einen Trauermarsch von Spontini vorspielen, mein Herr, glauben Sie, daß er weinen wird? Er wird springen und seine Kokosschale vor Lebenslust bis auf die Hefe leeren. Musik ist absolut nichts: die Bildung legt erst das hinein, was wir darin zu finden glauben. Wenn ich bei irgend einem Musikstück ein solcher Narr bin, an die Unsterblichkeit der Seele zu glau¬ ben, so verbinden zu gleicher Zeit Sie damit einen Begriff, welcher vielleicht der entgegen¬ gesetzte ist. Wenn Sie bei einer Symfonie von Beethoven an einen gothischen Dom den¬ ken, so dachte der Componist an das Giebeldach einer Bauerhütte. Nein, mein Herr, die Musik wird aufhören zu den Künsten gerechnet zu werden. Nähert sich die Musik in der Oper nicht schon immer mehr der rhetorischen Deklamation? Ist die Sprache, das volle, tönende, menschliche Wort nicht unendlich höher, als der unnatür¬ liche Gebrauch einer ganz im tiefsten Schlunde
einen Trauermarſch von Spontini vorſpielen, mein Herr, glauben Sie, daß er weinen wird? Er wird ſpringen und ſeine Kokosſchale vor Lebensluſt bis auf die Hefe leeren. Muſik iſt abſolut nichts: die Bildung legt erſt das hinein, was wir darin zu finden glauben. Wenn ich bei irgend einem Muſikſtück ein ſolcher Narr bin, an die Unſterblichkeit der Seele zu glau¬ ben, ſo verbinden zu gleicher Zeit Sie damit einen Begriff, welcher vielleicht der entgegen¬ geſetzte iſt. Wenn Sie bei einer Symfonie von Beethoven an einen gothiſchen Dom den¬ ken, ſo dachte der Componiſt an das Giebeldach einer Bauerhütte. Nein, mein Herr, die Muſik wird aufhören zu den Künſten gerechnet zu werden. Nähert ſich die Muſik in der Oper nicht ſchon immer mehr der rhetoriſchen Deklamation? Iſt die Sprache, das volle, tönende, menſchliche Wort nicht unendlich höher, als der unnatür¬ liche Gebrauch einer ganz im tiefſten Schlunde
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einen Trauermarſch von Spontini vorſpielen,
mein Herr, glauben Sie, daß er weinen wird?
Er wird ſpringen und ſeine Kokosſchale vor
Lebensluſt bis auf die Hefe leeren. Muſik iſt
abſolut nichts: die Bildung legt erſt das hinein,
was wir darin zu finden glauben. Wenn ich
bei irgend einem Muſikſtück ein ſolcher Narr
bin, an die Unſterblichkeit der Seele zu glau¬
ben, ſo verbinden zu gleicher Zeit Sie damit
einen Begriff, welcher vielleicht der entgegen¬
geſetzte iſt. Wenn Sie bei einer Symfonie
von Beethoven an einen gothiſchen Dom den¬
ken, ſo dachte der Componiſt an das Giebeldach
einer Bauerhütte. Nein, mein Herr, die Muſik
wird aufhören zu den Künſten gerechnet zu werden.
Nähert ſich die Muſik in der Oper nicht ſchon
immer mehr der rhetoriſchen Deklamation? Iſt
die Sprache, das volle, tönende, menſchliche
Wort nicht unendlich höher, als der unnatür¬
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/46>, abgerufen am 23.11.2024.
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