Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Gorgias nachlebte, der es für die höchste Aufgabe der Weisheit hielt, sich Alles selbst zu verfertigen und keiner fremden Hülfe zu bedürfen, war die Theorie der Erwerbsmittel die einfachste von der Welt. Man erwarb, was die Natur bot. Man lebte von den Bäumen, die Niemanden gehörten, von den Thieren des Waldes, kurz, Nahrungsmittel waren das Unmittelbare, das man antraf, man war noch nicht genöthigt, Güter gegen einander zu tauschen. Erst mit dieser Nothwendigkeit, daß der Eine nur Vieh und der Andere nur Frucht besaß, begann das Erwerben der Nahrungsmittel ein stationäres Geschäft zu werden. Die Einseitigkeit des Besitzes trieb die Verhältnisse der Existenz auf eine Höhe, die immer künstlicher wurde. Der Eine erzeugte die Rohstoffe, der Andere verarbeitete sie, der Dritte vertrieb sie im Handel. Das Geld, eine Werthbestimmung, wurde einziges Ziel des Erwerbes, weil man bald durch dasselbe im Stande war, Alles zu erlangen. Der Tausch war durch das Hülfsmittel des Geldes vereinfacht. Mit zunehmender Bevölkerung und steigender Cultur verlor sich auch die Leichtigkeit des Erwerbs. Die Conkurrenz nahm dem Einzelnen sein natürliches kleines Monopol. Verdienst wurde bald nur noch die Frucht einer Anstrengung, die selbst bei dem redlichsten Willen, nie eine von Schweiß trockne Stirn zu haben, doch vergebens arbeitete, weil die gleiche Thätigkeit überhäuft und allgemein besetzt war. So mußten die Erwerbszweige immer verschlungener und schwieriger zu erreichen werden. Man Gorgias nachlebte, der es für die höchste Aufgabe der Weisheit hielt, sich Alles selbst zu verfertigen und keiner fremden Hülfe zu bedürfen, war die Theorie der Erwerbsmittel die einfachste von der Welt. Man erwarb, was die Natur bot. Man lebte von den Bäumen, die Niemanden gehörten, von den Thieren des Waldes, kurz, Nahrungsmittel waren das Unmittelbare, das man antraf, man war noch nicht genöthigt, Güter gegen einander zu tauschen. Erst mit dieser Nothwendigkeit, daß der Eine nur Vieh und der Andere nur Frucht besaß, begann das Erwerben der Nahrungsmittel ein stationäres Geschäft zu werden. Die Einseitigkeit des Besitzes trieb die Verhältnisse der Existenz auf eine Höhe, die immer künstlicher wurde. Der Eine erzeugte die Rohstoffe, der Andere verarbeitete sie, der Dritte vertrieb sie im Handel. Das Geld, eine Werthbestimmung, wurde einziges Ziel des Erwerbes, weil man bald durch dasselbe im Stande war, Alles zu erlangen. Der Tausch war durch das Hülfsmittel des Geldes vereinfacht. Mit zunehmender Bevölkerung und steigender Cultur verlor sich auch die Leichtigkeit des Erwerbs. Die Conkurrenz nahm dem Einzelnen sein natürliches kleines Monopol. Verdienst wurde bald nur noch die Frucht einer Anstrengung, die selbst bei dem redlichsten Willen, nie eine von Schweiß trockne Stirn zu haben, doch vergebens arbeitete, weil die gleiche Thätigkeit überhäuft und allgemein besetzt war. So mußten die Erwerbszweige immer verschlungener und schwieriger zu erreichen werden. Man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="193"/> Gorgias nachlebte, der es für die höchste Aufgabe der Weisheit hielt, sich Alles selbst zu verfertigen und keiner fremden Hülfe zu bedürfen, war die Theorie der Erwerbsmittel die einfachste von der Welt. Man erwarb, was die Natur bot. Man lebte von den Bäumen, die Niemanden gehörten, von den Thieren des Waldes, kurz, Nahrungsmittel waren das Unmittelbare, das man antraf, man war noch nicht genöthigt, Güter gegen einander zu tauschen. Erst mit dieser Nothwendigkeit, daß der Eine nur Vieh und der Andere nur Frucht besaß, begann das Erwerben der Nahrungsmittel ein stationäres Geschäft zu werden. Die Einseitigkeit des Besitzes trieb die Verhältnisse der Existenz auf eine Höhe, die immer künstlicher wurde. Der Eine erzeugte die Rohstoffe, der Andere verarbeitete sie, der Dritte vertrieb sie im Handel. Das Geld, eine Werthbestimmung, wurde einziges Ziel des Erwerbes, weil man bald durch dasselbe im Stande war, Alles zu erlangen. Der Tausch war durch das Hülfsmittel des Geldes vereinfacht. Mit zunehmender Bevölkerung und steigender Cultur verlor sich auch die Leichtigkeit des Erwerbs. Die Conkurrenz nahm dem Einzelnen sein natürliches kleines Monopol. Verdienst wurde bald nur noch die Frucht einer Anstrengung, die selbst bei dem redlichsten Willen, nie eine von Schweiß trockne Stirn zu haben, doch vergebens arbeitete, weil die gleiche Thätigkeit überhäuft und allgemein besetzt war. So mußten die Erwerbszweige immer verschlungener und schwieriger zu erreichen werden. Man </p> </div> </body> </text> </TEI> [193/0221]
Gorgias nachlebte, der es für die höchste Aufgabe der Weisheit hielt, sich Alles selbst zu verfertigen und keiner fremden Hülfe zu bedürfen, war die Theorie der Erwerbsmittel die einfachste von der Welt. Man erwarb, was die Natur bot. Man lebte von den Bäumen, die Niemanden gehörten, von den Thieren des Waldes, kurz, Nahrungsmittel waren das Unmittelbare, das man antraf, man war noch nicht genöthigt, Güter gegen einander zu tauschen. Erst mit dieser Nothwendigkeit, daß der Eine nur Vieh und der Andere nur Frucht besaß, begann das Erwerben der Nahrungsmittel ein stationäres Geschäft zu werden. Die Einseitigkeit des Besitzes trieb die Verhältnisse der Existenz auf eine Höhe, die immer künstlicher wurde. Der Eine erzeugte die Rohstoffe, der Andere verarbeitete sie, der Dritte vertrieb sie im Handel. Das Geld, eine Werthbestimmung, wurde einziges Ziel des Erwerbes, weil man bald durch dasselbe im Stande war, Alles zu erlangen. Der Tausch war durch das Hülfsmittel des Geldes vereinfacht. Mit zunehmender Bevölkerung und steigender Cultur verlor sich auch die Leichtigkeit des Erwerbs. Die Conkurrenz nahm dem Einzelnen sein natürliches kleines Monopol. Verdienst wurde bald nur noch die Frucht einer Anstrengung, die selbst bei dem redlichsten Willen, nie eine von Schweiß trockne Stirn zu haben, doch vergebens arbeitete, weil die gleiche Thätigkeit überhäuft und allgemein besetzt war. So mußten die Erwerbszweige immer verschlungener und schwieriger zu erreichen werden. Man
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/221>, abgerufen am 28.07.2024. |