Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.zu wollen, denn Henry, das von meiner Gefährtin schon öfters ausgesprochene Wort "Maschine" festhaltend, fuhr fort: "Freilich ist der Mann eine recht unglückliche Maschine, allein ich besorge nur, es wird ihm nicht gut bekommen; von Kindheit nämlich hat er schon am Rücken den unnatürlichen Auswuchs gehabt, den man nicht gerade einen Buckel nennen dürfte, der aber auch nichts weniger als eine glatte Ebene war. Seitdem man nun die Kunst erfunden hat, alle Auswüchse und Verschiefungen des menschlichen Körpers durch zweckmäßig angebrachte Compressionsmaschinen wieder zu ebnen und auszugleichen, hat auch mein Herr der Versuchung nicht widerstehen können, trotz seines vor zehn Jahren schon in die Dreißige vorgerückten Lebens den Versuch zu wagen, sich auf orthopädische Weise heilen zu lassen. Nun hat der Mann zehn Jahre lang auf dem Streckbett gelegen und sich seinen Buckel ganz und gar in den übrigen Körper hineingedrückt. Das Röcheln, was die Stimme beim Sprechen begleitet, kann jedenfalls nichts Gutes bedeuten; das ganze unnatürliche Wachsthum nach hinten ist ihm nun in die Brust nach vorne getrieben; noch kann er seinen Schwerpunkt nicht finden, um mit seinem ganzen Körper zu balanciren, er sitzt in lauter Stahlfedern eingezwängt und muß, wo man ihn hin haben will, getragen oder gefahren werden." Als Henry geendet hatte und uns beiden Weibern in den Wagen hineinhalf, konnte die mechanische Schriftstellerin den Aerger über ihre gehabte Täuschung nur zu wollen, denn Henry, das von meiner Gefährtin schon öfters ausgesprochene Wort "Maschine" festhaltend, fuhr fort: "Freilich ist der Mann eine recht unglückliche Maschine, allein ich besorge nur, es wird ihm nicht gut bekommen; von Kindheit nämlich hat er schon am Rücken den unnatürlichen Auswuchs gehabt, den man nicht gerade einen Buckel nennen dürfte, der aber auch nichts weniger als eine glatte Ebene war. Seitdem man nun die Kunst erfunden hat, alle Auswüchse und Verschiefungen des menschlichen Körpers durch zweckmäßig angebrachte Compressionsmaschinen wieder zu ebnen und auszugleichen, hat auch mein Herr der Versuchung nicht widerstehen können, trotz seines vor zehn Jahren schon in die Dreißige vorgerückten Lebens den Versuch zu wagen, sich auf orthopädische Weise heilen zu lassen. Nun hat der Mann zehn Jahre lang auf dem Streckbett gelegen und sich seinen Buckel ganz und gar in den übrigen Körper hineingedrückt. Das Röcheln, was die Stimme beim Sprechen begleitet, kann jedenfalls nichts Gutes bedeuten; das ganze unnatürliche Wachsthum nach hinten ist ihm nun in die Brust nach vorne getrieben; noch kann er seinen Schwerpunkt nicht finden, um mit seinem ganzen Körper zu balanciren, er sitzt in lauter Stahlfedern eingezwängt und muß, wo man ihn hin haben will, getragen oder gefahren werden.“ Als Henry geendet hatte und uns beiden Weibern in den Wagen hineinhalf, konnte die mechanische Schriftstellerin den Aerger über ihre gehabte Täuschung nur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0457" n="429"/> zu wollen, denn Henry, das von meiner Gefährtin schon öfters ausgesprochene Wort "Maschine" festhaltend, fuhr fort: "Freilich ist der Mann eine recht unglückliche Maschine, allein ich besorge nur, es wird ihm nicht gut bekommen; von Kindheit nämlich hat er schon am Rücken den unnatürlichen Auswuchs gehabt, den man nicht gerade einen Buckel nennen dürfte, der aber auch nichts weniger als eine glatte Ebene war. Seitdem man nun die Kunst erfunden hat, alle Auswüchse und Verschiefungen des menschlichen Körpers durch zweckmäßig angebrachte Compressionsmaschinen wieder zu ebnen und auszugleichen, hat auch mein Herr der Versuchung nicht widerstehen können, trotz seines vor zehn Jahren schon in die Dreißige vorgerückten Lebens den Versuch zu wagen, sich auf orthopädische Weise heilen zu lassen. Nun hat der Mann zehn Jahre lang auf dem Streckbett gelegen und sich seinen Buckel ganz und gar in den übrigen Körper hineingedrückt. Das Röcheln, was die Stimme beim Sprechen begleitet, kann jedenfalls nichts Gutes bedeuten; das ganze unnatürliche Wachsthum nach hinten ist ihm nun in die Brust nach vorne getrieben; noch kann er seinen Schwerpunkt nicht finden, um mit seinem ganzen Körper zu balanciren, er sitzt in lauter Stahlfedern eingezwängt und muß, wo man ihn hin haben will, getragen oder gefahren werden.“</p> <p>Als Henry geendet hatte und uns beiden Weibern in den Wagen hineinhalf, konnte die mechanische Schriftstellerin den Aerger über ihre gehabte Täuschung nur </p> </div> </body> </text> </TEI> [429/0457]
zu wollen, denn Henry, das von meiner Gefährtin schon öfters ausgesprochene Wort "Maschine" festhaltend, fuhr fort: "Freilich ist der Mann eine recht unglückliche Maschine, allein ich besorge nur, es wird ihm nicht gut bekommen; von Kindheit nämlich hat er schon am Rücken den unnatürlichen Auswuchs gehabt, den man nicht gerade einen Buckel nennen dürfte, der aber auch nichts weniger als eine glatte Ebene war. Seitdem man nun die Kunst erfunden hat, alle Auswüchse und Verschiefungen des menschlichen Körpers durch zweckmäßig angebrachte Compressionsmaschinen wieder zu ebnen und auszugleichen, hat auch mein Herr der Versuchung nicht widerstehen können, trotz seines vor zehn Jahren schon in die Dreißige vorgerückten Lebens den Versuch zu wagen, sich auf orthopädische Weise heilen zu lassen. Nun hat der Mann zehn Jahre lang auf dem Streckbett gelegen und sich seinen Buckel ganz und gar in den übrigen Körper hineingedrückt. Das Röcheln, was die Stimme beim Sprechen begleitet, kann jedenfalls nichts Gutes bedeuten; das ganze unnatürliche Wachsthum nach hinten ist ihm nun in die Brust nach vorne getrieben; noch kann er seinen Schwerpunkt nicht finden, um mit seinem ganzen Körper zu balanciren, er sitzt in lauter Stahlfedern eingezwängt und muß, wo man ihn hin haben will, getragen oder gefahren werden.“
Als Henry geendet hatte und uns beiden Weibern in den Wagen hineinhalf, konnte die mechanische Schriftstellerin den Aerger über ihre gehabte Täuschung nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/457 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/457>, abgerufen am 28.07.2024. |