieser eigenthümliche jüdische Accent, wie konnt’ er sich anders, als durch Absonderung erhalten! So wie sich französische Auswanderer in Deutschland und deutsche Auswanderer in Amerika allmälig mit der Masse verbinden, so können auch die </p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0228]
von jüdischen Sitten so widerwärtig ist, empfinden die Juden selbst allmälig Ueberdruß, und jenes spezielle Kolorit ihres Treibens würde bald aufhören, wenn man sie nur aus dem Bereich ihrer eigenen Gesellschaft herausließe, sie von der Botmäßigkeit der Rabbinen befreite, von der Verketzerung jener Familien, die mit der Tradition koquettiren und die, wie z. B. die Rothschilds, reich genug sind, Dies ohne eigene Unbequemlichkeit thun zu können. Der Geist der Reform, der in die jüdische Religion gekommen ist, würde, wie überhaupt die Bildung jenes abgesonderten Stammes, bessere Fortschritte machen, wenn man die Schranken einrisse und dem freien Streben auch freien Raum gäbe.
Nun wendet sich freilich gegen die Freiheit der Juden immer wieder das unvertilgbare Gefühl ein, daß wir in die inneren Kreise unserer Gesellschaft eine Kaste aufnehmen sollen, deren Eigenthümlichkeit uns so widerwärtig ist. Wir reformiren recht gern, erschrecken aber oft genug, wenn wir auf die Stadien der Fortschritte zurückblicken, welche die Sache der Juden gemacht hat. Denn es ist etwas Eigenes mit unserm Widerwillen gegen jüdische Denk- und Handlungsweise. – Allein dieser eigenthümliche jüdische Accent, wie konnt’ er sich anders, als durch Absonderung erhalten! So wie sich französische Auswanderer in Deutschland und deutsche Auswanderer in Amerika allmälig mit der Masse verbinden, so können auch die
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/228>, abgerufen am 18.07.2024. |