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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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nellen, historischen und biblischen Ursachen macht
aber, daß es für den Schmerz der Seele ganz
ohne Wirkung ist. Eines seiner Dogmen stört
das andre."

Ein Krampf schnürte Wally's Brust zusam¬
men. Sie wankte ohnmächtig fort, bis jener
Referendar, der über das Unzeitgemäße der
politischen Garantien geschrieben hatte, ihren
Arm ergriff und sie zu Waldemar und Cäsar
führte, von denen er den ersten gesucht hatte.

"Waldemar!" rief er: "was Sie glück¬
lich sind! Ein Ehegatte, und noch bringen sich
Ihretwegen die Frauen um."

"Was wollen Sie damit?" fragte Wal¬
demar.

"Sie müssen nicht erschrecken," sagte je¬
ner; "aber Ihr verlassenes Bärbel ist todt.
Sie ging gestern den ganzen Tag um Schwal¬
bach herum, sich ein Grab zu suchen, blieb
dann noch lange bei den beiden Indien, wankte

nellen, hiſtoriſchen und bibliſchen Urſachen macht
aber, daß es für den Schmerz der Seele ganz
ohne Wirkung iſt. Eines ſeiner Dogmen ſtört
das andre.“

Ein Krampf ſchnürte Wally's Bruſt zuſam¬
men. Sie wankte ohnmächtig fort, bis jener
Referendar, der über das Unzeitgemäße der
politiſchen Garantien geſchrieben hatte, ihren
Arm ergriff und ſie zu Waldemar und Cäſar
führte, von denen er den erſten geſucht hatte.

„Waldemar!“ rief er: „was Sie glück¬
lich ſind! Ein Ehegatte, und noch bringen ſich
Ihretwegen die Frauen um.“

„Was wollen Sie damit?“ fragte Wal¬
demar.

„Sie müſſen nicht erſchrecken,“ ſagte je¬
ner; „aber Ihr verlaſſenes Bärbel iſt todt.
Sie ging geſtern den ganzen Tag um Schwal¬
bach herum, ſich ein Grab zu ſuchen, blieb
dann noch lange bei den beiden Indien, wankte

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[84/0093] nellen, hiſtoriſchen und bibliſchen Urſachen macht aber, daß es für den Schmerz der Seele ganz ohne Wirkung iſt. Eines ſeiner Dogmen ſtört das andre.“ Ein Krampf ſchnürte Wally's Bruſt zuſam¬ men. Sie wankte ohnmächtig fort, bis jener Referendar, der über das Unzeitgemäße der politiſchen Garantien geſchrieben hatte, ihren Arm ergriff und ſie zu Waldemar und Cäſar führte, von denen er den erſten geſucht hatte. „Waldemar!“ rief er: „was Sie glück¬ lich ſind! Ein Ehegatte, und noch bringen ſich Ihretwegen die Frauen um.“ „Was wollen Sie damit?“ fragte Wal¬ demar. „Sie müſſen nicht erſchrecken,“ ſagte je¬ ner; „aber Ihr verlaſſenes Bärbel iſt todt. Sie ging geſtern den ganzen Tag um Schwal¬ bach herum, ſich ein Grab zu ſuchen, blieb dann noch lange bei den beiden Indien, wankte

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/93>, abgerufen am 25.11.2024.