Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.anders zu helfen wüßten, als, im Augenblick der Abstimmung im Unterhaus, das Oberhaus in Brand zu stecken *). Die Advokaten des Rades, des Schwertes, Beiles, der Schlinge und der Guillotine sind theils aufrichtige Freunde der Henker, theils verborgene. Jene sind ungefähr das, was man Menschenfreunde nennen könnte, diese treiben ein Spiel mit doktrinären Jllusionen. Jene haben juristische und polizeiliche Gründe für ihre Grausamkeit und leiden selbst empfindlich unter der Nothwendigkeit; diese köpfen und hängen mit kaltem Blute und sehen auf den Rabensteinen die poetische Gerechtigkeit thronen. Diese Lezteren, die Doktrinäre unserer Zeit, die Geistreichen, die Philosophen, sind dieselben, welche wir oben die Verbesserung der Gefängnisse haben so sophistisch bestreiten sehen, es sind die, welche das achtzehnte Jahrhundert in den Sack gesteckt haben und die Philanthropie für eine Frauenzimmerkrankheit ausgeben. Sie wollen Alles entweder auf die Natur oder auf's Mittelalter zurückführen. Sie begründen alle ihre Ansichten entweder auf die Geschichte oder auf das Christenthum. Sie lehren, daß Christus gesagt hätte, "er brächte das Schwert." Der Geist der Liebe zog in ihre Herzen nicht ein. Sie kämpfen nur für den Schimmer der Jdeen, nicht für ihren Jnhalt. Sie lassen die *) Oder ein Wettrennen in Epsom zu veranstalten. A. d. U.
anders zu helfen wüßten, als, im Augenblick der Abstimmung im Unterhaus, das Oberhaus in Brand zu stecken *). Die Advokaten des Rades, des Schwertes, Beiles, der Schlinge und der Guillotine sind theils aufrichtige Freunde der Henker, theils verborgene. Jene sind ungefähr das, was man Menschenfreunde nennen könnte, diese treiben ein Spiel mit doktrinären Jllusionen. Jene haben juristische und polizeiliche Gründe für ihre Grausamkeit und leiden selbst empfindlich unter der Nothwendigkeit; diese köpfen und hängen mit kaltem Blute und sehen auf den Rabensteinen die poetische Gerechtigkeit thronen. Diese Lezteren, die Doktrinäre unserer Zeit, die Geistreichen, die Philosophen, sind dieselben, welche wir oben die Verbesserung der Gefängnisse haben so sophistisch bestreiten sehen, es sind die, welche das achtzehnte Jahrhundert in den Sack gesteckt haben und die Philanthropie für eine Frauenzimmerkrankheit ausgeben. Sie wollen Alles entweder auf die Natur oder auf’s Mittelalter zurückführen. Sie begründen alle ihre Ansichten entweder auf die Geschichte oder auf das Christenthum. Sie lehren, daß Christus gesagt hätte, "er brächte das Schwert." Der Geist der Liebe zog in ihre Herzen nicht ein. Sie kämpfen nur für den Schimmer der Jdeen, nicht für ihren Jnhalt. Sie lassen die *) Oder ein Wettrennen in Epsom zu veranstalten. A. d. U.
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anders zu helfen wüßten, als, im Augenblick der Abstimmung im Unterhaus, das Oberhaus in Brand zu stecken *).
Die Advokaten des Rades, des Schwertes, Beiles, der Schlinge und der Guillotine sind theils aufrichtige Freunde der Henker, theils verborgene. Jene sind ungefähr das, was man Menschenfreunde nennen könnte, diese treiben ein Spiel mit doktrinären Jllusionen. Jene haben juristische und polizeiliche Gründe für ihre Grausamkeit und leiden selbst empfindlich unter der Nothwendigkeit; diese köpfen und hängen mit kaltem Blute und sehen auf den Rabensteinen die poetische Gerechtigkeit thronen. Diese Lezteren, die Doktrinäre unserer Zeit, die Geistreichen, die Philosophen, sind dieselben, welche wir oben die Verbesserung der Gefängnisse haben so sophistisch bestreiten sehen, es sind die, welche das achtzehnte Jahrhundert in den Sack gesteckt haben und die Philanthropie für eine Frauenzimmerkrankheit ausgeben. Sie wollen Alles entweder auf die Natur oder auf’s Mittelalter zurückführen. Sie begründen alle ihre Ansichten entweder auf die Geschichte oder auf das Christenthum. Sie lehren, daß Christus gesagt hätte, "er brächte das Schwert." Der Geist der Liebe zog in ihre Herzen nicht ein. Sie kämpfen nur für den Schimmer der Jdeen, nicht für ihren Jnhalt. Sie lassen die
*) Oder ein Wettrennen in Epsom zu veranstalten. A. d. U.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/102>, abgerufen am 16.07.2024. |