Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.würde eine andere Richtung gegeben werden? Das Letzte schwerlich; allein es hat sich freilich dahin entschieden, daß die Ruhe Albions dem Continente imponirte und ihn zu uns heranzog. Wenn England zum Jahrhundert eine Stellung hat, so ist es die, daß es einmal die Preventive der Revolution zu besitzen scheint, und meistens, daß sein Egoismus, seine Kälte, seine Jndifferenz wahrscheinlich dem ganzen Zeitalter seinen Charakter geben wird. Die allgemeine Weltlage mit Beginn unsrer Zeiten war denkwürdig genug. Ein Staat im Vorgrunde, der sich über die blutigen Leichen seines Adels und Königthums hinweg zur Republik umgestaltet, der mit seinen Siegstrophäen die mörderische Erinnerung seines Ursprungs ausgelöscht hatte und bereits in Luxus und Mode wieder den europäischen geselligen Ton anzugeben begann. Die Furcht, Paris zu besuchen, hatte sich gemildert. Die Zeit des Direktoriums und Consulats war vielleicht üppiger, als die Ludwigs XV., weil sie sich weniger verhüllte, weniger Vorurtheile hatte und mehr Freiheit der Straße genoß. Bei diesem ungehinderten Besuche der Hauptstadt Europa's mußte sich eine stillschweigende Nachgiebigkeit gegen die gefährliche Neuerung ergeben, die eben so gefährlich hätte werden können, wenn man nicht den Eifer gesehen hätte, mit welchem die Republik wieder nach dem Glanze des Königthums zurücktrachtete. Man konnte anfangen, sich mit dieser Republik in Güte abzufinden, und that es auch. Die würde eine andere Richtung gegeben werden? Das Letzte schwerlich; allein es hat sich freilich dahin entschieden, daß die Ruhe Albions dem Continente imponirte und ihn zu uns heranzog. Wenn England zum Jahrhundert eine Stellung hat, so ist es die, daß es einmal die Preventive der Revolution zu besitzen scheint, und meistens, daß sein Egoismus, seine Kälte, seine Jndifferenz wahrscheinlich dem ganzen Zeitalter seinen Charakter geben wird. Die allgemeine Weltlage mit Beginn unsrer Zeiten war denkwürdig genug. Ein Staat im Vorgrunde, der sich über die blutigen Leichen seines Adels und Königthums hinweg zur Republik umgestaltet, der mit seinen Siegstrophäen die mörderische Erinnerung seines Ursprungs ausgelöscht hatte und bereits in Luxus und Mode wieder den europäischen geselligen Ton anzugeben begann. Die Furcht, Paris zu besuchen, hatte sich gemildert. Die Zeit des Direktoriums und Consulats war vielleicht üppiger, als die Ludwigs XV., weil sie sich weniger verhüllte, weniger Vorurtheile hatte und mehr Freiheit der Straße genoß. Bei diesem ungehinderten Besuche der Hauptstadt Europa’s mußte sich eine stillschweigende Nachgiebigkeit gegen die gefährliche Neuerung ergeben, die eben so gefährlich hätte werden können, wenn man nicht den Eifer gesehen hätte, mit welchem die Republik wieder nach dem Glanze des Königthums zurücktrachtete. Man konnte anfangen, sich mit dieser Republik in Güte abzufinden, und that es auch. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="79"/> würde eine andere Richtung gegeben werden? Das Letzte schwerlich; allein es hat sich freilich dahin entschieden, daß die Ruhe Albions dem Continente imponirte und ihn zu uns heranzog. Wenn England zum Jahrhundert eine Stellung hat, so ist es die, daß es einmal die Preventive der Revolution zu besitzen scheint, und meistens, daß sein Egoismus, seine Kälte, seine Jndifferenz wahrscheinlich dem ganzen Zeitalter seinen Charakter geben wird.</p> <p>Die allgemeine Weltlage mit Beginn unsrer Zeiten war denkwürdig genug. Ein Staat im Vorgrunde, der sich über die blutigen Leichen seines Adels und Königthums hinweg zur Republik umgestaltet, der mit seinen Siegstrophäen die mörderische Erinnerung seines Ursprungs ausgelöscht hatte und bereits in Luxus und Mode wieder den europäischen geselligen Ton anzugeben begann. Die Furcht, Paris zu besuchen, hatte sich gemildert. Die Zeit des Direktoriums und Consulats war vielleicht üppiger, als die Ludwigs <hi rendition="#aq">XV</hi>., weil sie sich weniger verhüllte, weniger Vorurtheile hatte und mehr Freiheit der Straße genoß. Bei diesem ungehinderten Besuche der Hauptstadt Europa’s mußte sich eine stillschweigende Nachgiebigkeit gegen die gefährliche Neuerung ergeben, die eben so gefährlich hätte werden können, wenn man nicht den Eifer gesehen hätte, mit welchem die Republik wieder nach dem Glanze des Königthums zurücktrachtete. Man konnte anfangen, sich mit dieser Republik in Güte abzufinden, und that es auch. Die </p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0107]
würde eine andere Richtung gegeben werden? Das Letzte schwerlich; allein es hat sich freilich dahin entschieden, daß die Ruhe Albions dem Continente imponirte und ihn zu uns heranzog. Wenn England zum Jahrhundert eine Stellung hat, so ist es die, daß es einmal die Preventive der Revolution zu besitzen scheint, und meistens, daß sein Egoismus, seine Kälte, seine Jndifferenz wahrscheinlich dem ganzen Zeitalter seinen Charakter geben wird.
Die allgemeine Weltlage mit Beginn unsrer Zeiten war denkwürdig genug. Ein Staat im Vorgrunde, der sich über die blutigen Leichen seines Adels und Königthums hinweg zur Republik umgestaltet, der mit seinen Siegstrophäen die mörderische Erinnerung seines Ursprungs ausgelöscht hatte und bereits in Luxus und Mode wieder den europäischen geselligen Ton anzugeben begann. Die Furcht, Paris zu besuchen, hatte sich gemildert. Die Zeit des Direktoriums und Consulats war vielleicht üppiger, als die Ludwigs XV., weil sie sich weniger verhüllte, weniger Vorurtheile hatte und mehr Freiheit der Straße genoß. Bei diesem ungehinderten Besuche der Hauptstadt Europa’s mußte sich eine stillschweigende Nachgiebigkeit gegen die gefährliche Neuerung ergeben, die eben so gefährlich hätte werden können, wenn man nicht den Eifer gesehen hätte, mit welchem die Republik wieder nach dem Glanze des Königthums zurücktrachtete. Man konnte anfangen, sich mit dieser Republik in Güte abzufinden, und that es auch. Die
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