Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.bessert, er hebt mich! Ich bin anders durch ihn! Was soll mir da Rücksicht, Moral? Laß die Pfarrer jetzt Pasteten essen bei der alten Gräfin! Das ist alles dummes Zeug in meiner Philosophie, die Ruhe haben will und vernünftig werden. Am jenseitigen Ufer da werde ich's schon! Laßt mich nicht am gefährlichen Teiche herumsuchen, im unheimlichen Schilfe, sondern im glücklich frohen Leben drüben! Inowraclaw! Inowraclaw! Das summte sie lachend vor sich hin wie ein Holdrio. Der Mann am jenseitigen Ufer des blühenden Lebens war glücklicherweise daheim. Ihr Götter, oder wer sonst die Welt regiert, nie bekamt ihr von einem Sterblichen einen innigeren Dankesblick! Es brennt nur eine einfache Studirlampe in seinem Zimmer. Acten liegen um ihn her, theils auf den Stühlen, theils auf dem alten verbrauchten Canape. Vom auswärts eingenommenen Abendimbiß war Ottomar sofort wieder nach Hause und wieder an die Arbeit gegangen. Da gab es zu lesen, zu grübeln, bald diesen, bald jenen Band seiner bescheidenen Bibliothek, der Gesetzsammlungen, der Civil- und Criminalproceßordnungen nachzusehen und immer den eignen Verstand unter den Vorverstand Andrer zu beugen. Oft mußte er den letztern bewundern, manchmal staunen, was es für scharfsinnige Männer in der Welt giebt und gegeben hat; im Meisten ließ sich gar nicht bessert, er hebt mich! Ich bin anders durch ihn! Was soll mir da Rücksicht, Moral? Laß die Pfarrer jetzt Pasteten essen bei der alten Gräfin! Das ist alles dummes Zeug in meiner Philosophie, die Ruhe haben will und vernünftig werden. Am jenseitigen Ufer da werde ich’s schon! Laßt mich nicht am gefährlichen Teiche herumsuchen, im unheimlichen Schilfe, sondern im glücklich frohen Leben drüben! Inowraclaw! Inowraclaw! Das summte sie lachend vor sich hin wie ein Holdrio. Der Mann am jenseitigen Ufer des blühenden Lebens war glücklicherweise daheim. Ihr Götter, oder wer sonst die Welt regiert, nie bekamt ihr von einem Sterblichen einen innigeren Dankesblick! Es brennt nur eine einfache Studirlampe in seinem Zimmer. Acten liegen um ihn her, theils auf den Stühlen, theils auf dem alten verbrauchten Canapé. Vom auswärts eingenommenen Abendimbiß war Ottomar sofort wieder nach Hause und wieder an die Arbeit gegangen. Da gab es zu lesen, zu grübeln, bald diesen, bald jenen Band seiner bescheidenen Bibliothek, der Gesetzsammlungen, der Civil- und Criminalproceßordnungen nachzusehen und immer den eignen Verstand unter den Vorverstand Andrer zu beugen. Oft mußte er den letztern bewundern, manchmal staunen, was es für scharfsinnige Männer in der Welt giebt und gegeben hat; im Meisten ließ sich gar nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0179" n="173"/> bessert, er hebt mich! Ich bin anders durch ihn! Was soll mir da Rücksicht, Moral? Laß die Pfarrer jetzt Pasteten essen bei der alten Gräfin! Das ist alles dummes Zeug in meiner Philosophie, die Ruhe haben will und vernünftig werden. Am jenseitigen Ufer da werde ich’s schon! Laßt mich nicht am gefährlichen Teiche herumsuchen, im unheimlichen Schilfe, sondern im glücklich frohen Leben drüben! Inowraclaw! Inowraclaw! Das summte sie lachend vor sich hin wie ein Holdrio.</p> <p>Der Mann am jenseitigen Ufer des blühenden Lebens war glücklicherweise daheim. Ihr Götter, oder wer sonst die Welt regiert, nie bekamt ihr von einem Sterblichen einen innigeren Dankesblick! Es brennt nur eine einfache Studirlampe in seinem Zimmer. Acten liegen um ihn her, theils auf den Stühlen, theils auf dem alten verbrauchten Canapé. Vom auswärts eingenommenen Abendimbiß war Ottomar sofort wieder nach Hause und wieder an die Arbeit gegangen. Da gab es zu lesen, zu grübeln, bald diesen, bald jenen Band seiner bescheidenen Bibliothek, der Gesetzsammlungen, der Civil- und Criminalproceßordnungen nachzusehen und immer den eignen Verstand unter den Vorverstand Andrer zu beugen. Oft mußte er den letztern bewundern, manchmal staunen, was es für scharfsinnige Männer in der Welt giebt und gegeben hat; im Meisten ließ sich gar nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0179]
bessert, er hebt mich! Ich bin anders durch ihn! Was soll mir da Rücksicht, Moral? Laß die Pfarrer jetzt Pasteten essen bei der alten Gräfin! Das ist alles dummes Zeug in meiner Philosophie, die Ruhe haben will und vernünftig werden. Am jenseitigen Ufer da werde ich’s schon! Laßt mich nicht am gefährlichen Teiche herumsuchen, im unheimlichen Schilfe, sondern im glücklich frohen Leben drüben! Inowraclaw! Inowraclaw! Das summte sie lachend vor sich hin wie ein Holdrio.
Der Mann am jenseitigen Ufer des blühenden Lebens war glücklicherweise daheim. Ihr Götter, oder wer sonst die Welt regiert, nie bekamt ihr von einem Sterblichen einen innigeren Dankesblick! Es brennt nur eine einfache Studirlampe in seinem Zimmer. Acten liegen um ihn her, theils auf den Stühlen, theils auf dem alten verbrauchten Canapé. Vom auswärts eingenommenen Abendimbiß war Ottomar sofort wieder nach Hause und wieder an die Arbeit gegangen. Da gab es zu lesen, zu grübeln, bald diesen, bald jenen Band seiner bescheidenen Bibliothek, der Gesetzsammlungen, der Civil- und Criminalproceßordnungen nachzusehen und immer den eignen Verstand unter den Vorverstand Andrer zu beugen. Oft mußte er den letztern bewundern, manchmal staunen, was es für scharfsinnige Männer in der Welt giebt und gegeben hat; im Meisten ließ sich gar nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/179 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/179>, abgerufen am 16.02.2025. |