Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Wirthshause, jetzt steht man zu dem Prellervolke im Verhältniß einer weitläufigen Gastfreundschaft. Wenn das in kleinen Städten so ist, dacht' ich, wie wird das in London seyn! Und während dem klopft' es an meine Thür. Jch hatte mich so eben etwas gelegt, weil die Landkutsche in einer Stunde eintreffen sollte, und ein Theil der Nacht hindurch gefahren wurde. Ohne noch mein Herein! abzuwarten, tritt ein Frauenzimmer zu mir herein, ich kann wohl sagen, von einem ausnehmend zweideutigen Charakter. Jch frage, was ihr Begehr sey? Statt dessen fixirte sie an mir alle diejenigen Theile des Körpers, von welchen man zu gebildeten Menschen nicht spricht. Sie setzte einige Cartons auf den Tisch und fing an: Alles aus Paris; ächt und leicht, elastisch und bis zur Täuschung, für vorn und hinten, Alles aus einer Fabrik. Jch bekam in dem Augenblick das Zittern, weil ich hier Unrath merkte und ganz allein dastand. Jch fürchtete, schon von dem Namen der käuflichen Dinge beleidigt zu werden, und lief immer röther und röther an, als hätt' ich ein Nesselfieber. Um Jesu Willen! schrie' ich, als das Weib anfing, ihre Cartons zu öffnen, und mir Dinge zeigen wollte, für welche sie die prächtigsten Namen hatte, von denen mir aber der Gebrauch so räthselhaft und so empfindlich war, daß ich ihr rieth, mich und meinen ehrlichen Namen in Ruhe zu lassen. Sie replizirte, daß die vornehmsten Frauen sich nicht scheuten, ihre mangelnden oder bereits verblühten Schönheiten durch diese künstlichen zu ersetzen, auch hätte sie ein gut Wirthshause, jetzt steht man zu dem Prellervolke im Verhältniß einer weitläufigen Gastfreundschaft. Wenn das in kleinen Städten so ist, dacht’ ich, wie wird das in London seyn! Und während dem klopft’ es an meine Thür. Jch hatte mich so eben etwas gelegt, weil die Landkutsche in einer Stunde eintreffen sollte, und ein Theil der Nacht hindurch gefahren wurde. Ohne noch mein Herein! abzuwarten, tritt ein Frauenzimmer zu mir herein, ich kann wohl sagen, von einem ausnehmend zweideutigen Charakter. Jch frage, was ihr Begehr sey? Statt dessen fixirte sie an mir alle diejenigen Theile des Körpers, von welchen man zu gebildeten Menschen nicht spricht. Sie setzte einige Cartons auf den Tisch und fing an: Alles aus Paris; ächt und leicht, elastisch und bis zur Täuschung, für vorn und hinten, Alles aus einer Fabrik. Jch bekam in dem Augenblick das Zittern, weil ich hier Unrath merkte und ganz allein dastand. Jch fürchtete, schon von dem Namen der käuflichen Dinge beleidigt zu werden, und lief immer röther und röther an, als hätt’ ich ein Nesselfieber. Um Jesu Willen! schrie’ ich, als das Weib anfing, ihre Cartons zu öffnen, und mir Dinge zeigen wollte, für welche sie die prächtigsten Namen hatte, von denen mir aber der Gebrauch so räthselhaft und so empfindlich war, daß ich ihr rieth, mich und meinen ehrlichen Namen in Ruhe zu lassen. Sie replizirte, daß die vornehmsten Frauen sich nicht scheuten, ihre mangelnden oder bereits verblühten Schönheiten durch diese künstlichen zu ersetzen, auch hätte sie ein gut <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0445" n="417"/> Wirthshause, jetzt steht man zu dem Prellervolke im Verhältniß einer weitläufigen Gastfreundschaft. Wenn das in kleinen Städten so ist, dacht’ ich, wie wird das in London seyn! Und während dem klopft’ es an meine Thür. Jch hatte mich so eben etwas gelegt, weil die Landkutsche in einer Stunde eintreffen sollte, und ein Theil der Nacht hindurch gefahren wurde. Ohne noch mein Herein! abzuwarten, tritt ein Frauenzimmer zu mir herein, ich kann wohl sagen, von einem ausnehmend zweideutigen Charakter. Jch frage, was ihr Begehr sey? Statt dessen fixirte sie an mir alle diejenigen Theile des Körpers, von welchen man zu gebildeten Menschen nicht spricht. Sie setzte einige Cartons auf den Tisch und fing an: Alles aus Paris; ächt und leicht, elastisch und bis zur Täuschung, für vorn und hinten, Alles aus einer Fabrik. Jch bekam in dem Augenblick das Zittern, weil ich hier Unrath merkte und ganz allein dastand. Jch fürchtete, schon von dem Namen der käuflichen Dinge beleidigt zu werden, und lief immer röther und röther an, als hätt’ ich ein Nesselfieber. Um Jesu Willen! schrie’ ich, als das Weib anfing, ihre Cartons zu öffnen, und mir Dinge zeigen wollte, für welche sie die prächtigsten Namen hatte, von denen mir aber der Gebrauch so räthselhaft und so empfindlich war, daß ich ihr rieth, mich und meinen ehrlichen Namen in Ruhe zu lassen. Sie replizirte, daß die vornehmsten Frauen sich nicht scheuten, ihre mangelnden oder bereits verblühten Schönheiten durch diese künstlichen zu ersetzen, auch hätte sie ein gut </p> </div> </body> </text> </TEI> [417/0445]
Wirthshause, jetzt steht man zu dem Prellervolke im Verhältniß einer weitläufigen Gastfreundschaft. Wenn das in kleinen Städten so ist, dacht’ ich, wie wird das in London seyn! Und während dem klopft’ es an meine Thür. Jch hatte mich so eben etwas gelegt, weil die Landkutsche in einer Stunde eintreffen sollte, und ein Theil der Nacht hindurch gefahren wurde. Ohne noch mein Herein! abzuwarten, tritt ein Frauenzimmer zu mir herein, ich kann wohl sagen, von einem ausnehmend zweideutigen Charakter. Jch frage, was ihr Begehr sey? Statt dessen fixirte sie an mir alle diejenigen Theile des Körpers, von welchen man zu gebildeten Menschen nicht spricht. Sie setzte einige Cartons auf den Tisch und fing an: Alles aus Paris; ächt und leicht, elastisch und bis zur Täuschung, für vorn und hinten, Alles aus einer Fabrik. Jch bekam in dem Augenblick das Zittern, weil ich hier Unrath merkte und ganz allein dastand. Jch fürchtete, schon von dem Namen der käuflichen Dinge beleidigt zu werden, und lief immer röther und röther an, als hätt’ ich ein Nesselfieber. Um Jesu Willen! schrie’ ich, als das Weib anfing, ihre Cartons zu öffnen, und mir Dinge zeigen wollte, für welche sie die prächtigsten Namen hatte, von denen mir aber der Gebrauch so räthselhaft und so empfindlich war, daß ich ihr rieth, mich und meinen ehrlichen Namen in Ruhe zu lassen. Sie replizirte, daß die vornehmsten Frauen sich nicht scheuten, ihre mangelnden oder bereits verblühten Schönheiten durch diese künstlichen zu ersetzen, auch hätte sie ein gut
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/445>, abgerufen am 28.07.2024. |