Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Warum versuchten diese Begründer einer neuen Sozietätsphilosophie nicht mit einem kleinen Schweizerkanton oder der Republik von San Marino ihre Reformation zu beginnen? Leider waren sie vom Geist der Hierarchie beseelt. Sie wollten herrschen, noch ehe sie ein Volk hatten. Das erste Prinzip dieser neuen gescheiterten industriellen Religion war die individuelle Freiheit. Der Mensch ist eine Person, keine Sache. Diese Umwandlung des Menschen in sächlichen Werth zieht sich durch die ganze Geschichte von der ersten Tyrannei des Jägers über den Ackerbauer an bis zu unsern großen Landesherren, die eben auch nur fuchsjagende Personen sind, während die Pächter und Arbeiter ihnen als Sache dienen müssen. Die Sklaverei, die Leibeigenschaft, die Lohnarbeit, das sind die drei Stufen, welche die individuelle Freiheit allmählich erklettert hat und die doch nur zu einer gewissen glätteren Aussenseite der Menschennutzung, aber noch nicht zur Aufhebung des sklavischen Prinzipes derselben geführt haben. Der St. Simonismus will den Lohn nicht aufheben, noch weniger die Arbeit, die ihres Lohnes werth, sondern die Methode der Bezahlung soll nur eine andere werden. Nicht das eine Jndividuum bezahlt das andere, sondern die Gesammtheit ist dem Einzelnen verpflichtet. Was ich arbeite, arbeit' ich nicht dir, Herzog von Wellington, nicht dir, Master und Meister Schurzfell, ich, der Pächter Kornwurm, ich, der Geselle Knieriem, sondern ich arbeit' es mir selbst, Warum versuchten diese Begründer einer neuen Sozietätsphilosophie nicht mit einem kleinen Schweizerkanton oder der Republik von San Marino ihre Reformation zu beginnen? Leider waren sie vom Geist der Hierarchie beseelt. Sie wollten herrschen, noch ehe sie ein Volk hatten. Das erste Prinzip dieser neuen gescheiterten industriellen Religion war die individuelle Freiheit. Der Mensch ist eine Person, keine Sache. Diese Umwandlung des Menschen in sächlichen Werth zieht sich durch die ganze Geschichte von der ersten Tyrannei des Jägers über den Ackerbauer an bis zu unsern großen Landesherren, die eben auch nur fuchsjagende Personen sind, während die Pächter und Arbeiter ihnen als Sache dienen müssen. Die Sklaverei, die Leibeigenschaft, die Lohnarbeit, das sind die drei Stufen, welche die individuelle Freiheit allmählich erklettert hat und die doch nur zu einer gewissen glätteren Aussenseite der Menschennutzung, aber noch nicht zur Aufhebung des sklavischen Prinzipes derselben geführt haben. Der St. Simonismus will den Lohn nicht aufheben, noch weniger die Arbeit, die ihres Lohnes werth, sondern die Methode der Bezahlung soll nur eine andere werden. Nicht das eine Jndividuum bezahlt das andere, sondern die Gesammtheit ist dem Einzelnen verpflichtet. Was ich arbeite, arbeit’ ich nicht dir, Herzog von Wellington, nicht dir, Master und Meister Schurzfell, ich, der Pächter Kornwurm, ich, der Geselle Knieriem, sondern ich arbeit’ es mir selbst, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0246" n="218"/> Warum versuchten diese Begründer einer neuen Sozietätsphilosophie nicht mit einem kleinen Schweizerkanton oder der Republik von San Marino ihre Reformation zu beginnen? Leider waren sie vom Geist der Hierarchie beseelt. Sie wollten herrschen, noch ehe sie ein Volk hatten.</p> <p>Das erste Prinzip dieser neuen gescheiterten industriellen Religion war die individuelle Freiheit. Der Mensch ist eine Person, keine Sache. Diese Umwandlung des Menschen in sächlichen Werth zieht sich durch die ganze Geschichte von der ersten Tyrannei des Jägers über den Ackerbauer an bis zu unsern großen Landesherren, die eben auch nur fuchsjagende Personen sind, während die Pächter und Arbeiter ihnen als Sache dienen müssen. Die Sklaverei, die Leibeigenschaft, die Lohnarbeit, das sind die drei Stufen, welche die individuelle Freiheit allmählich erklettert hat und die doch nur zu einer gewissen glätteren Aussenseite der Menschennutzung, aber noch nicht zur Aufhebung des sklavischen Prinzipes derselben geführt haben. Der St. Simonismus will den Lohn nicht aufheben, noch weniger die Arbeit, die ihres Lohnes werth, sondern die Methode der Bezahlung soll nur eine andere werden. Nicht das eine Jndividuum bezahlt das andere, sondern die Gesammtheit ist dem Einzelnen verpflichtet. Was ich arbeite, arbeit’ ich nicht dir, Herzog von Wellington, nicht dir, Master und Meister Schurzfell, ich, der Pächter Kornwurm, ich, der Geselle Knieriem, sondern ich arbeit’ es mir selbst, </p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0246]
Warum versuchten diese Begründer einer neuen Sozietätsphilosophie nicht mit einem kleinen Schweizerkanton oder der Republik von San Marino ihre Reformation zu beginnen? Leider waren sie vom Geist der Hierarchie beseelt. Sie wollten herrschen, noch ehe sie ein Volk hatten.
Das erste Prinzip dieser neuen gescheiterten industriellen Religion war die individuelle Freiheit. Der Mensch ist eine Person, keine Sache. Diese Umwandlung des Menschen in sächlichen Werth zieht sich durch die ganze Geschichte von der ersten Tyrannei des Jägers über den Ackerbauer an bis zu unsern großen Landesherren, die eben auch nur fuchsjagende Personen sind, während die Pächter und Arbeiter ihnen als Sache dienen müssen. Die Sklaverei, die Leibeigenschaft, die Lohnarbeit, das sind die drei Stufen, welche die individuelle Freiheit allmählich erklettert hat und die doch nur zu einer gewissen glätteren Aussenseite der Menschennutzung, aber noch nicht zur Aufhebung des sklavischen Prinzipes derselben geführt haben. Der St. Simonismus will den Lohn nicht aufheben, noch weniger die Arbeit, die ihres Lohnes werth, sondern die Methode der Bezahlung soll nur eine andere werden. Nicht das eine Jndividuum bezahlt das andere, sondern die Gesammtheit ist dem Einzelnen verpflichtet. Was ich arbeite, arbeit’ ich nicht dir, Herzog von Wellington, nicht dir, Master und Meister Schurzfell, ich, der Pächter Kornwurm, ich, der Geselle Knieriem, sondern ich arbeit’ es mir selbst,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/246>, abgerufen am 28.07.2024. |