Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.brechen würde, bald will er die Kunst entdeckt haben, beim Luftballon ein Steuerruder anzubringen. Er hat wirklich ein Projekt durch die Zeitungen bekannt machen lassen, nach welchem man künftig, um bei Fuhrwerken eine größere Schnelligkeit zu erreichen, besser thäte, die Pferde hinter den Wagen anzuspannen. Alle Erfindungen des Herrn von D. sind mechanische Hirngespinnste; von Kenntniß der Physik hat er keine Vorstellung. Hier einen Druck, dort eine Feder, hier eine Spindel, die um sich selbst läuft, dort ein wellenförmiges Rad; aus solchen kindisch-winzigen Hülfsmitteln will er Hülfswerkzeuge für die außerordentlichsten Naturerscheinungen herstellen. Genug, Herr von D. ist ein Narr. Aber man käme schön an, wenn man Herrn von D. nur die bedenklichste Miene und das leiseste Kopfschütteln über seine Tollheiten verriethe. Mein Freund kam gerade nach Mannheim, wo die Stadt von einer gräßlichen Geschichte über Herrn von D. erfüllt war. Er hatte sich nämlich anheischig gemacht, Todte durch Einblasen seines Odems frisch nach ausgehauchter Seele wieder ins Leben zurückzurufen. Er hatte den Moment abgepaßt, wo einer armen Frau in der Vorstadt eben ihr krankes Kind gestorben war. Herr von D. stürzt in das Haus hinein, über die kalte Leiche her und beginnt aus Leibeskräften ihrem krampfhaft offenstehenden Munde seinen Athem einzublasen; die Mutter schreit, die Bewohner und Nachbarn des Hauses kommen zusammen; Herr von D. läßt sich nicht stören, sondern brechen würde, bald will er die Kunst entdeckt haben, beim Luftballon ein Steuerruder anzubringen. Er hat wirklich ein Projekt durch die Zeitungen bekannt machen lassen, nach welchem man künftig, um bei Fuhrwerken eine größere Schnelligkeit zu erreichen, besser thäte, die Pferde hinter den Wagen anzuspannen. Alle Erfindungen des Herrn von D. sind mechanische Hirngespinnste; von Kenntniß der Physik hat er keine Vorstellung. Hier einen Druck, dort eine Feder, hier eine Spindel, die um sich selbst läuft, dort ein wellenförmiges Rad; aus solchen kindisch-winzigen Hülfsmitteln will er Hülfswerkzeuge für die außerordentlichsten Naturerscheinungen herstellen. Genug, Herr von D. ist ein Narr. Aber man käme schön an, wenn man Herrn von D. nur die bedenklichste Miene und das leiseste Kopfschütteln über seine Tollheiten verriethe. Mein Freund kam gerade nach Mannheim, wo die Stadt von einer gräßlichen Geschichte über Herrn von D. erfüllt war. Er hatte sich nämlich anheischig gemacht, Todte durch Einblasen seines Odems frisch nach ausgehauchter Seele wieder ins Leben zurückzurufen. Er hatte den Moment abgepaßt, wo einer armen Frau in der Vorstadt eben ihr krankes Kind gestorben war. Herr von D. stürzt in das Haus hinein, über die kalte Leiche her und beginnt aus Leibeskräften ihrem krampfhaft offenstehenden Munde seinen Athem einzublasen; die Mutter schreit, die Bewohner und Nachbarn des Hauses kommen zusammen; Herr von D. läßt sich nicht stören, sondern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0283" n="255"/> brechen würde, bald will er die Kunst entdeckt haben, beim Luftballon ein Steuerruder anzubringen. Er hat wirklich ein Projekt durch die Zeitungen bekannt machen lassen, nach welchem man künftig, um bei Fuhrwerken eine größere Schnelligkeit zu erreichen, besser thäte, die Pferde hinter den Wagen anzuspannen. Alle Erfindungen des Herrn von D. sind mechanische Hirngespinnste; von Kenntniß der Physik hat er keine Vorstellung. Hier einen Druck, dort eine Feder, hier eine Spindel, die um sich selbst läuft, dort ein wellenförmiges Rad; aus solchen kindisch-winzigen Hülfsmitteln will er Hülfswerkzeuge für die außerordentlichsten Naturerscheinungen herstellen. Genug, Herr von D. ist ein Narr.</p> <p>Aber man käme schön an, wenn man Herrn von D. nur die bedenklichste Miene und das leiseste Kopfschütteln über seine Tollheiten verriethe. Mein Freund kam gerade nach Mannheim, wo die Stadt von einer gräßlichen Geschichte über Herrn von D. erfüllt war. Er hatte sich nämlich anheischig gemacht, Todte durch Einblasen seines Odems frisch nach ausgehauchter Seele wieder ins Leben zurückzurufen. Er hatte den Moment abgepaßt, wo einer armen Frau in der Vorstadt eben ihr krankes Kind gestorben war. Herr von D. stürzt in das Haus hinein, über die kalte Leiche her und beginnt aus Leibeskräften ihrem krampfhaft offenstehenden Munde seinen Athem einzublasen; die Mutter schreit, die Bewohner und Nachbarn des Hauses kommen zusammen; Herr von D. läßt sich nicht stören, sondern </p> </div> </body> </text> </TEI> [255/0283]
brechen würde, bald will er die Kunst entdeckt haben, beim Luftballon ein Steuerruder anzubringen. Er hat wirklich ein Projekt durch die Zeitungen bekannt machen lassen, nach welchem man künftig, um bei Fuhrwerken eine größere Schnelligkeit zu erreichen, besser thäte, die Pferde hinter den Wagen anzuspannen. Alle Erfindungen des Herrn von D. sind mechanische Hirngespinnste; von Kenntniß der Physik hat er keine Vorstellung. Hier einen Druck, dort eine Feder, hier eine Spindel, die um sich selbst läuft, dort ein wellenförmiges Rad; aus solchen kindisch-winzigen Hülfsmitteln will er Hülfswerkzeuge für die außerordentlichsten Naturerscheinungen herstellen. Genug, Herr von D. ist ein Narr.
Aber man käme schön an, wenn man Herrn von D. nur die bedenklichste Miene und das leiseste Kopfschütteln über seine Tollheiten verriethe. Mein Freund kam gerade nach Mannheim, wo die Stadt von einer gräßlichen Geschichte über Herrn von D. erfüllt war. Er hatte sich nämlich anheischig gemacht, Todte durch Einblasen seines Odems frisch nach ausgehauchter Seele wieder ins Leben zurückzurufen. Er hatte den Moment abgepaßt, wo einer armen Frau in der Vorstadt eben ihr krankes Kind gestorben war. Herr von D. stürzt in das Haus hinein, über die kalte Leiche her und beginnt aus Leibeskräften ihrem krampfhaft offenstehenden Munde seinen Athem einzublasen; die Mutter schreit, die Bewohner und Nachbarn des Hauses kommen zusammen; Herr von D. läßt sich nicht stören, sondern
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/283>, abgerufen am 28.07.2024. |