Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.in keinem Verhältniß stehen und das Bedenken nicht unerlaubt seyn, ob es nicht andere, kürzere und sicherere Mittel gäbe, Naturvölker zu bändigen. Das Christenthum kann beseligende Kraft nur dann üben, wenn es herzlich und innerlichst aufgenommen und verstanden ist. Jst das Christenthum Zweck, so wird er hier verfehlt; ist es Mittel, so ist es theils zu schwach, theils zu theuer. Das Missionswesen, wie es jezt ist, sticht gegen die Erweiterung, die man ihm als einer Gesellschaft für die Civilisation der Heidenwelt geben könnte, winzig ab; es ist ein kleines, zerbrechliches Kanot, das sich ohne Assekuranzprämie, ohne Wasser und Lebensmittel, ohne Kompaß und Steuerruder auf die See hinaustragen läßt, wo es seine Wirkung auf zwei, drei Menschen beschränkt, die es so zu sagen auf irgend einer kleinen Jnsel, an welche sie der Sturmwind wirft, antrifft. Es ist Nichts gegen Das, was es seyn könnte. Auch kann ich nicht die Verwunderung unterdrücken, warum sich denn das Missionswesen nur mit dem blinden Heidenthum beschäftigt, und nicht mit dem sehenden, d. h. mit dem Heidenthum, welches sich nicht dafür hält. Man hört immer von Missionen in die Südsee, auf die Freundschaftsinseln; warum nicht auch von Missionen unter die Türken? Freilich besitzen diese eine weltliche Herrschaft, die für den armen Missionär unüberwindlich ist. Allein könnte man nicht an den Grenzen werben und sich nach und nach in keinem Verhältniß stehen und das Bedenken nicht unerlaubt seyn, ob es nicht andere, kürzere und sicherere Mittel gäbe, Naturvölker zu bändigen. Das Christenthum kann beseligende Kraft nur dann üben, wenn es herzlich und innerlichst aufgenommen und verstanden ist. Jst das Christenthum Zweck, so wird er hier verfehlt; ist es Mittel, so ist es theils zu schwach, theils zu theuer. Das Missionswesen, wie es jezt ist, sticht gegen die Erweiterung, die man ihm als einer Gesellschaft für die Civilisation der Heidenwelt geben könnte, winzig ab; es ist ein kleines, zerbrechliches Kanot, das sich ohne Assekuranzprämie, ohne Wasser und Lebensmittel, ohne Kompaß und Steuerruder auf die See hinaustragen läßt, wo es seine Wirkung auf zwei, drei Menschen beschränkt, die es so zu sagen auf irgend einer kleinen Jnsel, an welche sie der Sturmwind wirft, antrifft. Es ist Nichts gegen Das, was es seyn könnte. Auch kann ich nicht die Verwunderung unterdrücken, warum sich denn das Missionswesen nur mit dem blinden Heidenthum beschäftigt, und nicht mit dem sehenden, d. h. mit dem Heidenthum, welches sich nicht dafür hält. Man hört immer von Missionen in die Südsee, auf die Freundschaftsinseln; warum nicht auch von Missionen unter die Türken? Freilich besitzen diese eine weltliche Herrschaft, die für den armen Missionär unüberwindlich ist. Allein könnte man nicht an den Grenzen werben und sich nach und nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="204"/> in keinem Verhältniß stehen und das Bedenken nicht unerlaubt seyn, ob es nicht andere, kürzere und sicherere Mittel gäbe, Naturvölker zu bändigen. Das Christenthum kann beseligende Kraft nur dann üben, wenn es herzlich und innerlichst aufgenommen und verstanden ist. Jst das Christenthum Zweck, so wird er hier verfehlt; ist es Mittel, so ist es theils zu schwach, theils zu theuer. Das Missionswesen, wie es jezt ist, sticht gegen die Erweiterung, die man ihm als einer Gesellschaft für die Civilisation der Heidenwelt geben könnte, winzig ab; es ist ein kleines, zerbrechliches Kanot, das sich ohne Assekuranzprämie, ohne Wasser und Lebensmittel, ohne Kompaß und Steuerruder auf die See hinaustragen läßt, wo es seine Wirkung auf zwei, drei Menschen beschränkt, die es so zu sagen auf irgend einer kleinen Jnsel, an welche sie der Sturmwind wirft, antrifft. Es ist Nichts gegen Das, was es seyn könnte.</p> <p>Auch kann ich nicht die Verwunderung unterdrücken, warum sich denn das Missionswesen nur mit dem <hi rendition="#g">blinden</hi> Heidenthum beschäftigt, und nicht mit dem sehenden, d. h. mit dem Heidenthum, welches sich nicht dafür hält. Man hört immer von Missionen in die Südsee, auf die Freundschaftsinseln; warum nicht auch von Missionen unter die Türken? Freilich besitzen diese eine weltliche Herrschaft, die für den armen Missionär unüberwindlich ist. Allein könnte man nicht an den Grenzen werben und sich nach und nach </p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0206]
in keinem Verhältniß stehen und das Bedenken nicht unerlaubt seyn, ob es nicht andere, kürzere und sicherere Mittel gäbe, Naturvölker zu bändigen. Das Christenthum kann beseligende Kraft nur dann üben, wenn es herzlich und innerlichst aufgenommen und verstanden ist. Jst das Christenthum Zweck, so wird er hier verfehlt; ist es Mittel, so ist es theils zu schwach, theils zu theuer. Das Missionswesen, wie es jezt ist, sticht gegen die Erweiterung, die man ihm als einer Gesellschaft für die Civilisation der Heidenwelt geben könnte, winzig ab; es ist ein kleines, zerbrechliches Kanot, das sich ohne Assekuranzprämie, ohne Wasser und Lebensmittel, ohne Kompaß und Steuerruder auf die See hinaustragen läßt, wo es seine Wirkung auf zwei, drei Menschen beschränkt, die es so zu sagen auf irgend einer kleinen Jnsel, an welche sie der Sturmwind wirft, antrifft. Es ist Nichts gegen Das, was es seyn könnte.
Auch kann ich nicht die Verwunderung unterdrücken, warum sich denn das Missionswesen nur mit dem blinden Heidenthum beschäftigt, und nicht mit dem sehenden, d. h. mit dem Heidenthum, welches sich nicht dafür hält. Man hört immer von Missionen in die Südsee, auf die Freundschaftsinseln; warum nicht auch von Missionen unter die Türken? Freilich besitzen diese eine weltliche Herrschaft, die für den armen Missionär unüberwindlich ist. Allein könnte man nicht an den Grenzen werben und sich nach und nach
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/206>, abgerufen am 16.02.2025. |