Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Grausamkeit für den guten Zweck nichts zu wünschen übrig läßt. Die Bürger der vereinigten Staaten verfahren gegen die Eingebornen mit einer Herz- und Gemüthlosigkeit, die freilich unsre Empfindungen empören macht, die aber unleugbar an Ort und Stelle ist, wenn es sich einmal um einen großen Zweck, und um die einfachsten Mittel, ihn zu erreichen, handeln soll. Sogar die Moral wird von Jonathan, der doch sonst so religiös ist, nicht selten aus den Augen gesetzt, um Völker zu ersticken, welche von Tausenden, die früher den Stamm bildeten, allmählig zu Hunderten zusammengeschmolzen sind. Man kennt die Hülfsmittel, welche man brauchte, um die Creekindianer und die Seminolen um ihre Wälder, Weiden und Flüsse zu bringen. Jndem die Jndianer von einer Niederlassung zur andern wandern müssen, werden sie entweder zurückbleiben, sich umzingeln und civilisiren lassen, oder sie kommen an der Südsee in einem Zustande an, der einer Reduktion auf Nichts vollkommen gleich ist. Zweitens aber liegt in dem Nordamerikaner allerdings ein Element, welches ihn für die Propaganda der Cultur untauglich zu machen scheint. Die Religion ist dieß. So theuer sie von den Bürgern der transatlantischen Republik gehalten wird, so scheint sie ihnen mehr ein Privilegium für Einzelne zu seyn, als eine Jdee, die sie erst dann beruhigt, wenn Alle ihrer theilhaftig wären. Die Toleranz, welche mit den ersten Einwanderern in die neuen Kolonien einzog, ist ihnen etwas, Grausamkeit für den guten Zweck nichts zu wünschen übrig läßt. Die Bürger der vereinigten Staaten verfahren gegen die Eingebornen mit einer Herz- und Gemüthlosigkeit, die freilich unsre Empfindungen empören macht, die aber unleugbar an Ort und Stelle ist, wenn es sich einmal um einen großen Zweck, und um die einfachsten Mittel, ihn zu erreichen, handeln soll. Sogar die Moral wird von Jonathan, der doch sonst so religiös ist, nicht selten aus den Augen gesetzt, um Völker zu ersticken, welche von Tausenden, die früher den Stamm bildeten, allmählig zu Hunderten zusammengeschmolzen sind. Man kennt die Hülfsmittel, welche man brauchte, um die Creekindianer und die Seminolen um ihre Wälder, Weiden und Flüsse zu bringen. Jndem die Jndianer von einer Niederlassung zur andern wandern müssen, werden sie entweder zurückbleiben, sich umzingeln und civilisiren lassen, oder sie kommen an der Südsee in einem Zustande an, der einer Reduktion auf Nichts vollkommen gleich ist. Zweitens aber liegt in dem Nordamerikaner allerdings ein Element, welches ihn für die Propaganda der Cultur untauglich zu machen scheint. Die Religion ist dieß. So theuer sie von den Bürgern der transatlantischen Republik gehalten wird, so scheint sie ihnen mehr ein Privilegium für Einzelne zu seyn, als eine Jdee, die sie erst dann beruhigt, wenn Alle ihrer theilhaftig wären. Die Toleranz, welche mit den ersten Einwanderern in die neuen Kolonien einzog, ist ihnen etwas, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="130"/> Grausamkeit für den guten Zweck nichts zu wünschen übrig läßt. Die Bürger der vereinigten Staaten verfahren gegen die Eingebornen mit einer Herz- und Gemüthlosigkeit, die freilich unsre Empfindungen empören macht, die aber unleugbar an Ort und Stelle ist, wenn es sich einmal um einen großen Zweck, und um die einfachsten Mittel, ihn zu erreichen, handeln soll. Sogar die Moral wird von Jonathan, der doch sonst so religiös ist, nicht selten aus den Augen gesetzt, um Völker zu ersticken, welche von Tausenden, die früher den Stamm bildeten, allmählig zu Hunderten zusammengeschmolzen sind. Man kennt die Hülfsmittel, welche man brauchte, um die Creekindianer und die Seminolen um ihre Wälder, Weiden und Flüsse zu bringen. Jndem die Jndianer von einer Niederlassung zur andern wandern müssen, werden sie entweder zurückbleiben, sich umzingeln und civilisiren lassen, oder sie kommen an der Südsee in einem Zustande an, der einer Reduktion auf Nichts vollkommen gleich ist.</p> <p>Zweitens aber liegt in dem Nordamerikaner allerdings ein Element, welches ihn für die Propaganda der Cultur untauglich zu machen scheint. Die Religion ist dieß. So theuer sie von den Bürgern der transatlantischen Republik gehalten wird, so scheint sie ihnen mehr ein Privilegium für Einzelne zu seyn, als eine Jdee, die sie erst dann beruhigt, wenn Alle ihrer theilhaftig wären. Die Toleranz, welche mit den ersten Einwanderern in die neuen Kolonien einzog, ist ihnen etwas, </p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0158]
Grausamkeit für den guten Zweck nichts zu wünschen übrig läßt. Die Bürger der vereinigten Staaten verfahren gegen die Eingebornen mit einer Herz- und Gemüthlosigkeit, die freilich unsre Empfindungen empören macht, die aber unleugbar an Ort und Stelle ist, wenn es sich einmal um einen großen Zweck, und um die einfachsten Mittel, ihn zu erreichen, handeln soll. Sogar die Moral wird von Jonathan, der doch sonst so religiös ist, nicht selten aus den Augen gesetzt, um Völker zu ersticken, welche von Tausenden, die früher den Stamm bildeten, allmählig zu Hunderten zusammengeschmolzen sind. Man kennt die Hülfsmittel, welche man brauchte, um die Creekindianer und die Seminolen um ihre Wälder, Weiden und Flüsse zu bringen. Jndem die Jndianer von einer Niederlassung zur andern wandern müssen, werden sie entweder zurückbleiben, sich umzingeln und civilisiren lassen, oder sie kommen an der Südsee in einem Zustande an, der einer Reduktion auf Nichts vollkommen gleich ist.
Zweitens aber liegt in dem Nordamerikaner allerdings ein Element, welches ihn für die Propaganda der Cultur untauglich zu machen scheint. Die Religion ist dieß. So theuer sie von den Bürgern der transatlantischen Republik gehalten wird, so scheint sie ihnen mehr ein Privilegium für Einzelne zu seyn, als eine Jdee, die sie erst dann beruhigt, wenn Alle ihrer theilhaftig wären. Die Toleranz, welche mit den ersten Einwanderern in die neuen Kolonien einzog, ist ihnen etwas,
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