Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Diejenige, welche die wenigsten Bürden auf dem Herzen zu tragen schien, und die am meisten Muth hatte, das Ungewöhnliche zu wagen, war Ada. Es giebt eine gewisse Absichtlichkeit im Beleben einer Gesellschaft, wo sich's dem Menschenkenner recht verräth, daß es im Gemüth nicht mit rechten Dingen zugeht. So wenigstens verstand Martha die elastische, witzig sprühende, heute Niemanden verletzende Lebendigkeit Adas und Ottomars ergeben trauerndes Gute Nacht! Marthas Zimmer lag im Seitenbau. Ein erquickender Hauch strömte von den Wiesen, vom Park herüber. Die Linden hatten längst abgeblüht, aber das schon zum zweiten Mal gemähte und in Haufen gestellte Heu verbreitete würzigen Duft. Der Blumengarten stand noch in alter Pracht. Centifolien waren genug mit dem Juni gekommen, leider schnell vorübergegangen; bescheidenere Arten erneuerten sich aber noch stets. Von Astern und Dahlien sagte Ada, daß sie diese gar nicht leiden möge. Sie erinnerten sie immer an das Eintreffen des Herbstes! Und mit jedem Jahre schienen sie ihr früher zu kommen! sagte sie. Sie zankte darüber die Gärtner. Ihr müßt verhindern, daß die Astern so früh aufbrechen! Die Gärtner lächelten. Eine Dahlie stand ihr darum doch im Haare ganz besonders schön. Gräfin Ada kam Martha gar nicht mehr berechenbar vor. Sie war ein Elfengeist geworden. Diejenige, welche die wenigsten Bürden auf dem Herzen zu tragen schien, und die am meisten Muth hatte, das Ungewöhnliche zu wagen, war Ada. Es giebt eine gewisse Absichtlichkeit im Beleben einer Gesellschaft, wo sich’s dem Menschenkenner recht verräth, daß es im Gemüth nicht mit rechten Dingen zugeht. So wenigstens verstand Martha die elastische, witzig sprühende, heute Niemanden verletzende Lebendigkeit Adas und Ottomars ergeben trauerndes Gute Nacht! Marthas Zimmer lag im Seitenbau. Ein erquickender Hauch strömte von den Wiesen, vom Park herüber. Die Linden hatten längst abgeblüht, aber das schon zum zweiten Mal gemähte und in Haufen gestellte Heu verbreitete würzigen Duft. Der Blumengarten stand noch in alter Pracht. Centifolien waren genug mit dem Juni gekommen, leider schnell vorübergegangen; bescheidenere Arten erneuerten sich aber noch stets. Von Astern und Dahlien sagte Ada, daß sie diese gar nicht leiden möge. Sie erinnerten sie immer an das Eintreffen des Herbstes! Und mit jedem Jahre schienen sie ihr früher zu kommen! sagte sie. Sie zankte darüber die Gärtner. Ihr müßt verhindern, daß die Astern so früh aufbrechen! Die Gärtner lächelten. Eine Dahlie stand ihr darum doch im Haare ganz besonders schön. Gräfin Ada kam Martha gar nicht mehr berechenbar vor. Sie war ein Elfengeist geworden. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0032" n="26"/> <p> Diejenige, welche die wenigsten Bürden auf dem Herzen zu tragen schien, und die am meisten Muth hatte, das Ungewöhnliche zu wagen, war Ada. Es giebt eine gewisse Absichtlichkeit im Beleben einer Gesellschaft, wo sich’s dem Menschenkenner recht verräth, daß es im Gemüth nicht mit rechten Dingen zugeht. So wenigstens verstand Martha die elastische, witzig sprühende, heute Niemanden verletzende Lebendigkeit Adas und Ottomars ergeben trauerndes Gute Nacht!</p> <p>Marthas Zimmer lag im Seitenbau. Ein erquickender Hauch strömte von den Wiesen, vom Park herüber. Die Linden hatten längst abgeblüht, aber das schon zum zweiten Mal gemähte und in Haufen gestellte Heu verbreitete würzigen Duft. Der Blumengarten stand noch in alter Pracht. Centifolien waren genug mit dem Juni gekommen, leider schnell vorübergegangen; bescheidenere Arten erneuerten sich aber noch stets. Von Astern und Dahlien sagte Ada, daß sie diese gar nicht leiden möge. Sie erinnerten sie immer an das Eintreffen des Herbstes! Und mit jedem Jahre schienen sie ihr früher zu kommen! sagte sie. Sie zankte darüber die Gärtner. Ihr müßt verhindern, daß die Astern so früh aufbrechen! Die Gärtner lächelten. Eine Dahlie stand ihr darum doch im Haare ganz besonders schön. Gräfin Ada kam Martha gar nicht mehr berechenbar vor. Sie war ein Elfengeist geworden.</p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0032]
Diejenige, welche die wenigsten Bürden auf dem Herzen zu tragen schien, und die am meisten Muth hatte, das Ungewöhnliche zu wagen, war Ada. Es giebt eine gewisse Absichtlichkeit im Beleben einer Gesellschaft, wo sich’s dem Menschenkenner recht verräth, daß es im Gemüth nicht mit rechten Dingen zugeht. So wenigstens verstand Martha die elastische, witzig sprühende, heute Niemanden verletzende Lebendigkeit Adas und Ottomars ergeben trauerndes Gute Nacht!
Marthas Zimmer lag im Seitenbau. Ein erquickender Hauch strömte von den Wiesen, vom Park herüber. Die Linden hatten längst abgeblüht, aber das schon zum zweiten Mal gemähte und in Haufen gestellte Heu verbreitete würzigen Duft. Der Blumengarten stand noch in alter Pracht. Centifolien waren genug mit dem Juni gekommen, leider schnell vorübergegangen; bescheidenere Arten erneuerten sich aber noch stets. Von Astern und Dahlien sagte Ada, daß sie diese gar nicht leiden möge. Sie erinnerten sie immer an das Eintreffen des Herbstes! Und mit jedem Jahre schienen sie ihr früher zu kommen! sagte sie. Sie zankte darüber die Gärtner. Ihr müßt verhindern, daß die Astern so früh aufbrechen! Die Gärtner lächelten. Eine Dahlie stand ihr darum doch im Haare ganz besonders schön. Gräfin Ada kam Martha gar nicht mehr berechenbar vor. Sie war ein Elfengeist geworden.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/32>, abgerufen am 16.07.2024. |