Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.nur noch ein Schreckbild, eine Warnung, ja selbst ein Hülfsmittel nur noch in der Art, daß wir sie in historischer Abrundung vor der Anschauung unserer Phantasie immer gegenwärtig haben, und immer vergleichen können, wie viel oder wie wenig wir von ihren Erfahrungen brauchen können, um unsere eigenen durchzusetzen. Die Tendenz unseres Jahrhunderts ist deßhalb eine ganz andere gegen die des achtzehnten Jahrhunderts, weil überhaupt das neunzehnte Jahrhundert einen ganz anderen Charakter hat. Wir streben auch darnach, die Kirchthürme den Privatdächern gleich zu machen, aber wir übersehen nicht, wenn wir dabei gegen die Gesetze der Proportion verstoßen. Wir haben es auch mit Hütten und Palästen zu thun; aber wir machen sie nicht gleich, sondern wir bemühen uns nur, eine anmuthige und schattige Allee zwischen beiden anzulegen. Mit einem Worte, wir nivelliren auch, aber nicht, um Alles gleich zu machen, sondern nur eine richtige, mathematische, die von Gott und der Natur gebotene Proportion zwischen Menschen und Dingen herzustellen. Unsere Revolution besteht darin, die Unordnung zu zerstören, Harmonie und Ebenmaß in die gesellschaftlichen Relationen zu bringen und Jedem gerade so viel zu geben, als er entweder tragen muß oder tragen will, wenn er es nämlich nur tragen kann. Wir werden uns oft der Form der Revolution bedienen, uns aber niemals bereden, daß in ihr irgend ein Jnhalt liegen könne. Alles dieses werd' ich noch weit klarer machen können, nur noch ein Schreckbild, eine Warnung, ja selbst ein Hülfsmittel nur noch in der Art, daß wir sie in historischer Abrundung vor der Anschauung unserer Phantasie immer gegenwärtig haben, und immer vergleichen können, wie viel oder wie wenig wir von ihren Erfahrungen brauchen können, um unsere eigenen durchzusetzen. Die Tendenz unseres Jahrhunderts ist deßhalb eine ganz andere gegen die des achtzehnten Jahrhunderts, weil überhaupt das neunzehnte Jahrhundert einen ganz anderen Charakter hat. Wir streben auch darnach, die Kirchthürme den Privatdächern gleich zu machen, aber wir übersehen nicht, wenn wir dabei gegen die Gesetze der Proportion verstoßen. Wir haben es auch mit Hütten und Palästen zu thun; aber wir machen sie nicht gleich, sondern wir bemühen uns nur, eine anmuthige und schattige Allee zwischen beiden anzulegen. Mit einem Worte, wir nivelliren auch, aber nicht, um Alles gleich zu machen, sondern nur eine richtige, mathematische, die von Gott und der Natur gebotene Proportion zwischen Menschen und Dingen herzustellen. Unsere Revolution besteht darin, die Unordnung zu zerstören, Harmonie und Ebenmaß in die gesellschaftlichen Relationen zu bringen und Jedem gerade so viel zu geben, als er entweder tragen muß oder tragen will, wenn er es nämlich nur tragen kann. Wir werden uns oft der Form der Revolution bedienen, uns aber niemals bereden, daß in ihr irgend ein Jnhalt liegen könne. Alles dieses werd’ ich noch weit klarer machen können, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="68"/> nur noch ein Schreckbild, eine Warnung, ja selbst ein Hülfsmittel nur noch in der Art, daß wir sie in historischer Abrundung vor der Anschauung unserer Phantasie immer gegenwärtig haben, und immer vergleichen können, wie viel oder wie wenig wir von <hi rendition="#g">ihren</hi> Erfahrungen brauchen können, um unsere eigenen durchzusetzen. Die Tendenz unseres Jahrhunderts ist deßhalb eine ganz andere gegen die des achtzehnten Jahrhunderts, weil überhaupt das neunzehnte Jahrhundert einen ganz anderen Charakter hat. Wir streben <hi rendition="#g">auch</hi> darnach, die Kirchthürme den Privatdächern gleich zu machen, aber wir übersehen nicht, wenn wir dabei gegen die Gesetze der Proportion verstoßen. Wir haben es auch mit Hütten und Palästen zu thun; aber wir machen sie nicht gleich, sondern wir bemühen uns nur, eine anmuthige und schattige Allee zwischen beiden anzulegen. Mit einem Worte, wir nivelliren auch, aber nicht, um Alles gleich zu machen, sondern nur eine richtige, mathematische, die von Gott und der Natur gebotene Proportion zwischen Menschen und Dingen herzustellen. Unsere Revolution besteht darin, die Unordnung zu zerstören, Harmonie und Ebenmaß in die gesellschaftlichen Relationen zu bringen und Jedem gerade so viel zu geben, als er entweder tragen muß oder tragen will, wenn er es nämlich nur tragen kann. Wir werden uns oft der Form der Revolution bedienen, uns aber niemals bereden, daß in ihr irgend ein Jnhalt liegen könne.</p> <p>Alles dieses werd’ ich noch weit klarer machen können, </p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0096]
nur noch ein Schreckbild, eine Warnung, ja selbst ein Hülfsmittel nur noch in der Art, daß wir sie in historischer Abrundung vor der Anschauung unserer Phantasie immer gegenwärtig haben, und immer vergleichen können, wie viel oder wie wenig wir von ihren Erfahrungen brauchen können, um unsere eigenen durchzusetzen. Die Tendenz unseres Jahrhunderts ist deßhalb eine ganz andere gegen die des achtzehnten Jahrhunderts, weil überhaupt das neunzehnte Jahrhundert einen ganz anderen Charakter hat. Wir streben auch darnach, die Kirchthürme den Privatdächern gleich zu machen, aber wir übersehen nicht, wenn wir dabei gegen die Gesetze der Proportion verstoßen. Wir haben es auch mit Hütten und Palästen zu thun; aber wir machen sie nicht gleich, sondern wir bemühen uns nur, eine anmuthige und schattige Allee zwischen beiden anzulegen. Mit einem Worte, wir nivelliren auch, aber nicht, um Alles gleich zu machen, sondern nur eine richtige, mathematische, die von Gott und der Natur gebotene Proportion zwischen Menschen und Dingen herzustellen. Unsere Revolution besteht darin, die Unordnung zu zerstören, Harmonie und Ebenmaß in die gesellschaftlichen Relationen zu bringen und Jedem gerade so viel zu geben, als er entweder tragen muß oder tragen will, wenn er es nämlich nur tragen kann. Wir werden uns oft der Form der Revolution bedienen, uns aber niemals bereden, daß in ihr irgend ein Jnhalt liegen könne.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/96>, abgerufen am 27.07.2024. |