Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.von seinem gewaltigen Chef. Das Gespräch war bald auf andere Gegenstände gekommen und gewiß gefielen des Grafen Worte: Vertilge doch endlich der Himmel alle Heuchler, die um gottgeweihte Wahrheiten herumschleichen und nur im Trüben fischen und weltliche Macht und Reichthum erringen wollen! Es war von der Stimmung der alten Gräfin die Rede gewesen, von dem Einfluß, den jetzt die Geistlichen über sie zu gewinnen anfingen. Die Anzeichen des Zorns auf ihren seligen Wilhelm mehrten sich. Seine Bilder wurden verhängt, theure Andenken beseitigt; das schon aufgestellte Althing'sche Monument wurde seltener besucht; die Briefe, die Raimund Ehlerdt, die Baronin Ugarti, zuletzt Edwina selbst an sie zu schreiben wagten, wurden der Polizei als Erpressungsversuche übergeben. Graf Udo sah das Alles mit Schmerz. Sein Gemüth verstand erst jetzt das innere Leben und Bedürfen des Grafen Wilhelm. Er sah den Onkel als Cavalier an dem kleinen Hofe zu Ingenheim-Rauden, er sah den lebensfrischen, hochgebildeten, reichen Mann als Jäger sich tummeln, die Gesellschaft beleben, Alles entzücken durch seine Anmuth, seinen Witz, sein reiches Wissen. Bücher, namentlich alte von Antiquaren nach Katalogen gekaufte, waren seine Leidenschaft. In allen alten Büchern, hatte er oft gesagt, fände er Form, Gestaltung, Sinn von seinem gewaltigen Chef. Das Gespräch war bald auf andere Gegenstände gekommen und gewiß gefielen des Grafen Worte: Vertilge doch endlich der Himmel alle Heuchler, die um gottgeweihte Wahrheiten herumschleichen und nur im Trüben fischen und weltliche Macht und Reichthum erringen wollen! Es war von der Stimmung der alten Gräfin die Rede gewesen, von dem Einfluß, den jetzt die Geistlichen über sie zu gewinnen anfingen. Die Anzeichen des Zorns auf ihren seligen Wilhelm mehrten sich. Seine Bilder wurden verhängt, theure Andenken beseitigt; das schon aufgestellte Althing’sche Monument wurde seltener besucht; die Briefe, die Raimund Ehlerdt, die Baronin Ugarti, zuletzt Edwina selbst an sie zu schreiben wagten, wurden der Polizei als Erpressungsversuche übergeben. Graf Udo sah das Alles mit Schmerz. Sein Gemüth verstand erst jetzt das innere Leben und Bedürfen des Grafen Wilhelm. Er sah den Onkel als Cavalier an dem kleinen Hofe zu Ingenheim-Rauden, er sah den lebensfrischen, hochgebildeten, reichen Mann als Jäger sich tummeln, die Gesellschaft beleben, Alles entzücken durch seine Anmuth, seinen Witz, sein reiches Wissen. Bücher, namentlich alte von Antiquaren nach Katalogen gekaufte, waren seine Leidenschaft. In allen alten Büchern, hatte er oft gesagt, fände er Form, Gestaltung, Sinn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="275"/> von seinem gewaltigen Chef. Das Gespräch war bald auf andere Gegenstände gekommen und gewiß gefielen des Grafen Worte: Vertilge doch endlich der Himmel alle Heuchler, die um gottgeweihte Wahrheiten herumschleichen und nur im Trüben fischen und weltliche Macht und Reichthum erringen wollen!</p> <p>Es war von der Stimmung der alten Gräfin die Rede gewesen, von dem Einfluß, den jetzt die Geistlichen über sie zu gewinnen anfingen. Die Anzeichen des Zorns auf ihren seligen Wilhelm mehrten sich. Seine Bilder wurden verhängt, theure Andenken beseitigt; das schon aufgestellte Althing’sche Monument wurde seltener besucht; die Briefe, die Raimund Ehlerdt, die Baronin Ugarti, zuletzt Edwina selbst an sie zu schreiben wagten, wurden der Polizei als Erpressungsversuche übergeben.</p> <p>Graf Udo sah das Alles mit Schmerz. Sein Gemüth verstand erst jetzt das innere Leben und Bedürfen des Grafen Wilhelm. Er sah den Onkel als Cavalier an dem kleinen Hofe zu Ingenheim-Rauden, er sah den lebensfrischen, hochgebildeten, reichen Mann als Jäger sich tummeln, die Gesellschaft beleben, Alles entzücken durch seine Anmuth, seinen Witz, sein reiches Wissen. Bücher, namentlich alte von Antiquaren nach Katalogen gekaufte, waren seine Leidenschaft. In allen alten Büchern, hatte er oft gesagt, fände er Form, Gestaltung, Sinn </p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0281]
von seinem gewaltigen Chef. Das Gespräch war bald auf andere Gegenstände gekommen und gewiß gefielen des Grafen Worte: Vertilge doch endlich der Himmel alle Heuchler, die um gottgeweihte Wahrheiten herumschleichen und nur im Trüben fischen und weltliche Macht und Reichthum erringen wollen!
Es war von der Stimmung der alten Gräfin die Rede gewesen, von dem Einfluß, den jetzt die Geistlichen über sie zu gewinnen anfingen. Die Anzeichen des Zorns auf ihren seligen Wilhelm mehrten sich. Seine Bilder wurden verhängt, theure Andenken beseitigt; das schon aufgestellte Althing’sche Monument wurde seltener besucht; die Briefe, die Raimund Ehlerdt, die Baronin Ugarti, zuletzt Edwina selbst an sie zu schreiben wagten, wurden der Polizei als Erpressungsversuche übergeben.
Graf Udo sah das Alles mit Schmerz. Sein Gemüth verstand erst jetzt das innere Leben und Bedürfen des Grafen Wilhelm. Er sah den Onkel als Cavalier an dem kleinen Hofe zu Ingenheim-Rauden, er sah den lebensfrischen, hochgebildeten, reichen Mann als Jäger sich tummeln, die Gesellschaft beleben, Alles entzücken durch seine Anmuth, seinen Witz, sein reiches Wissen. Bücher, namentlich alte von Antiquaren nach Katalogen gekaufte, waren seine Leidenschaft. In allen alten Büchern, hatte er oft gesagt, fände er Form, Gestaltung, Sinn
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/281>, abgerufen am 19.02.2025. |