Wally liebte, wenigstens war sie ihm eine Ver¬ traute geworden. Er hätte sie vielleicht einem andern abtreten können; aber von ihr sich trennen, das konnte er nicht. Und doch! Viel¬ leicht! Wir sind Charlatane, wir können alles!
Es war auf einem glänzenden Balle, der am Hofe gegeben wurde. Cäsar, der nicht tanzte, weil die Prinzessinnen zugegen waren und es ihn beleidigt haben würde, wenn sie ihm durch ihre Kammerherrn die herkömmlichen Aufforderungen geschickt hätten, zog sich zurück. Wally beachtete ihn nicht. Er nahm das leicht. Er wußte, daß Wally weit entfernt war von der gewöhnlichen Ansicht deutscher Mädchen, dem Tanze eine sinnliche Bedeutung oder die Bedeutung irgend einer Gunst unterzulegen; er wußte, daß sie diejenigen liebte, mit denen sie nicht tanzte. Und doch war sie heute auf¬ geregter, als jemals. Das nahm ihn Wunder und verstimmte ihn. Als Wally zu ihm trat,
Wally liebte, wenigſtens war ſie ihm eine Ver¬ traute geworden. Er hätte ſie vielleicht einem andern abtreten können; aber von ihr ſich trennen, das konnte er nicht. Und doch! Viel¬ leicht! Wir ſind Charlatane, wir können alles!
Es war auf einem glänzenden Balle, der am Hofe gegeben wurde. Cäſar, der nicht tanzte, weil die Prinzeſſinnen zugegen waren und es ihn beleidigt haben würde, wenn ſie ihm durch ihre Kammerherrn die herkömmlichen Aufforderungen geſchickt hätten, zog ſich zurück. Wally beachtete ihn nicht. Er nahm das leicht. Er wußte, daß Wally weit entfernt war von der gewöhnlichen Anſicht deutſcher Mädchen, dem Tanze eine ſinnliche Bedeutung oder die Bedeutung irgend einer Gunſt unterzulegen; er wußte, daß ſie diejenigen liebte, mit denen ſie nicht tanzte. Und doch war ſie heute auf¬ geregter, als jemals. Das nahm ihn Wunder und verſtimmte ihn. Als Wally zu ihm trat,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0119"n="110"/>
Wally liebte, wenigſtens war ſie ihm eine Ver¬<lb/>
traute geworden. Er hätte ſie vielleicht einem<lb/>
andern abtreten können; aber von ihr ſich<lb/>
trennen, das konnte er nicht. Und doch! Viel¬<lb/>
leicht! Wir ſind Charlatane, wir können alles!</p><lb/><p>Es war auf einem glänzenden Balle, der<lb/>
am Hofe gegeben wurde. Cäſar, der nicht<lb/>
tanzte, weil die Prinzeſſinnen zugegen waren<lb/>
und es ihn beleidigt haben würde, wenn ſie<lb/>
ihm durch ihre Kammerherrn die herkömmlichen<lb/>
Aufforderungen geſchickt hätten, zog ſich zurück.<lb/>
Wally beachtete ihn nicht. Er nahm das leicht.<lb/>
Er wußte, daß Wally weit entfernt war von<lb/>
der gewöhnlichen Anſicht deutſcher Mädchen,<lb/>
dem Tanze eine ſinnliche Bedeutung oder die<lb/>
Bedeutung irgend einer Gunſt unterzulegen;<lb/>
er wußte, daß ſie diejenigen liebte, mit denen<lb/>ſie <hirendition="#g">nicht</hi> tanzte. Und doch war ſie heute auf¬<lb/>
geregter, als jemals. Das nahm ihn Wunder<lb/>
und verſtimmte ihn. Als Wally zu ihm trat,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[110/0119]
Wally liebte, wenigſtens war ſie ihm eine Ver¬
traute geworden. Er hätte ſie vielleicht einem
andern abtreten können; aber von ihr ſich
trennen, das konnte er nicht. Und doch! Viel¬
leicht! Wir ſind Charlatane, wir können alles!
Es war auf einem glänzenden Balle, der
am Hofe gegeben wurde. Cäſar, der nicht
tanzte, weil die Prinzeſſinnen zugegen waren
und es ihn beleidigt haben würde, wenn ſie
ihm durch ihre Kammerherrn die herkömmlichen
Aufforderungen geſchickt hätten, zog ſich zurück.
Wally beachtete ihn nicht. Er nahm das leicht.
Er wußte, daß Wally weit entfernt war von
der gewöhnlichen Anſicht deutſcher Mädchen,
dem Tanze eine ſinnliche Bedeutung oder die
Bedeutung irgend einer Gunſt unterzulegen;
er wußte, daß ſie diejenigen liebte, mit denen
ſie nicht tanzte. Und doch war ſie heute auf¬
geregter, als jemals. Das nahm ihn Wunder
und verſtimmte ihn. Als Wally zu ihm trat,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/119>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.