Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.aber immer diejenige unterlag, die ich commandirte. Denn über dem Kanonendonner schlummerte ich allmählich ein und mußte das Schlachtfeld räumen. Jn allem Ernste, mein hochgeachteter Freund, ich habe die Neigung zur Politik mit den meisten ältern Dichtern gemein, wie sehr ich auch sonst hinter ihnen zurückstehe. Dante und Milton ergriffen sogar Partei, die Andern lieferten nicht ungern Strophen und Scenen, welchen sich eine Bezüglichkeit auf die große Welt abgewinnen ließ. Ueberhaupt war aber auch die Stellung der Literatur in vergangenen Zeiten eine andre, als jetzt. Die Literatur stand über den historischen Thatsachen, sie wurde um Rath gefragt, sie hatte noch Gewalt genug, um etwas entscheiden zu können. Die Literatur verlor dieß Uebergewicht erst, als sie sich der historischen Autorität selbst unterordnete und ihr zu schmeicheln anfing. Die französische Literatur hat diesen Verrath an der Selbstgesetzgebung des Geistes zu verantworten. Sie machte sich anheischig, die Thaten der Könige aber immer diejenige unterlag, die ich commandirte. Denn über dem Kanonendonner schlummerte ich allmählich ein und mußte das Schlachtfeld räumen. Jn allem Ernste, mein hochgeachteter Freund, ich habe die Neigung zur Politik mit den meisten ältern Dichtern gemein, wie sehr ich auch sonst hinter ihnen zurückstehe. Dante und Milton ergriffen sogar Partei, die Andern lieferten nicht ungern Strophen und Scenen, welchen sich eine Bezüglichkeit auf die große Welt abgewinnen ließ. Ueberhaupt war aber auch die Stellung der Literatur in vergangenen Zeiten eine andre, als jetzt. Die Literatur stand über den historischen Thatsachen, sie wurde um Rath gefragt, sie hatte noch Gewalt genug, um etwas entscheiden zu können. Die Literatur verlor dieß Uebergewicht erst, als sie sich der historischen Autorität selbst unterordnete und ihr zu schmeicheln anfing. Die französische Literatur hat diesen Verrath an der Selbstgesetzgebung des Geistes zu verantworten. Sie machte sich anheischig, die Thaten der Könige <TEI> <text> <front> <div type="dedication"> <p><pb facs="#f0011" n="VII"/> aber immer diejenige unterlag, die ich commandirte. Denn über dem Kanonendonner schlummerte ich allmählich ein und mußte das Schlachtfeld räumen.</p> <p>Jn allem Ernste, mein hochgeachteter Freund, ich habe die Neigung zur Politik mit den meisten ältern Dichtern gemein, wie sehr ich auch sonst hinter ihnen zurückstehe. <ref xml:id="TEXTDanteundMiltonBISPartei" type="editorialNote" target="ZgZuE.htm#ERLDanteundMiltonBISPartei">Dante und Milton ergriffen sogar Partei</ref>, die Andern lieferten nicht ungern Strophen und Scenen, welchen sich eine Bezüglichkeit auf die große Welt abgewinnen ließ. Ueberhaupt war aber auch die Stellung der Literatur in vergangenen Zeiten eine andre, als jetzt. Die Literatur stand über den historischen Thatsachen, sie wurde um Rath gefragt, sie hatte noch Gewalt genug, um etwas entscheiden zu können. Die Literatur verlor dieß Uebergewicht erst, als sie sich der historischen Autorität selbst unterordnete und ihr zu schmeicheln anfing. Die französische Literatur hat diesen Verrath an der Selbstgesetzgebung des Geistes zu verantworten. Sie machte sich anheischig, die Thaten der Könige </p> </div> </front> </text> </TEI> [VII/0011]
aber immer diejenige unterlag, die ich commandirte. Denn über dem Kanonendonner schlummerte ich allmählich ein und mußte das Schlachtfeld räumen.
Jn allem Ernste, mein hochgeachteter Freund, ich habe die Neigung zur Politik mit den meisten ältern Dichtern gemein, wie sehr ich auch sonst hinter ihnen zurückstehe. Dante und Milton ergriffen sogar Partei, die Andern lieferten nicht ungern Strophen und Scenen, welchen sich eine Bezüglichkeit auf die große Welt abgewinnen ließ. Ueberhaupt war aber auch die Stellung der Literatur in vergangenen Zeiten eine andre, als jetzt. Die Literatur stand über den historischen Thatsachen, sie wurde um Rath gefragt, sie hatte noch Gewalt genug, um etwas entscheiden zu können. Die Literatur verlor dieß Uebergewicht erst, als sie sich der historischen Autorität selbst unterordnete und ihr zu schmeicheln anfing. Die französische Literatur hat diesen Verrath an der Selbstgesetzgebung des Geistes zu verantworten. Sie machte sich anheischig, die Thaten der Könige
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