Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Der Oberförster war doch oft entboten, der Rentamtmann sogar jeden Sonntag. Aber entschuldigt den armen Mann Gottes! Es ist ja ein eignes Gefühl, das Ignorirt- und Zurückgesetztwerden von den Großen! Triesel würde gesagt haben: Es kann sich das wie in einen Wurm verwandeln, der sich um das Herz im Leibe schlingt! Diese Mäßigung, diese Objectivität der Anschauung besaß der unselige, auf die Seligkeit vorbereitende Geistliche nicht, sich zu sagen: Es ist ja Alles in Hochlinden jetzt junges Volk! Das fliegt aus! Das kutschirt und reitet hin und her! Selbst die alte Matrone rafft sich noch einmal aus ihrer Trauer auf und macht in Erinnerung an ihre junge Zeit mit, was sie kann! Nein, der Priester forschte nur, lauerte, nahm an Allem Anstoß, was nicht in seinem Sinne gesprochen, unternommen wurde. Früher hatte er die Gräfin immer auf gewisse Bücher dressirt, die in den theologischen Journalen seiner Richtung empfohlen zu werden pflegen. Sie kaufte sie für sich, damit er sie zu lesen bekam. Solche Erscheinungen kamen gar nicht mehr zur Sprache. Wenn Graf Udo seine Predigten besuchte, so geschah es, um mit ihm darüber gleich nach den Taufen und Trauungen auf offenem Kirchhof zu streiten. Merkus sagte ihm oft: Herr Graf, Sie sind kein Christ! und in des Grafen leichter harmloser Weise hatte dieser geantwortet: Ja, in Der Oberförster war doch oft entboten, der Rentamtmann sogar jeden Sonntag. Aber entschuldigt den armen Mann Gottes! Es ist ja ein eignes Gefühl, das Ignorirt- und Zurückgesetztwerden von den Großen! Triesel würde gesagt haben: Es kann sich das wie in einen Wurm verwandeln, der sich um das Herz im Leibe schlingt! Diese Mäßigung, diese Objectivität der Anschauung besaß der unselige, auf die Seligkeit vorbereitende Geistliche nicht, sich zu sagen: Es ist ja Alles in Hochlinden jetzt junges Volk! Das fliegt aus! Das kutschirt und reitet hin und her! Selbst die alte Matrone rafft sich noch einmal aus ihrer Trauer auf und macht in Erinnerung an ihre junge Zeit mit, was sie kann! Nein, der Priester forschte nur, lauerte, nahm an Allem Anstoß, was nicht in seinem Sinne gesprochen, unternommen wurde. Früher hatte er die Gräfin immer auf gewisse Bücher dressirt, die in den theologischen Journalen seiner Richtung empfohlen zu werden pflegen. Sie kaufte sie für sich, damit er sie zu lesen bekam. Solche Erscheinungen kamen gar nicht mehr zur Sprache. Wenn Graf Udo seine Predigten besuchte, so geschah es, um mit ihm darüber gleich nach den Taufen und Trauungen auf offenem Kirchhof zu streiten. Merkus sagte ihm oft: Herr Graf, Sie sind kein Christ! und in des Grafen leichter harmloser Weise hatte dieser geantwortet: Ja, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="86"/> Der Oberförster war doch oft entboten, der Rentamtmann sogar jeden Sonntag. Aber entschuldigt den armen Mann Gottes! Es ist ja ein eignes Gefühl, das Ignorirt- und Zurückgesetztwerden von den Großen! Triesel würde gesagt haben: Es kann sich das wie in einen Wurm verwandeln, der sich um das Herz im Leibe schlingt! Diese Mäßigung, diese Objectivität der Anschauung besaß der unselige, auf die Seligkeit vorbereitende Geistliche nicht, sich zu sagen: Es ist ja Alles in Hochlinden jetzt junges Volk! Das fliegt aus! Das kutschirt und reitet hin und her! Selbst die alte Matrone rafft sich noch einmal aus ihrer Trauer auf und macht in Erinnerung an ihre junge Zeit mit, was sie kann! Nein, der Priester forschte nur, lauerte, nahm an Allem Anstoß, was nicht in seinem Sinne gesprochen, unternommen wurde. Früher hatte er die Gräfin immer auf gewisse Bücher dressirt, die in den theologischen Journalen seiner Richtung empfohlen zu werden pflegen. Sie kaufte sie für sich, damit er sie zu lesen bekam. Solche Erscheinungen kamen gar nicht mehr zur Sprache. Wenn Graf Udo seine Predigten besuchte, so geschah es, um mit ihm darüber gleich nach den Taufen und Trauungen auf offenem Kirchhof zu streiten. Merkus sagte ihm oft: Herr Graf, Sie sind kein Christ! und in des Grafen leichter harmloser Weise hatte dieser geantwortet: Ja, in </p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0092]
Der Oberförster war doch oft entboten, der Rentamtmann sogar jeden Sonntag. Aber entschuldigt den armen Mann Gottes! Es ist ja ein eignes Gefühl, das Ignorirt- und Zurückgesetztwerden von den Großen! Triesel würde gesagt haben: Es kann sich das wie in einen Wurm verwandeln, der sich um das Herz im Leibe schlingt! Diese Mäßigung, diese Objectivität der Anschauung besaß der unselige, auf die Seligkeit vorbereitende Geistliche nicht, sich zu sagen: Es ist ja Alles in Hochlinden jetzt junges Volk! Das fliegt aus! Das kutschirt und reitet hin und her! Selbst die alte Matrone rafft sich noch einmal aus ihrer Trauer auf und macht in Erinnerung an ihre junge Zeit mit, was sie kann! Nein, der Priester forschte nur, lauerte, nahm an Allem Anstoß, was nicht in seinem Sinne gesprochen, unternommen wurde. Früher hatte er die Gräfin immer auf gewisse Bücher dressirt, die in den theologischen Journalen seiner Richtung empfohlen zu werden pflegen. Sie kaufte sie für sich, damit er sie zu lesen bekam. Solche Erscheinungen kamen gar nicht mehr zur Sprache. Wenn Graf Udo seine Predigten besuchte, so geschah es, um mit ihm darüber gleich nach den Taufen und Trauungen auf offenem Kirchhof zu streiten. Merkus sagte ihm oft: Herr Graf, Sie sind kein Christ! und in des Grafen leichter harmloser Weise hatte dieser geantwortet: Ja, in
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