Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.über die Geheimnisse des Geschlechtslebens nur Spott, Necksucht, Reiz zum Lachen gebracht. Heil war die Haut. Lange, lange, wenn auch nicht heil mehr die Seele. Ihre Ansätze zur Tugend kennen wir ja. Sie wurden zu kalt aufgenommen, nicht ermuntert. Aus sich selbst konnte sie Nichts schöpfen. Dafür war sie zu eitel, zu blasirt. Endlich hatte sie sich ganz der Wahrheit, der Regel, der Entsagung widmen wollen, als sie Raimund Ehlerdt kennen lernte und in unbegreiflicher Selbsttäuschung anfänglich wirklich geliebt hatte. Dieser furchtbare Irrthum! Sie hatte geglaubt, ein Abbild des Herrn der Schöpfung in ihm gefunden zu haben, ein Seitenstück zu seiner ihr so imponirenden Schwester. Wenn sie jetzt weinte - so war es nicht über den Verkommenen, sondern um ihren eignen "schaudervollen Irrthum"! O die Lüge, wie regiert sie die Welt, und falsche Wege machen, einen Weg hin und denselben wieder zurück, das bringt wilde Naturen außer sich. Auch war sie zu "unendlich müde", etwas Neues anzufangen. Alles was sich gut anließ, hörte ja sogleich auf. Da ließ sie die verschmitzte Ungarin hantiren und lachte mit den schönen Männern, die ihr diese des Abends zuführte. Sie stürzte wieder einen Becher des berauschenden Getränkes hinunter. Was soll mir, brütete sie, sich am Spiegel postirend und den Vorzeichen des Rausches auf- über die Geheimnisse des Geschlechtslebens nur Spott, Necksucht, Reiz zum Lachen gebracht. Heil war die Haut. Lange, lange, wenn auch nicht heil mehr die Seele. Ihre Ansätze zur Tugend kennen wir ja. Sie wurden zu kalt aufgenommen, nicht ermuntert. Aus sich selbst konnte sie Nichts schöpfen. Dafür war sie zu eitel, zu blasirt. Endlich hatte sie sich ganz der Wahrheit, der Regel, der Entsagung widmen wollen, als sie Raimund Ehlerdt kennen lernte und in unbegreiflicher Selbsttäuschung anfänglich wirklich geliebt hatte. Dieser furchtbare Irrthum! Sie hatte geglaubt, ein Abbild des Herrn der Schöpfung in ihm gefunden zu haben, ein Seitenstück zu seiner ihr so imponirenden Schwester. Wenn sie jetzt weinte – so war es nicht über den Verkommenen, sondern um ihren eignen „schaudervollen Irrthum“! O die Lüge, wie regiert sie die Welt, und falsche Wege machen, einen Weg hin und denselben wieder zurück, das bringt wilde Naturen außer sich. Auch war sie zu „unendlich müde“, etwas Neues anzufangen. Alles was sich gut anließ, hörte ja sogleich auf. Da ließ sie die verschmitzte Ungarin hantiren und lachte mit den schönen Männern, die ihr diese des Abends zuführte. Sie stürzte wieder einen Becher des berauschenden Getränkes hinunter. Was soll mir, brütete sie, sich am Spiegel postirend und den Vorzeichen des Rausches auf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0289" n="283"/> über die Geheimnisse des Geschlechtslebens nur Spott, Necksucht, Reiz zum Lachen gebracht. Heil war die Haut. Lange, lange, wenn auch nicht heil mehr die Seele. Ihre Ansätze zur Tugend kennen wir ja. Sie wurden zu kalt aufgenommen, nicht ermuntert. Aus sich selbst konnte sie Nichts schöpfen. Dafür war sie zu eitel, zu blasirt. Endlich hatte sie sich ganz der Wahrheit, der Regel, der Entsagung widmen wollen, als sie Raimund Ehlerdt kennen lernte und in unbegreiflicher Selbsttäuschung anfänglich wirklich geliebt hatte. Dieser furchtbare Irrthum! Sie hatte geglaubt, ein Abbild des Herrn der Schöpfung in ihm gefunden zu haben, ein Seitenstück zu seiner ihr so imponirenden Schwester. Wenn sie jetzt weinte – so war es nicht über den Verkommenen, sondern um ihren eignen „schaudervollen Irrthum“! O die Lüge, wie regiert sie die Welt, und falsche Wege machen, einen Weg hin und denselben wieder zurück, das bringt wilde Naturen außer sich. Auch war sie zu „unendlich müde“, etwas Neues anzufangen. Alles was sich gut anließ, hörte ja sogleich auf. Da ließ sie die verschmitzte Ungarin hantiren und lachte mit den schönen Männern, die ihr diese des Abends zuführte.</p> <p>Sie stürzte wieder einen Becher des berauschenden Getränkes hinunter. Was soll mir, brütete sie, sich am Spiegel postirend und den Vorzeichen des Rausches auf- </p> </div> </body> </text> </TEI> [283/0289]
über die Geheimnisse des Geschlechtslebens nur Spott, Necksucht, Reiz zum Lachen gebracht. Heil war die Haut. Lange, lange, wenn auch nicht heil mehr die Seele. Ihre Ansätze zur Tugend kennen wir ja. Sie wurden zu kalt aufgenommen, nicht ermuntert. Aus sich selbst konnte sie Nichts schöpfen. Dafür war sie zu eitel, zu blasirt. Endlich hatte sie sich ganz der Wahrheit, der Regel, der Entsagung widmen wollen, als sie Raimund Ehlerdt kennen lernte und in unbegreiflicher Selbsttäuschung anfänglich wirklich geliebt hatte. Dieser furchtbare Irrthum! Sie hatte geglaubt, ein Abbild des Herrn der Schöpfung in ihm gefunden zu haben, ein Seitenstück zu seiner ihr so imponirenden Schwester. Wenn sie jetzt weinte – so war es nicht über den Verkommenen, sondern um ihren eignen „schaudervollen Irrthum“! O die Lüge, wie regiert sie die Welt, und falsche Wege machen, einen Weg hin und denselben wieder zurück, das bringt wilde Naturen außer sich. Auch war sie zu „unendlich müde“, etwas Neues anzufangen. Alles was sich gut anließ, hörte ja sogleich auf. Da ließ sie die verschmitzte Ungarin hantiren und lachte mit den schönen Männern, die ihr diese des Abends zuführte.
Sie stürzte wieder einen Becher des berauschenden Getränkes hinunter. Was soll mir, brütete sie, sich am Spiegel postirend und den Vorzeichen des Rausches auf-
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