Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.weil anders sein Freund nicht neben ihm sitzen kann. Man hat schon oft gefürchtet, daß er bei strengen Jahreszeiten aus Demokratie erfrieren würde. Die Herzogin ist nicht von besonders hohem Stande, aber sie hätte jetzt wohl Anspruch darauf, da sie die herzogliche Würde durch ein enormes Vermögen, das sie dem Herzog zubrachte, erkaufte. Allein ihr Gemahl entzieht ihr jeden ebenbürtigen Umgang. Er ladet ihr oft Theevisiten ein, wo die Weiber erscheinen, von welchen das Geschirr, das auf dem Tische steht, gekauft wurde. Seine Kinder, die nachgrade zu wachsen anfangen, sind nicht ohne Unterricht; aber sie erhalten ihn nur, weil sie einst ihr Brod selbst verdienen sollen. Der älteste, der junge Lord John, ist bei einem Tischler in die Lehre gegeben. Er soll alle Jahre ein anderes Handwerk erlernen und den Sultan, der nur eins versteht, weit zu übertreffen suchen. Man ist noch immer nicht darüber beruhigt, ob nicht der Vater doch noch einen seiner oft ausgesprochenen Lieblingswünsche in Erfüllung bringen wird; nämlich der herzoglichen Würde zu entsagen und in Leeds ein Fabrikarbeiter zu werden. Seine Gattin wird kein anderes Mittel wissen, als in Leeds eine Adresse an ihn mit Unterschriften bedecken zu lassen, worin ihm die Arbeiter für seinen Entschluß danken, ihm aber ernstlich anrathen, lieber ihrem Verdienste zuweilen eine Zulage zu geben, als ihn zu verringern durch seine gewiß unentgeltliche Concurrenz. Den Herzog in ein Narrenhaus zu sperren, wird sich nicht machen, weil in diesem Falle weil anders sein Freund nicht neben ihm sitzen kann. Man hat schon oft gefürchtet, daß er bei strengen Jahreszeiten aus Demokratie erfrieren würde. Die Herzogin ist nicht von besonders hohem Stande, aber sie hätte jetzt wohl Anspruch darauf, da sie die herzogliche Würde durch ein enormes Vermögen, das sie dem Herzog zubrachte, erkaufte. Allein ihr Gemahl entzieht ihr jeden ebenbürtigen Umgang. Er ladet ihr oft Theevisiten ein, wo die Weiber erscheinen, von welchen das Geschirr, das auf dem Tische steht, gekauft wurde. Seine Kinder, die nachgrade zu wachsen anfangen, sind nicht ohne Unterricht; aber sie erhalten ihn nur, weil sie einst ihr Brod selbst verdienen sollen. Der älteste, der junge Lord John, ist bei einem Tischler in die Lehre gegeben. Er soll alle Jahre ein anderes Handwerk erlernen und den Sultan, der nur eins versteht, weit zu übertreffen suchen. Man ist noch immer nicht darüber beruhigt, ob nicht der Vater doch noch einen seiner oft ausgesprochenen Lieblingswünsche in Erfüllung bringen wird; nämlich der herzoglichen Würde zu entsagen und in Leeds ein Fabrikarbeiter zu werden. Seine Gattin wird kein anderes Mittel wissen, als in Leeds eine Adresse an ihn mit Unterschriften bedecken zu lassen, worin ihm die Arbeiter für seinen Entschluß danken, ihm aber ernstlich anrathen, lieber ihrem Verdienste zuweilen eine Zulage zu geben, als ihn zu verringern durch seine gewiß unentgeltliche Concurrenz. Den Herzog in ein Narrenhaus zu sperren, wird sich nicht machen, weil in diesem Falle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0120" n="92"/> weil anders sein Freund nicht neben ihm sitzen kann. Man hat schon oft gefürchtet, daß er bei strengen Jahreszeiten aus Demokratie erfrieren würde. Die Herzogin ist nicht von besonders hohem Stande, aber sie hätte jetzt wohl Anspruch darauf, da sie die herzogliche Würde durch ein enormes Vermögen, das sie dem Herzog zubrachte, erkaufte. Allein ihr Gemahl entzieht ihr jeden ebenbürtigen Umgang. Er ladet ihr oft Theevisiten ein, wo die Weiber erscheinen, von welchen das Geschirr, das auf dem Tische steht, gekauft wurde. Seine Kinder, die nachgrade zu wachsen anfangen, sind nicht ohne Unterricht; aber sie erhalten ihn nur, weil sie einst ihr Brod selbst verdienen sollen. Der älteste, der junge Lord John, ist bei einem Tischler in die Lehre gegeben. Er soll alle Jahre ein anderes Handwerk erlernen und den Sultan, der nur eins versteht, weit zu übertreffen suchen. Man ist noch immer nicht darüber beruhigt, ob nicht der Vater doch noch einen seiner oft ausgesprochenen Lieblingswünsche in Erfüllung bringen wird; nämlich der herzoglichen Würde zu entsagen und in Leeds ein Fabrikarbeiter zu werden. Seine Gattin wird kein anderes Mittel wissen, als in Leeds eine Adresse an ihn mit Unterschriften bedecken zu lassen, worin ihm die Arbeiter für seinen Entschluß danken, ihm aber ernstlich anrathen, lieber ihrem Verdienste zuweilen eine Zulage zu geben, als ihn zu verringern durch seine gewiß unentgeltliche Concurrenz. Den Herzog in ein Narrenhaus zu sperren, wird sich nicht machen, weil in diesem Falle </p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0120]
weil anders sein Freund nicht neben ihm sitzen kann. Man hat schon oft gefürchtet, daß er bei strengen Jahreszeiten aus Demokratie erfrieren würde. Die Herzogin ist nicht von besonders hohem Stande, aber sie hätte jetzt wohl Anspruch darauf, da sie die herzogliche Würde durch ein enormes Vermögen, das sie dem Herzog zubrachte, erkaufte. Allein ihr Gemahl entzieht ihr jeden ebenbürtigen Umgang. Er ladet ihr oft Theevisiten ein, wo die Weiber erscheinen, von welchen das Geschirr, das auf dem Tische steht, gekauft wurde. Seine Kinder, die nachgrade zu wachsen anfangen, sind nicht ohne Unterricht; aber sie erhalten ihn nur, weil sie einst ihr Brod selbst verdienen sollen. Der älteste, der junge Lord John, ist bei einem Tischler in die Lehre gegeben. Er soll alle Jahre ein anderes Handwerk erlernen und den Sultan, der nur eins versteht, weit zu übertreffen suchen. Man ist noch immer nicht darüber beruhigt, ob nicht der Vater doch noch einen seiner oft ausgesprochenen Lieblingswünsche in Erfüllung bringen wird; nämlich der herzoglichen Würde zu entsagen und in Leeds ein Fabrikarbeiter zu werden. Seine Gattin wird kein anderes Mittel wissen, als in Leeds eine Adresse an ihn mit Unterschriften bedecken zu lassen, worin ihm die Arbeiter für seinen Entschluß danken, ihm aber ernstlich anrathen, lieber ihrem Verdienste zuweilen eine Zulage zu geben, als ihn zu verringern durch seine gewiß unentgeltliche Concurrenz. Den Herzog in ein Narrenhaus zu sperren, wird sich nicht machen, weil in diesem Falle
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/120>, abgerufen am 16.02.2025. |