Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Einkünften einen Gesammtfonds gebildet, der auf jeden Theil eine weit anständigere Existenz kommen läßt, als hätten sie Alles für sich allein bestritten, was sie brauchten. Vier Familien miethen ein Haus auf gemeinschaftliche Rechnung: einzeln hätte jede 100 Pfund zahlen müssen, alle vier brauchen sie nur 300 zu zahlen. Ebenso ist das Verhältniß in allen übrigen Bedürfnissen. Sie essen gemeinschaftlich aus einer Küche, die sie von einer Haushälterin verwalten lassen, ihre Vergnügungen sind gemeinschaftlich: kurz sie stellen, wenn jeder einzeln früher 500 Pfund zu verzehren hatte jährlich, jetzt eine allerdings sehr starke und umfangreiche Familie vor, die aber doch auf eine Existenz von 2000 Pfund angewiesen ist. Gewonnen hat jeder der Theilhaber mehrere 100 Pfund; denn jeder kann leben, als hätte er 750 Pfund im Vermögen. Warum verbreiten sich diese Common-Houses nicht weiter? Warum ahmt sie der Continent nicht nach? Der Bettelstolz ist der am schwierigsten ausrottbare; denn bekömmt er, so steigt er ohnehin und wird sogar begründet, verliert er, so ist es seine Natur, desto pretentiöser zu werden, je weniger er hat. Niemand läßt sich, seitdem man das Geheimniß des Credites erfunden hat, gern in seine Karten sehen. Auch mangelt es zur Zeit noch an Frieden und Freundschaft genug unter den Menschen. Es würden immer nur erprobte Freunde oder Verwandte seyn können, die eine Verbindung dieser Art einzugehen sich entschließen und dazu passen könnten. Einkünften einen Gesammtfonds gebildet, der auf jeden Theil eine weit anständigere Existenz kommen läßt, als hätten sie Alles für sich allein bestritten, was sie brauchten. Vier Familien miethen ein Haus auf gemeinschaftliche Rechnung: einzeln hätte jede 100 Pfund zahlen müssen, alle vier brauchen sie nur 300 zu zahlen. Ebenso ist das Verhältniß in allen übrigen Bedürfnissen. Sie essen gemeinschaftlich aus einer Küche, die sie von einer Haushälterin verwalten lassen, ihre Vergnügungen sind gemeinschaftlich: kurz sie stellen, wenn jeder einzeln früher 500 Pfund zu verzehren hatte jährlich, jetzt eine allerdings sehr starke und umfangreiche Familie vor, die aber doch auf eine Existenz von 2000 Pfund angewiesen ist. Gewonnen hat jeder der Theilhaber mehrere 100 Pfund; denn jeder kann leben, als hätte er 750 Pfund im Vermögen. Warum verbreiten sich diese Common-Houses nicht weiter? Warum ahmt sie der Continent nicht nach? Der Bettelstolz ist der am schwierigsten ausrottbare; denn bekömmt er, so steigt er ohnehin und wird sogar begründet, verliert er, so ist es seine Natur, desto pretentiöser zu werden, je weniger er hat. Niemand läßt sich, seitdem man das Geheimniß des Credites erfunden hat, gern in seine Karten sehen. Auch mangelt es zur Zeit noch an Frieden und Freundschaft genug unter den Menschen. Es würden immer nur erprobte Freunde oder Verwandte seyn können, die eine Verbindung dieser Art einzugehen sich entschließen und dazu passen könnten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="203"/> Einkünften einen Gesammtfonds gebildet, der auf jeden Theil eine weit anständigere Existenz kommen läßt, als hätten sie Alles für sich allein bestritten, was sie brauchten. Vier Familien miethen ein Haus auf gemeinschaftliche Rechnung: einzeln hätte jede 100 Pfund zahlen müssen, alle vier brauchen sie nur 300 zu zahlen. Ebenso ist das Verhältniß in allen übrigen Bedürfnissen. Sie essen gemeinschaftlich aus einer Küche, die sie von einer Haushälterin verwalten lassen, ihre Vergnügungen sind gemeinschaftlich: kurz sie stellen, wenn jeder einzeln früher 500 Pfund zu verzehren hatte jährlich, jetzt eine allerdings sehr starke und umfangreiche Familie vor, die aber doch auf eine Existenz von 2000 Pfund angewiesen ist. Gewonnen hat jeder der Theilhaber mehrere 100 Pfund; denn jeder kann leben, als hätte er 750 Pfund im Vermögen. Warum verbreiten sich diese Common-Houses nicht weiter? Warum ahmt sie der Continent nicht nach? Der Bettelstolz ist der am schwierigsten ausrottbare; denn bekömmt er, so steigt er ohnehin und wird sogar begründet, verliert er, so ist es seine Natur, desto pretentiöser zu werden, je weniger er hat. Niemand läßt sich, seitdem man das Geheimniß des Credites erfunden hat, gern in seine Karten sehen. Auch mangelt es zur Zeit noch an Frieden und Freundschaft genug unter den Menschen. Es würden immer nur erprobte Freunde oder Verwandte seyn können, die eine Verbindung dieser Art einzugehen sich entschließen und dazu passen könnten.</p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0231]
Einkünften einen Gesammtfonds gebildet, der auf jeden Theil eine weit anständigere Existenz kommen läßt, als hätten sie Alles für sich allein bestritten, was sie brauchten. Vier Familien miethen ein Haus auf gemeinschaftliche Rechnung: einzeln hätte jede 100 Pfund zahlen müssen, alle vier brauchen sie nur 300 zu zahlen. Ebenso ist das Verhältniß in allen übrigen Bedürfnissen. Sie essen gemeinschaftlich aus einer Küche, die sie von einer Haushälterin verwalten lassen, ihre Vergnügungen sind gemeinschaftlich: kurz sie stellen, wenn jeder einzeln früher 500 Pfund zu verzehren hatte jährlich, jetzt eine allerdings sehr starke und umfangreiche Familie vor, die aber doch auf eine Existenz von 2000 Pfund angewiesen ist. Gewonnen hat jeder der Theilhaber mehrere 100 Pfund; denn jeder kann leben, als hätte er 750 Pfund im Vermögen. Warum verbreiten sich diese Common-Houses nicht weiter? Warum ahmt sie der Continent nicht nach? Der Bettelstolz ist der am schwierigsten ausrottbare; denn bekömmt er, so steigt er ohnehin und wird sogar begründet, verliert er, so ist es seine Natur, desto pretentiöser zu werden, je weniger er hat. Niemand läßt sich, seitdem man das Geheimniß des Credites erfunden hat, gern in seine Karten sehen. Auch mangelt es zur Zeit noch an Frieden und Freundschaft genug unter den Menschen. Es würden immer nur erprobte Freunde oder Verwandte seyn können, die eine Verbindung dieser Art einzugehen sich entschließen und dazu passen könnten.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/231>, abgerufen am 28.07.2024. |