Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.lismus in Staat, Kirche und sofort geschaffen sind, machen den Calcul über die Bevölkerung ungemein schwierig. Wovon existiren die Menschen nicht! Und was läßt sich nicht noch ersinnen, um eine Beschäftigung zu haben, die ihren Mann nährt! Wir werden auf dieß Thema, weil es die Zeitgenossen sprechend charakterisirt, wieder zurückkommen. Hier gilt es, den Satz fest zu halten, daß zuletzt auch bei den künstlichen Beschäftigungen ein Maßstab vorhanden seyn muß, der ihren Werth und die Grenze ihrer Ausdehnung ausdrückt. Dieß ist der Ertrag des Bodens und der Natur überhaupt. Es muß ein Ultimatum von Bevölkerung geben, wie wir es partiell hie und da schon gesehen haben, daß das Gefäß überläuft und die Auswanderung dem ängstlichen Zustande zu Hülfe kommen muß. Freilich wird die Natur verhindert, ihre Meinung über die Menge, die sie ernähren kann, auszusprechen; durch die Lasten nämlich, welche auf dem Boden und seinen Erzeugnissen liegen. Europa, in der Annahme eines Weltreichs, das ohne Gesetze und Gesetzvollstrecker friedlich beharren könnte, Europa ohne Staaten und Aristokratie in ihnen, Europa als ein freiherrliches Land, das keiner Kriege und Fürsten bedürfte, würde noch einmal soviel Menschen tragen dürfen, als jetzt: eine Wahrheit, die etwas Schreckhaftes hat. Denn entweder muß das Jnteresse unsrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Verfassung die Keime der sich ins Leben drängenden Menschheit gewaltsam ersticken, oder kann man dieß nicht, und glaubt man lismus in Staat, Kirche und sofort geschaffen sind, machen den Calcul über die Bevölkerung ungemein schwierig. Wovon existiren die Menschen nicht! Und was läßt sich nicht noch ersinnen, um eine Beschäftigung zu haben, die ihren Mann nährt! Wir werden auf dieß Thema, weil es die Zeitgenossen sprechend charakterisirt, wieder zurückkommen. Hier gilt es, den Satz fest zu halten, daß zuletzt auch bei den künstlichen Beschäftigungen ein Maßstab vorhanden seyn muß, der ihren Werth und die Grenze ihrer Ausdehnung ausdrückt. Dieß ist der Ertrag des Bodens und der Natur überhaupt. Es muß ein Ultimatum von Bevölkerung geben, wie wir es partiell hie und da schon gesehen haben, daß das Gefäß überläuft und die Auswanderung dem ängstlichen Zustande zu Hülfe kommen muß. Freilich wird die Natur verhindert, ihre Meinung über die Menge, die sie ernähren kann, auszusprechen; durch die Lasten nämlich, welche auf dem Boden und seinen Erzeugnissen liegen. Europa, in der Annahme eines Weltreichs, das ohne Gesetze und Gesetzvollstrecker friedlich beharren könnte, Europa ohne Staaten und Aristokratie in ihnen, Europa als ein freiherrliches Land, das keiner Kriege und Fürsten bedürfte, würde noch einmal soviel Menschen tragen dürfen, als jetzt: eine Wahrheit, die etwas Schreckhaftes hat. Denn entweder muß das Jnteresse unsrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Verfassung die Keime der sich ins Leben drängenden Menschheit gewaltsam ersticken, oder kann man dieß nicht, und glaubt man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="187"/> lismus in Staat, Kirche und sofort geschaffen sind, machen den Calcul über die Bevölkerung ungemein schwierig. Wovon existiren die Menschen nicht! Und was läßt sich nicht noch ersinnen, um eine Beschäftigung zu haben, die ihren Mann nährt! Wir werden auf dieß Thema, weil es die Zeitgenossen sprechend charakterisirt, wieder zurückkommen. Hier gilt es, den Satz fest zu halten, daß zuletzt auch bei den künstlichen Beschäftigungen ein Maßstab vorhanden seyn muß, der ihren Werth und die Grenze ihrer Ausdehnung ausdrückt. Dieß ist der Ertrag des Bodens und der Natur überhaupt. Es muß ein Ultimatum von Bevölkerung geben, wie wir es partiell hie und da schon gesehen haben, daß das Gefäß überläuft und die Auswanderung dem ängstlichen Zustande zu Hülfe kommen muß. Freilich wird die Natur verhindert, ihre Meinung über die Menge, die sie ernähren kann, auszusprechen; durch die Lasten nämlich, welche auf dem Boden und seinen Erzeugnissen liegen. Europa, in der Annahme eines Weltreichs, das ohne Gesetze und Gesetzvollstrecker friedlich beharren könnte, Europa ohne Staaten und Aristokratie in ihnen, Europa als ein freiherrliches Land, das keiner Kriege und Fürsten bedürfte, würde noch einmal soviel Menschen tragen dürfen, als jetzt: eine Wahrheit, die etwas Schreckhaftes hat. Denn entweder muß das Jnteresse unsrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Verfassung die Keime der sich ins Leben drängenden Menschheit gewaltsam ersticken, oder kann man dieß nicht, und glaubt man </p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0215]
lismus in Staat, Kirche und sofort geschaffen sind, machen den Calcul über die Bevölkerung ungemein schwierig. Wovon existiren die Menschen nicht! Und was läßt sich nicht noch ersinnen, um eine Beschäftigung zu haben, die ihren Mann nährt! Wir werden auf dieß Thema, weil es die Zeitgenossen sprechend charakterisirt, wieder zurückkommen. Hier gilt es, den Satz fest zu halten, daß zuletzt auch bei den künstlichen Beschäftigungen ein Maßstab vorhanden seyn muß, der ihren Werth und die Grenze ihrer Ausdehnung ausdrückt. Dieß ist der Ertrag des Bodens und der Natur überhaupt. Es muß ein Ultimatum von Bevölkerung geben, wie wir es partiell hie und da schon gesehen haben, daß das Gefäß überläuft und die Auswanderung dem ängstlichen Zustande zu Hülfe kommen muß. Freilich wird die Natur verhindert, ihre Meinung über die Menge, die sie ernähren kann, auszusprechen; durch die Lasten nämlich, welche auf dem Boden und seinen Erzeugnissen liegen. Europa, in der Annahme eines Weltreichs, das ohne Gesetze und Gesetzvollstrecker friedlich beharren könnte, Europa ohne Staaten und Aristokratie in ihnen, Europa als ein freiherrliches Land, das keiner Kriege und Fürsten bedürfte, würde noch einmal soviel Menschen tragen dürfen, als jetzt: eine Wahrheit, die etwas Schreckhaftes hat. Denn entweder muß das Jnteresse unsrer gegenwärtigen gesellschaftlichen Verfassung die Keime der sich ins Leben drängenden Menschheit gewaltsam ersticken, oder kann man dieß nicht, und glaubt man
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/215>, abgerufen am 28.07.2024. |