Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Alles, was die Wirklichkeit kopirt, ist für
die Masse. Diese Gattung der Poesie erhebt
sich von der untersten Stufe der Genremalerei
bis zu den Romanen von Walter Scott und
Bulwer, bis zu den Dramen Ifflands und
Kotzebue's. Nur hell, blank und geschliffen
muß diese Literatur sein, weil sie der Wirk¬
lichkeit gegenüber ein Spiegel ist, der sie
treu auffäßt und wiedergiebt. Für die schaa¬
len Gemüther ist nichts genialer, als sie selbst
zu zeichnen, wie sie sind: ihre Tante, ihre
Katze, ihren Shwal, ihre kleinen Sympathien,
ihre Schwachheiten. Was haben wir von euern
Grillen? von euern Erfindungen, die in der
Luft schweben? Gebt uns uns selbst, dem Egois¬
mus den Egoismus! Es giebt Kritiker und
Literatoren, die sich nur für das Copiren der
Wirklichkeit enthusiasmiren können. Das Wahr¬
scheinliche ist bei ihnen schon eine Conzession.
England hat von jeher diese Art der poetischen

Alles, was die Wirklichkeit kopirt, iſt für
die Maſſe. Dieſe Gattung der Poeſie erhebt
ſich von der unterſten Stufe der Genremalerei
bis zu den Romanen von Walter Scott und
Bulwer, bis zu den Dramen Ifflands und
Kotzebue's. Nur hell, blank und geſchliffen
muß dieſe Literatur ſein, weil ſie der Wirk¬
lichkeit gegenüber ein Spiegel iſt, der ſie
treu auffäßt und wiedergiebt. Für die ſchaa¬
len Gemüther iſt nichts genialer, als ſie ſelbſt
zu zeichnen, wie ſie ſind: ihre Tante, ihre
Katze, ihren Shwal, ihre kleinen Sympathien,
ihre Schwachheiten. Was haben wir von euern
Grillen? von euern Erfindungen, die in der
Luft ſchweben? Gebt uns uns ſelbſt, dem Egois¬
mus den Egoismus! Es giebt Kritiker und
Literatoren, die ſich nur für das Copiren der
Wirklichkeit enthuſiasmiren können. Das Wahr¬
ſcheinliche iſt bei ihnen ſchon eine Conzeſſion.
England hat von jeher dieſe Art der poetiſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0329" n="320"/>
        <p>Alles, was die Wirklichkeit kopirt, i&#x017F;t für<lb/>
die Ma&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e Gattung der Poe&#x017F;ie erhebt<lb/>
&#x017F;ich von der unter&#x017F;ten Stufe der Genremalerei<lb/>
bis zu den Romanen von Walter Scott und<lb/>
Bulwer, bis zu den Dramen Ifflands und<lb/>
Kotzebue's. Nur hell, blank und ge&#x017F;chliffen<lb/>
muß die&#x017F;e Literatur &#x017F;ein, weil &#x017F;ie der Wirk¬<lb/>
lichkeit gegenüber ein Spiegel i&#x017F;t, der &#x017F;ie<lb/>
treu auffäßt und wiedergiebt. Für die &#x017F;chaa¬<lb/>
len Gemüther i&#x017F;t nichts genialer, als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu zeichnen, wie &#x017F;ie &#x017F;ind: ihre Tante, ihre<lb/>
Katze, ihren Shwal, ihre kleinen Sympathien,<lb/>
ihre Schwachheiten. Was haben wir von euern<lb/>
Grillen? von euern Erfindungen, die in der<lb/>
Luft &#x017F;chweben? Gebt uns uns &#x017F;elb&#x017F;t, dem Egois¬<lb/>
mus den Egoismus! Es giebt Kritiker und<lb/>
Literatoren, die &#x017F;ich nur für das Copiren der<lb/>
Wirklichkeit enthu&#x017F;iasmiren können. Das Wahr¬<lb/>
&#x017F;cheinliche i&#x017F;t bei ihnen &#x017F;chon eine Conze&#x017F;&#x017F;ion.<lb/>
England hat von jeher die&#x017F;e Art der poeti&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0329] Alles, was die Wirklichkeit kopirt, iſt für die Maſſe. Dieſe Gattung der Poeſie erhebt ſich von der unterſten Stufe der Genremalerei bis zu den Romanen von Walter Scott und Bulwer, bis zu den Dramen Ifflands und Kotzebue's. Nur hell, blank und geſchliffen muß dieſe Literatur ſein, weil ſie der Wirk¬ lichkeit gegenüber ein Spiegel iſt, der ſie treu auffäßt und wiedergiebt. Für die ſchaa¬ len Gemüther iſt nichts genialer, als ſie ſelbſt zu zeichnen, wie ſie ſind: ihre Tante, ihre Katze, ihren Shwal, ihre kleinen Sympathien, ihre Schwachheiten. Was haben wir von euern Grillen? von euern Erfindungen, die in der Luft ſchweben? Gebt uns uns ſelbſt, dem Egois¬ mus den Egoismus! Es giebt Kritiker und Literatoren, die ſich nur für das Copiren der Wirklichkeit enthuſiasmiren können. Das Wahr¬ ſcheinliche iſt bei ihnen ſchon eine Conzeſſion. England hat von jeher dieſe Art der poetiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/329
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/329>, abgerufen am 22.11.2024.