Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

die sich bei Frauen ohne Welt und Geschmack nur in der Form des Phlegma's offenbart. Gewandtere jedoch verstehen es, diese Schwerfälligkeit ihrer Glieder, dieß leichte Ermüden derselben als Zaubermittel einer verstrickenden Coquetterie zu benutzen. Jhr Wesen erhält durch eine weise Bemäntlung ihrer Faulheit das Gepräge der hingegossensten Ueppigkeit und eines durch jedes der ermüdeten Glieder verrathenen glühenden Verlangens. Die Art, wie Lady Windmill sich mit künstlicher oder natürlicher Erschöpfung an das Hintertheil einer Ottomane wirft und dabei die ganze Länge ihres Fußes in die Höhe hebt, um ihn nach türkischer Weise wenigstens zum Theil auch auf dem Polster ruhen zu lassen, gibt dieser verwittweten Coquette einen Schmelz, welchem kaum die sprödesten Herzen widerstreben würden. Unbezweifelt ist es, daß die Mutter auf Geschmackskenner noch bei weitem mehr Eindruck macht, als die Töchter. Der gewöhnliche Weg, daß man Müttern den Hof macht, um allmählig über sie hinweg das Palladium einer ihrer Töchter zu erobern, hat sich in dieser Familie grade in das Gegentheil umgewandelt. Man knüpft mit den Töchtern an, um allmählig zur Mutter zu gelangen. Denn man muß gestehen, daß diese letzte noch immer spröder ist, als ihre Töchter. Diese drei jungen Frauenzimmer scheinen schon von ihrer Kindheit damit vertraut gewesen zu seyn, daß die Bestimmung des Weibes der Mann ist. All ihre Gefühle und angelernten Begriffe müssen bei ihnen, statt daß die Bildung

die sich bei Frauen ohne Welt und Geschmack nur in der Form des Phlegma’s offenbart. Gewandtere jedoch verstehen es, diese Schwerfälligkeit ihrer Glieder, dieß leichte Ermüden derselben als Zaubermittel einer verstrickenden Coquetterie zu benutzen. Jhr Wesen erhält durch eine weise Bemäntlung ihrer Faulheit das Gepräge der hingegossensten Ueppigkeit und eines durch jedes der ermüdeten Glieder verrathenen glühenden Verlangens. Die Art, wie Lady Windmill sich mit künstlicher oder natürlicher Erschöpfung an das Hintertheil einer Ottomane wirft und dabei die ganze Länge ihres Fußes in die Höhe hebt, um ihn nach türkischer Weise wenigstens zum Theil auch auf dem Polster ruhen zu lassen, gibt dieser verwittweten Coquette einen Schmelz, welchem kaum die sprödesten Herzen widerstreben würden. Unbezweifelt ist es, daß die Mutter auf Geschmackskenner noch bei weitem mehr Eindruck macht, als die Töchter. Der gewöhnliche Weg, daß man Müttern den Hof macht, um allmählig über sie hinweg das Palladium einer ihrer Töchter zu erobern, hat sich in dieser Familie grade in das Gegentheil umgewandelt. Man knüpft mit den Töchtern an, um allmählig zur Mutter zu gelangen. Denn man muß gestehen, daß diese letzte noch immer spröder ist, als ihre Töchter. Diese drei jungen Frauenzimmer scheinen schon von ihrer Kindheit damit vertraut gewesen zu seyn, daß die Bestimmung des Weibes der Mann ist. All ihre Gefühle und angelernten Begriffe müssen bei ihnen, statt daß die Bildung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0471" n="443"/>
die sich bei Frauen ohne Welt und Geschmack nur in der Form des Phlegma&#x2019;s offenbart. Gewandtere jedoch verstehen es, diese Schwerfälligkeit ihrer Glieder, dieß leichte Ermüden derselben als Zaubermittel einer verstrickenden Coquetterie zu benutzen. Jhr Wesen erhält durch eine weise Bemäntlung ihrer Faulheit das Gepräge der hingegossensten Ueppigkeit und eines durch jedes der ermüdeten Glieder verrathenen glühenden Verlangens. Die Art, wie Lady Windmill sich mit künstlicher oder natürlicher Erschöpfung an das Hintertheil einer Ottomane wirft und dabei die ganze Länge ihres Fußes in die Höhe hebt, um ihn nach türkischer Weise wenigstens zum Theil auch auf dem Polster ruhen zu lassen, gibt dieser verwittweten Coquette einen Schmelz, welchem kaum die sprödesten Herzen widerstreben würden. Unbezweifelt ist es, daß die Mutter auf Geschmackskenner noch bei weitem mehr Eindruck macht, als die Töchter. Der gewöhnliche Weg, daß man Müttern den Hof macht, um allmählig über sie hinweg das Palladium einer ihrer Töchter zu erobern, hat sich in dieser Familie grade in das Gegentheil umgewandelt. Man knüpft mit den Töchtern an, um allmählig zur Mutter zu gelangen. Denn man muß gestehen, daß diese letzte noch immer spröder ist, als ihre Töchter. Diese drei jungen Frauenzimmer scheinen schon von ihrer Kindheit damit vertraut gewesen zu seyn, daß die Bestimmung des Weibes der Mann ist. All ihre Gefühle und angelernten Begriffe müssen bei ihnen, statt daß die Bildung
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0471] die sich bei Frauen ohne Welt und Geschmack nur in der Form des Phlegma’s offenbart. Gewandtere jedoch verstehen es, diese Schwerfälligkeit ihrer Glieder, dieß leichte Ermüden derselben als Zaubermittel einer verstrickenden Coquetterie zu benutzen. Jhr Wesen erhält durch eine weise Bemäntlung ihrer Faulheit das Gepräge der hingegossensten Ueppigkeit und eines durch jedes der ermüdeten Glieder verrathenen glühenden Verlangens. Die Art, wie Lady Windmill sich mit künstlicher oder natürlicher Erschöpfung an das Hintertheil einer Ottomane wirft und dabei die ganze Länge ihres Fußes in die Höhe hebt, um ihn nach türkischer Weise wenigstens zum Theil auch auf dem Polster ruhen zu lassen, gibt dieser verwittweten Coquette einen Schmelz, welchem kaum die sprödesten Herzen widerstreben würden. Unbezweifelt ist es, daß die Mutter auf Geschmackskenner noch bei weitem mehr Eindruck macht, als die Töchter. Der gewöhnliche Weg, daß man Müttern den Hof macht, um allmählig über sie hinweg das Palladium einer ihrer Töchter zu erobern, hat sich in dieser Familie grade in das Gegentheil umgewandelt. Man knüpft mit den Töchtern an, um allmählig zur Mutter zu gelangen. Denn man muß gestehen, daß diese letzte noch immer spröder ist, als ihre Töchter. Diese drei jungen Frauenzimmer scheinen schon von ihrer Kindheit damit vertraut gewesen zu seyn, daß die Bestimmung des Weibes der Mann ist. All ihre Gefühle und angelernten Begriffe müssen bei ihnen, statt daß die Bildung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/471
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/471>, abgerufen am 23.11.2024.