Die reaktionären Maßregeln rächen sich sogar in dem Guten, was sie zu bewirken scheinen. Wenn in der Politik statt Persönlichkeiten künftig nur noch Jdeen gelten sollen, wenn den unsichern parlamentarischen und mehr oder weniger auf Jndividualität zurückkommenden Gang der Staatsmaschine eine, wenn auch noch so geregelte Büreaukratie ersetzen soll; so wird sich das thatkräftige, energische, an der Oeffentlichkeit, wie am eigenen Körper betheiligte Jnteresse der Bürger bald verlieren. Der Staat wird eine Domäne, die Bürger Kronbauern. Pachter oder Herr, Dieser oder Jener, das wird zuletzt den Dienenden gleichgültig. Ein Augenblick der Gefahr steht vor der Thür, die Hülfsmittel der Büreaukratie, das sklavisch geschulte Militär sind erschöpft und geschlagen: wo dann anpochen? wo neue Kräfte hernehmen? wo Opfer, Heroismus und Begeisterung aus der Erde stampfen? Nein, die Hauptsache wird in der Politik immer bleiben, sie, wenn nicht auf die Freiheit, doch wenigstens auf die Nationalität zu basiren. Das Volk muß die Regierung oft sprechen hören, sie muß sich mit ihm verständigen, sie muß fortwährend eine Bekanntschaft mit ihm unterhalten, die im Augenblick der Gefahr nicht so schnell gemacht werden kann. Wenn sich aber die Reaktion vor der Sprache des Volks, die allerdings platt, breitzüngig und regellos ist, entsetzt, dann wird sich auch das Volk gewöhnen, die Sprache der Regierung nicht mehr zu
Die reaktionären Maßregeln rächen sich sogar in dem Guten, was sie zu bewirken scheinen. Wenn in der Politik statt Persönlichkeiten künftig nur noch Jdeen gelten sollen, wenn den unsichern parlamentarischen und mehr oder weniger auf Jndividualität zurückkommenden Gang der Staatsmaschine eine, wenn auch noch so geregelte Büreaukratie ersetzen soll; so wird sich das thatkräftige, energische, an der Oeffentlichkeit, wie am eigenen Körper betheiligte Jnteresse der Bürger bald verlieren. Der Staat wird eine Domäne, die Bürger Kronbauern. Pachter oder Herr, Dieser oder Jener, das wird zuletzt den Dienenden gleichgültig. Ein Augenblick der Gefahr steht vor der Thür, die Hülfsmittel der Büreaukratie, das sklavisch geschulte Militär sind erschöpft und geschlagen: wo dann anpochen? wo neue Kräfte hernehmen? wo Opfer, Heroismus und Begeisterung aus der Erde stampfen? Nein, die Hauptsache wird in der Politik immer bleiben, sie, wenn nicht auf die Freiheit, doch wenigstens auf die Nationalität zu basiren. Das Volk muß die Regierung oft sprechen hören, sie muß sich mit ihm verständigen, sie muß fortwährend eine Bekanntschaft mit ihm unterhalten, die im Augenblick der Gefahr nicht so schnell gemacht werden kann. Wenn sich aber die Reaktion vor der Sprache des Volks, die allerdings platt, breitzüngig und regellos ist, entsetzt, dann wird sich auch das Volk gewöhnen, die Sprache der Regierung nicht mehr zu
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Die reaktionären Maßregeln rächen sich sogar in dem Guten, was sie zu bewirken scheinen. Wenn in der Politik statt Persönlichkeiten künftig nur noch Jdeen gelten sollen, wenn den unsichern parlamentarischen und mehr oder weniger auf Jndividualität zurückkommenden Gang der Staatsmaschine eine, wenn auch noch so geregelte Büreaukratie ersetzen soll; so wird sich das thatkräftige, energische, an der Oeffentlichkeit, wie am eigenen Körper betheiligte Jnteresse der Bürger bald verlieren. Der Staat wird eine Domäne, die Bürger Kronbauern. Pachter oder Herr, Dieser oder Jener, das wird zuletzt den Dienenden gleichgültig. Ein Augenblick der Gefahr steht vor der Thür, die Hülfsmittel der Büreaukratie, das sklavisch geschulte Militär sind erschöpft und geschlagen: wo dann anpochen? wo neue Kräfte hernehmen? wo Opfer, Heroismus und Begeisterung aus der Erde stampfen? Nein, die Hauptsache wird in der Politik immer bleiben, sie, wenn nicht auf die Freiheit, doch wenigstens auf die Nationalität zu basiren. Das Volk muß die Regierung oft sprechen hören, sie muß sich mit ihm verständigen, sie muß fortwährend eine Bekanntschaft mit ihm unterhalten, die im Augenblick der Gefahr nicht so schnell gemacht werden kann. Wenn sich aber die Reaktion vor der Sprache des Volks, die allerdings platt, breitzüngig und regellos ist, entsetzt, dann wird sich auch das Volk gewöhnen, die Sprache der Regierung nicht mehr zu
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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/128>, abgerufen am 28.07.2024.
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