Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Welt und des Herzens gegenüber stehen. Recht bürgerlich und platt-patriotisch ist dieß neue Prinzip, das Prinzip der Nationalgarde. So kann man meistens dieses Halbpart! bezeichnen, welches bei ihrem Manne das Leben dem Weibe zuruft! Wir wollen den höhern Offenbarungen dieses Leidens nicht nachspüren; denn in ihrer Höhe haben sie sich zu allen Zeiten wiederholt. Aber dieser Zwiespalt eines Nationalgardisten, der aus seinem Ehebette springen muß, um in baumwollner Nachtmütze das Feuer einer Revolution zu löschen, dieses Malheur ist das des Jahrhunderts und greift tief in unsre modernen Sitten und Anschauungen, selbst in Betreff des Familienlebens ein. Die Frauen unsrer Zeit befinden sich in einem zweideutigen Zustande. Sie scheinen einer transitorischen Krisis unterworfen, einem Zustande, der nur auf einstweilen halten wird. Die Frauen, isolirt, von den Männern vernachlässigt, haben sich zuvörderst entschlossen, es den Männern nachzuthun. Sie erlernten die Wissenschaften, sie eignen sich auch die physische Kraft der Männer an. Sie baden sich im offnen Strome, sie schwimmen; ja, man sieht sie sogar mit Schlittschuhen über gefrorne Teiche fliegen. England hat davon noch keine Ahnung. Aber unsre Frauen zählen hier auch nicht mit. Sie haben eine ganz eigenthümliche, von Gott nur für sie bestimmte Complexion. Jch gönne ihnen den Stolz, den sie über ihre Beschränkung empfinden, und gestehe gern zu, daß man eine eigne Welt und des Herzens gegenüber stehen. Recht bürgerlich und platt-patriotisch ist dieß neue Prinzip, das Prinzip der Nationalgarde. So kann man meistens dieses Halbpart! bezeichnen, welches bei ihrem Manne das Leben dem Weibe zuruft! Wir wollen den höhern Offenbarungen dieses Leidens nicht nachspüren; denn in ihrer Höhe haben sie sich zu allen Zeiten wiederholt. Aber dieser Zwiespalt eines Nationalgardisten, der aus seinem Ehebette springen muß, um in baumwollner Nachtmütze das Feuer einer Revolution zu löschen, dieses Malheur ist das des Jahrhunderts und greift tief in unsre modernen Sitten und Anschauungen, selbst in Betreff des Familienlebens ein. Die Frauen unsrer Zeit befinden sich in einem zweideutigen Zustande. Sie scheinen einer transitorischen Krisis unterworfen, einem Zustande, der nur auf einstweilen halten wird. Die Frauen, isolirt, von den Männern vernachlässigt, haben sich zuvörderst entschlossen, es den Männern nachzuthun. Sie erlernten die Wissenschaften, sie eignen sich auch die physische Kraft der Männer an. Sie baden sich im offnen Strome, sie schwimmen; ja, man sieht sie sogar mit Schlittschuhen über gefrorne Teiche fliegen. England hat davon noch keine Ahnung. Aber unsre Frauen zählen hier auch nicht mit. Sie haben eine ganz eigenthümliche, von Gott nur für sie bestimmte Complexion. Jch gönne ihnen den Stolz, den sie über ihre Beschränkung empfinden, und gestehe gern zu, daß man eine eigne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="50"/> Welt und des Herzens gegenüber stehen. Recht bürgerlich und platt-patriotisch ist dieß neue Prinzip, das Prinzip <hi rendition="#g">der Nationalgarde</hi>. So kann man meistens dieses Halbpart! bezeichnen, welches bei ihrem Manne das Leben dem Weibe zuruft! Wir wollen den höhern Offenbarungen dieses Leidens nicht nachspüren; denn in ihrer Höhe haben sie sich zu allen Zeiten wiederholt. Aber dieser Zwiespalt eines Nationalgardisten, der aus seinem Ehebette springen muß, um in baumwollner Nachtmütze das Feuer einer Revolution zu löschen, dieses Malheur ist das des Jahrhunderts und greift tief in unsre modernen Sitten und Anschauungen, selbst in Betreff des Familienlebens ein.</p> <p>Die Frauen unsrer Zeit befinden sich in einem zweideutigen Zustande. Sie scheinen einer transitorischen Krisis unterworfen, einem Zustande, der nur auf einstweilen halten wird. Die Frauen, isolirt, von den Männern vernachlässigt, haben sich zuvörderst entschlossen, es den Männern nachzuthun. Sie erlernten die Wissenschaften, sie eignen sich auch die physische Kraft der Männer an. Sie baden sich im offnen Strome, sie schwimmen; ja, man sieht sie sogar mit Schlittschuhen über gefrorne Teiche fliegen. England hat davon noch keine Ahnung. Aber unsre Frauen zählen hier auch nicht mit. Sie haben eine ganz eigenthümliche, von Gott nur für sie bestimmte Complexion. Jch gönne ihnen den Stolz, den sie über ihre Beschränkung empfinden, und gestehe gern zu, daß man eine eigne </p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0078]
Welt und des Herzens gegenüber stehen. Recht bürgerlich und platt-patriotisch ist dieß neue Prinzip, das Prinzip der Nationalgarde. So kann man meistens dieses Halbpart! bezeichnen, welches bei ihrem Manne das Leben dem Weibe zuruft! Wir wollen den höhern Offenbarungen dieses Leidens nicht nachspüren; denn in ihrer Höhe haben sie sich zu allen Zeiten wiederholt. Aber dieser Zwiespalt eines Nationalgardisten, der aus seinem Ehebette springen muß, um in baumwollner Nachtmütze das Feuer einer Revolution zu löschen, dieses Malheur ist das des Jahrhunderts und greift tief in unsre modernen Sitten und Anschauungen, selbst in Betreff des Familienlebens ein.
Die Frauen unsrer Zeit befinden sich in einem zweideutigen Zustande. Sie scheinen einer transitorischen Krisis unterworfen, einem Zustande, der nur auf einstweilen halten wird. Die Frauen, isolirt, von den Männern vernachlässigt, haben sich zuvörderst entschlossen, es den Männern nachzuthun. Sie erlernten die Wissenschaften, sie eignen sich auch die physische Kraft der Männer an. Sie baden sich im offnen Strome, sie schwimmen; ja, man sieht sie sogar mit Schlittschuhen über gefrorne Teiche fliegen. England hat davon noch keine Ahnung. Aber unsre Frauen zählen hier auch nicht mit. Sie haben eine ganz eigenthümliche, von Gott nur für sie bestimmte Complexion. Jch gönne ihnen den Stolz, den sie über ihre Beschränkung empfinden, und gestehe gern zu, daß man eine eigne
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