Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.es wissen! - daß ich sie mit Master Caliban in Verbindung bringe. Und doch sind beide in ihrer Art eben so einseitig, wie Jener. Sir Ariel scheint nur Seele zu seyn, so körperlos, aber so geistlos ist er auch. Sein Herz schlägt immer so laut, daß man glauben möchte, er hätte unter seiner Brusttasche ein Vögelchen oder ein Kaninchen versteckt. Eine solche Zärtlichkeit würde seiner weichlichen Gemüthsart auch gar nicht zuwider seyn: Sir Ariel ist immer krank und immer fade, aber der Abgott der Frauen. Sie würden ihn heilig sprechen, wenn in England die Sitte noch üblich wäre. Er seufzt, er stöhnt, er weint; er kömmt oft mit thränenden Augen in die Gesellschaft und steckt erst die ganze Versammlung durch seinen Schmerz an und erzählt dann eine Geschichte, die oft eher komisch als rührend ist. So feucht dieser Mann ist, so trocken ist Lord Abstrakt, dessen Untersuchungen über die Trigonometrie bekannt genug sind. Dieser Gelehrte ist der größte Mathematiker, der nach Newton kommen konnte. Newton rühmte sich, nie ein Weib berührt zu haben, aber er hatte vielleicht ein Herz, er kannte Mitleiden und Gefühl; allein Lord Abstrakt ist ohne Leib und Seele, ist nur Gedanke, nur Reflexion, ein Mensch, der sich in steter Abwesenheit befindet. Frägt man ihn nach der Uhr, so antwortet er: 37, weil er nämlich etwas ganz Anderes verstanden hat. Man darf ihn in keine Gesellschaft führen, weil er im Stande ist, durch seine Zerstreuung die beste Einigkeit zu stören. Er wird so es wissen! – daß ich sie mit Master Caliban in Verbindung bringe. Und doch sind beide in ihrer Art eben so einseitig, wie Jener. Sir Ariel scheint nur Seele zu seyn, so körperlos, aber so geistlos ist er auch. Sein Herz schlägt immer so laut, daß man glauben möchte, er hätte unter seiner Brusttasche ein Vögelchen oder ein Kaninchen versteckt. Eine solche Zärtlichkeit würde seiner weichlichen Gemüthsart auch gar nicht zuwider seyn: Sir Ariel ist immer krank und immer fade, aber der Abgott der Frauen. Sie würden ihn heilig sprechen, wenn in England die Sitte noch üblich wäre. Er seufzt, er stöhnt, er weint; er kömmt oft mit thränenden Augen in die Gesellschaft und steckt erst die ganze Versammlung durch seinen Schmerz an und erzählt dann eine Geschichte, die oft eher komisch als rührend ist. So feucht dieser Mann ist, so trocken ist Lord Abstrakt, dessen Untersuchungen über die Trigonometrie bekannt genug sind. Dieser Gelehrte ist der größte Mathematiker, der nach Newton kommen konnte. Newton rühmte sich, nie ein Weib berührt zu haben, aber er hatte vielleicht ein Herz, er kannte Mitleiden und Gefühl; allein Lord Abstrakt ist ohne Leib und Seele, ist nur Gedanke, nur Reflexion, ein Mensch, der sich in steter Abwesenheit befindet. Frägt man ihn nach der Uhr, so antwortet er: 37, weil er nämlich etwas ganz Anderes verstanden hat. Man darf ihn in keine Gesellschaft führen, weil er im Stande ist, durch seine Zerstreuung die beste Einigkeit zu stören. Er wird so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="176"/> es wissen! – daß ich sie mit Master Caliban in Verbindung bringe. Und doch sind beide in ihrer Art eben so einseitig, wie Jener. Sir Ariel scheint nur Seele zu seyn, so körperlos, aber so geistlos ist er auch. Sein Herz schlägt immer so laut, daß man glauben möchte, er hätte unter seiner Brusttasche ein Vögelchen oder ein Kaninchen versteckt. Eine solche Zärtlichkeit würde seiner weichlichen Gemüthsart auch gar nicht zuwider seyn: Sir Ariel ist immer krank und immer fade, aber der Abgott der Frauen. Sie würden ihn heilig sprechen, wenn in England die Sitte noch üblich wäre. Er seufzt, er stöhnt, er weint; er kömmt oft mit thränenden Augen in die Gesellschaft und steckt erst die ganze Versammlung durch seinen Schmerz an und erzählt dann eine Geschichte, die oft eher komisch als rührend ist. So feucht dieser Mann ist, so trocken ist Lord Abstrakt, dessen Untersuchungen über die Trigonometrie bekannt genug sind. Dieser Gelehrte ist der größte Mathematiker, der nach Newton kommen konnte. Newton rühmte sich, nie ein Weib berührt zu haben, aber er hatte vielleicht ein Herz, er kannte Mitleiden und Gefühl; allein Lord Abstrakt ist ohne Leib und Seele, ist nur Gedanke, nur Reflexion, ein Mensch, der sich in steter Abwesenheit befindet. Frägt man ihn nach der Uhr, so antwortet er: 37, weil er nämlich etwas ganz Anderes verstanden hat. Man darf ihn in keine Gesellschaft führen, weil er im Stande ist, durch seine Zerstreuung die beste Einigkeit zu stören. Er wird so </p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0204]
es wissen! – daß ich sie mit Master Caliban in Verbindung bringe. Und doch sind beide in ihrer Art eben so einseitig, wie Jener. Sir Ariel scheint nur Seele zu seyn, so körperlos, aber so geistlos ist er auch. Sein Herz schlägt immer so laut, daß man glauben möchte, er hätte unter seiner Brusttasche ein Vögelchen oder ein Kaninchen versteckt. Eine solche Zärtlichkeit würde seiner weichlichen Gemüthsart auch gar nicht zuwider seyn: Sir Ariel ist immer krank und immer fade, aber der Abgott der Frauen. Sie würden ihn heilig sprechen, wenn in England die Sitte noch üblich wäre. Er seufzt, er stöhnt, er weint; er kömmt oft mit thränenden Augen in die Gesellschaft und steckt erst die ganze Versammlung durch seinen Schmerz an und erzählt dann eine Geschichte, die oft eher komisch als rührend ist. So feucht dieser Mann ist, so trocken ist Lord Abstrakt, dessen Untersuchungen über die Trigonometrie bekannt genug sind. Dieser Gelehrte ist der größte Mathematiker, der nach Newton kommen konnte. Newton rühmte sich, nie ein Weib berührt zu haben, aber er hatte vielleicht ein Herz, er kannte Mitleiden und Gefühl; allein Lord Abstrakt ist ohne Leib und Seele, ist nur Gedanke, nur Reflexion, ein Mensch, der sich in steter Abwesenheit befindet. Frägt man ihn nach der Uhr, so antwortet er: 37, weil er nämlich etwas ganz Anderes verstanden hat. Man darf ihn in keine Gesellschaft führen, weil er im Stande ist, durch seine Zerstreuung die beste Einigkeit zu stören. Er wird so
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/204>, abgerufen am 28.07.2024. |