Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.sie ihren dummen, oft so albernen Kopf verstecken sollen, wenn sie Einer so anredet! Merkus hatte noch nach und nach sechs bis acht weibliche Excellenzen zu besuchen. Er reckte den Hals mit dem weißen warmen "gestärkten" Battisttuche immer länger und länger. O man gewöhnt's! rief der früh pensionirte Schulrector, sein Freund, der ihn schon - wegzuhaben schien. Aber besonders traurig fuhr er fort, ist das Eindringen der Titelsucht in die Wissenschaft! Manche Universitäten haben durch die Hofrätherei vollständig ihre Basis verloren! Das wissenschaftliche Leben will nur die Formen der Republik! Man widersprach auch diesen Aeußerungen nicht und stellte nicht in Abrede, daß sie die Ursachen träfen, die unsere Erscheinung vor dem Auslande so auffallend abminderten. Der Gerichtsrath Eller war bei Alledem in den Humor gerathen, noch hinzuzufügen: Sie müssen noch weiter gehen und geradezu bekennen, daß es Deutschland an großen Männern fehlt! Wie sollen wir dem Ausland imponiren! Luther - das ist doch wahrhaftig lange her! Schiller und Goethe - nun sie werden genannt, aber wenig begriffen! Und was sonst? Wen gehen Scharnhorst, Stein, Schill etwas an? Dagegen erhob sich dann freilich ein förmlicher Aufstand. Triesel war außer sich. Selbst Merkus hatte sie ihren dummen, oft so albernen Kopf verstecken sollen, wenn sie Einer so anredet! Merkus hatte noch nach und nach sechs bis acht weibliche Excellenzen zu besuchen. Er reckte den Hals mit dem weißen warmen „gestärkten“ Battisttuche immer länger und länger. O man gewöhnt’s! rief der früh pensionirte Schulrector, sein Freund, der ihn schon – wegzuhaben schien. Aber besonders traurig fuhr er fort, ist das Eindringen der Titelsucht in die Wissenschaft! Manche Universitäten haben durch die Hofrätherei vollständig ihre Basis verloren! Das wissenschaftliche Leben will nur die Formen der Republik! Man widersprach auch diesen Aeußerungen nicht und stellte nicht in Abrede, daß sie die Ursachen träfen, die unsere Erscheinung vor dem Auslande so auffallend abminderten. Der Gerichtsrath Eller war bei Alledem in den Humor gerathen, noch hinzuzufügen: Sie müssen noch weiter gehen und geradezu bekennen, daß es Deutschland an großen Männern fehlt! Wie sollen wir dem Ausland imponiren! Luther – das ist doch wahrhaftig lange her! Schiller und Goethe – nun sie werden genannt, aber wenig begriffen! Und was sonst? Wen gehen Scharnhorst, Stein, Schill etwas an? Dagegen erhob sich dann freilich ein förmlicher Aufstand. Triesel war außer sich. Selbst Merkus hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0086" n="80"/> sie ihren dummen, oft so albernen Kopf verstecken sollen, wenn sie Einer so anredet!</p> <p>Merkus hatte noch nach und nach sechs bis acht weibliche Excellenzen zu besuchen. Er reckte den Hals mit dem weißen warmen „gestärkten“ Battisttuche immer länger und länger. O man gewöhnt’s! rief der früh pensionirte Schulrector, sein Freund, der ihn schon – wegzuhaben schien. Aber besonders traurig fuhr er fort, ist das Eindringen der Titelsucht in die Wissenschaft! Manche Universitäten haben durch die Hofrätherei vollständig ihre Basis verloren! Das wissenschaftliche Leben will nur die Formen der Republik!</p> <p>Man widersprach auch diesen Aeußerungen nicht und stellte nicht in Abrede, daß sie die Ursachen träfen, die unsere Erscheinung vor dem Auslande so auffallend abminderten. Der Gerichtsrath Eller war bei Alledem in den Humor gerathen, noch hinzuzufügen: Sie müssen noch weiter gehen und geradezu bekennen, daß es Deutschland an großen Männern fehlt! Wie sollen wir dem Ausland imponiren! Luther – das ist doch wahrhaftig lange her! Schiller und Goethe – nun sie werden genannt, aber wenig begriffen! Und was sonst? Wen gehen Scharnhorst, Stein, Schill etwas an?</p> <p>Dagegen erhob sich dann freilich ein förmlicher Aufstand. Triesel war außer sich. Selbst Merkus hatte </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0086]
sie ihren dummen, oft so albernen Kopf verstecken sollen, wenn sie Einer so anredet!
Merkus hatte noch nach und nach sechs bis acht weibliche Excellenzen zu besuchen. Er reckte den Hals mit dem weißen warmen „gestärkten“ Battisttuche immer länger und länger. O man gewöhnt’s! rief der früh pensionirte Schulrector, sein Freund, der ihn schon – wegzuhaben schien. Aber besonders traurig fuhr er fort, ist das Eindringen der Titelsucht in die Wissenschaft! Manche Universitäten haben durch die Hofrätherei vollständig ihre Basis verloren! Das wissenschaftliche Leben will nur die Formen der Republik!
Man widersprach auch diesen Aeußerungen nicht und stellte nicht in Abrede, daß sie die Ursachen träfen, die unsere Erscheinung vor dem Auslande so auffallend abminderten. Der Gerichtsrath Eller war bei Alledem in den Humor gerathen, noch hinzuzufügen: Sie müssen noch weiter gehen und geradezu bekennen, daß es Deutschland an großen Männern fehlt! Wie sollen wir dem Ausland imponiren! Luther – das ist doch wahrhaftig lange her! Schiller und Goethe – nun sie werden genannt, aber wenig begriffen! Und was sonst? Wen gehen Scharnhorst, Stein, Schill etwas an?
Dagegen erhob sich dann freilich ein förmlicher Aufstand. Triesel war außer sich. Selbst Merkus hatte
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