Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.ernstlichen Liebschaften, wo er erwarten müßte, daß ihm eines Morgens ein Vater auf's Zimmer rückte, um ernstliche Rücksprachen zu nehmen; sondern er richtet, mehr auf der Straße, als bei sich verkehrend, bis jetzt noch alle seine Aufmerksamkeit auf den ersten Eindruck, auf das Exterieur eines angenehmen in die Augen Fallens. Jch sehe mit Schrecken, daß Emil, der große Geschmackskenner, der mit zwei Feuilletonisten umgeht, ob sich gleich beide heftig befehden, Emil, der Freund des ersten Helden, der Anbeter der Soubrettenprimadonna des Theaters sich ganz abgeschmackte Manieren angewöhnt. Jst es nicht, als näselte seine Stimme ein wenig? Hat noch ein Satz Zusammenhang mit dem andern? Jn der That, das hat Emil von den Engländern angenommen. Jetzt macht sich Master Fop geltend. Jetzt werden die wahrscheinlich mit Stecknadeln befestigten Handmanschetten über den Rockärmel zurückgeschlagen, so daß Emil aussieht, als wollt' er jeden Augenblick einen Kapaunen tranchiren. Die Hände ruhen sich wechselseitig in dem rechten oder linken Westenschlitze aus. Der Gang bekömmt etwas Unsichres, etwas um Hülfe Rufendes, eine Nelke im Knopfloche scheint in der That die Stelle eines Riechfläschchens zu vertreten. Woher nur diese Gebärden? Es ist das jämmerliche Leibschneiden der Langenweile, einer Zeit, die verloren ist bis zu der Stunde, wo sich Adelaide, die Sängerin, Fanny, die Tänzerin, sprechen läßt. Emil reitet täglich eine Stunde; aber er sitzt auf dem Hintertheile des Gaules, ernstlichen Liebschaften, wo er erwarten müßte, daß ihm eines Morgens ein Vater auf’s Zimmer rückte, um ernstliche Rücksprachen zu nehmen; sondern er richtet, mehr auf der Straße, als bei sich verkehrend, bis jetzt noch alle seine Aufmerksamkeit auf den ersten Eindruck, auf das Exterieur eines angenehmen in die Augen Fallens. Jch sehe mit Schrecken, daß Emil, der große Geschmackskenner, der mit zwei Feuilletonisten umgeht, ob sich gleich beide heftig befehden, Emil, der Freund des ersten Helden, der Anbeter der Soubrettenprimadonna des Theaters sich ganz abgeschmackte Manieren angewöhnt. Jst es nicht, als näselte seine Stimme ein wenig? Hat noch ein Satz Zusammenhang mit dem andern? Jn der That, das hat Emil von den Engländern angenommen. Jetzt macht sich Master Fop geltend. Jetzt werden die wahrscheinlich mit Stecknadeln befestigten Handmanschetten über den Rockärmel zurückgeschlagen, so daß Emil aussieht, als wollt’ er jeden Augenblick einen Kapaunen tranchiren. Die Hände ruhen sich wechselseitig in dem rechten oder linken Westenschlitze aus. Der Gang bekömmt etwas Unsichres, etwas um Hülfe Rufendes, eine Nelke im Knopfloche scheint in der That die Stelle eines Riechfläschchens zu vertreten. Woher nur diese Gebärden? Es ist das jämmerliche Leibschneiden der Langenweile, einer Zeit, die verloren ist bis zu der Stunde, wo sich Adelaide, die Sängerin, Fanny, die Tänzerin, sprechen läßt. Emil reitet täglich eine Stunde; aber er sitzt auf dem Hintertheile des Gaules, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="30"/> ernstlichen Liebschaften, wo er erwarten müßte, daß ihm eines Morgens ein Vater auf’s Zimmer rückte, um ernstliche Rücksprachen zu nehmen; sondern er richtet, mehr auf der Straße, als bei sich verkehrend, bis jetzt noch alle seine Aufmerksamkeit auf den ersten Eindruck, auf das Exterieur eines angenehmen in die Augen Fallens. Jch sehe mit Schrecken, daß Emil, der große Geschmackskenner, der mit zwei Feuilletonisten umgeht, ob sich gleich beide heftig befehden, Emil, der Freund des ersten Helden, der Anbeter der Soubrettenprimadonna des Theaters sich ganz abgeschmackte Manieren angewöhnt. Jst es nicht, als näselte seine Stimme ein wenig? Hat noch ein Satz Zusammenhang mit dem andern? Jn der That, das hat Emil von den Engländern angenommen. Jetzt macht sich Master Fop geltend. Jetzt werden die wahrscheinlich mit Stecknadeln befestigten Handmanschetten über den Rockärmel zurückgeschlagen, so daß Emil aussieht, als wollt’ er jeden Augenblick einen Kapaunen tranchiren. Die Hände ruhen sich wechselseitig in dem rechten oder linken Westenschlitze aus. Der Gang bekömmt etwas Unsichres, etwas um Hülfe Rufendes, eine Nelke im Knopfloche scheint in der That die Stelle eines Riechfläschchens zu vertreten. Woher nur diese Gebärden? Es ist das jämmerliche Leibschneiden der Langenweile, einer Zeit, die verloren ist bis zu der Stunde, wo sich Adelaide, die Sängerin, Fanny, die Tänzerin, sprechen läßt. Emil reitet täglich eine Stunde; aber er sitzt auf dem Hintertheile des Gaules, </p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0058]
ernstlichen Liebschaften, wo er erwarten müßte, daß ihm eines Morgens ein Vater auf’s Zimmer rückte, um ernstliche Rücksprachen zu nehmen; sondern er richtet, mehr auf der Straße, als bei sich verkehrend, bis jetzt noch alle seine Aufmerksamkeit auf den ersten Eindruck, auf das Exterieur eines angenehmen in die Augen Fallens. Jch sehe mit Schrecken, daß Emil, der große Geschmackskenner, der mit zwei Feuilletonisten umgeht, ob sich gleich beide heftig befehden, Emil, der Freund des ersten Helden, der Anbeter der Soubrettenprimadonna des Theaters sich ganz abgeschmackte Manieren angewöhnt. Jst es nicht, als näselte seine Stimme ein wenig? Hat noch ein Satz Zusammenhang mit dem andern? Jn der That, das hat Emil von den Engländern angenommen. Jetzt macht sich Master Fop geltend. Jetzt werden die wahrscheinlich mit Stecknadeln befestigten Handmanschetten über den Rockärmel zurückgeschlagen, so daß Emil aussieht, als wollt’ er jeden Augenblick einen Kapaunen tranchiren. Die Hände ruhen sich wechselseitig in dem rechten oder linken Westenschlitze aus. Der Gang bekömmt etwas Unsichres, etwas um Hülfe Rufendes, eine Nelke im Knopfloche scheint in der That die Stelle eines Riechfläschchens zu vertreten. Woher nur diese Gebärden? Es ist das jämmerliche Leibschneiden der Langenweile, einer Zeit, die verloren ist bis zu der Stunde, wo sich Adelaide, die Sängerin, Fanny, die Tänzerin, sprechen läßt. Emil reitet täglich eine Stunde; aber er sitzt auf dem Hintertheile des Gaules,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/58>, abgerufen am 27.07.2024. |