Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Rabe. Sie hatte Nerven und Muskeln; sie würde allerdings auch der erzürnten Juno geglichen haben, die ja vor dem Speere des Achilles nicht zitterte. Zum Grafen gewandt, sagte sie in weniger tragischer Art: Kinder, macht mir doch keine solche Geschichten! Geht doch nicht so unter die Atheisten und Demokraten! Der hochgewachsene, von der Abendsonne beleuchtete Schwiegersohn machte grade den stattlichsten Effect. Graf Udo kehrte ihr den Rücken, redete Nichts und ging mit der ihm eignen Vornehmheit seiner Haltung in ein Nebenzimmer. So mußte denn die Generalin Dasjenige leisten, worin Weltton und Weltsitte so groß sind. Der ungeheuerste Schmerz, ihren Sohn von zwei Seiten, vom zurückgekehrten Doctor Wolny und von den Actionären, auf Betrug angeklagt zu sehen, ihn für fähig halten zu müssen, seinem Schwager eine gewaltsame Entführung der Bildhauertochter als fait accompli zur Scheidung gleichsam zu verkaufen, mußte niedergekämpft werden und sich in den Schein der holdseligsten Freundlichkeit verwandeln. Sie wollte denn doch die Dinereinladung bei der alten Gräfin nicht versäumen. Es waren zwar nur Geistliche zugegen, es handelte sich vielleicht nur um Vereinssachen, aber es war doch eine Rabe. Sie hatte Nerven und Muskeln; sie würde allerdings auch der erzürnten Juno geglichen haben, die ja vor dem Speere des Achilles nicht zitterte. Zum Grafen gewandt, sagte sie in weniger tragischer Art: Kinder, macht mir doch keine solche Geschichten! Geht doch nicht so unter die Atheisten und Demokraten! Der hochgewachsene, von der Abendsonne beleuchtete Schwiegersohn machte grade den stattlichsten Effect. Graf Udo kehrte ihr den Rücken, redete Nichts und ging mit der ihm eignen Vornehmheit seiner Haltung in ein Nebenzimmer. So mußte denn die Generalin Dasjenige leisten, worin Weltton und Weltsitte so groß sind. Der ungeheuerste Schmerz, ihren Sohn von zwei Seiten, vom zurückgekehrten Doctor Wolny und von den Actionären, auf Betrug angeklagt zu sehen, ihn für fähig halten zu müssen, seinem Schwager eine gewaltsame Entführung der Bildhauertochter als fait accompli zur Scheidung gleichsam zu verkaufen, mußte niedergekämpft werden und sich in den Schein der holdseligsten Freundlichkeit verwandeln. Sie wollte denn doch die Dinereinladung bei der alten Gräfin nicht versäumen. Es waren zwar nur Geistliche zugegen, es handelte sich vielleicht nur um Vereinssachen, aber es war doch eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="157"/> Rabe. Sie hatte Nerven und Muskeln; sie würde allerdings auch der erzürnten Juno geglichen haben, die ja vor dem Speere des Achilles nicht zitterte.</p> <p>Zum Grafen gewandt, sagte sie in weniger tragischer Art: Kinder, macht mir doch keine solche Geschichten! Geht doch nicht so unter die Atheisten und Demokraten!</p> <p>Der hochgewachsene, von der Abendsonne beleuchtete Schwiegersohn machte grade den stattlichsten Effect.</p> <p>Graf Udo kehrte ihr den Rücken, redete Nichts und ging mit der ihm eignen Vornehmheit seiner Haltung in ein Nebenzimmer.</p> <p>So mußte denn die Generalin Dasjenige leisten, worin Weltton und Weltsitte so groß sind. Der ungeheuerste Schmerz, ihren Sohn von zwei Seiten, vom zurückgekehrten Doctor Wolny und von den Actionären, auf Betrug angeklagt zu sehen, ihn für fähig halten zu müssen, seinem Schwager eine gewaltsame Entführung der Bildhauertochter als <hi rendition="#aq">fait accompli</hi> zur Scheidung gleichsam zu verkaufen, mußte niedergekämpft werden und sich in den Schein der holdseligsten Freundlichkeit verwandeln. Sie wollte denn doch die Dinereinladung bei der alten Gräfin nicht versäumen. Es waren zwar nur Geistliche zugegen, es handelte sich vielleicht nur um Vereinssachen, aber es war doch eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0163]
Rabe. Sie hatte Nerven und Muskeln; sie würde allerdings auch der erzürnten Juno geglichen haben, die ja vor dem Speere des Achilles nicht zitterte.
Zum Grafen gewandt, sagte sie in weniger tragischer Art: Kinder, macht mir doch keine solche Geschichten! Geht doch nicht so unter die Atheisten und Demokraten!
Der hochgewachsene, von der Abendsonne beleuchtete Schwiegersohn machte grade den stattlichsten Effect.
Graf Udo kehrte ihr den Rücken, redete Nichts und ging mit der ihm eignen Vornehmheit seiner Haltung in ein Nebenzimmer.
So mußte denn die Generalin Dasjenige leisten, worin Weltton und Weltsitte so groß sind. Der ungeheuerste Schmerz, ihren Sohn von zwei Seiten, vom zurückgekehrten Doctor Wolny und von den Actionären, auf Betrug angeklagt zu sehen, ihn für fähig halten zu müssen, seinem Schwager eine gewaltsame Entführung der Bildhauertochter als fait accompli zur Scheidung gleichsam zu verkaufen, mußte niedergekämpft werden und sich in den Schein der holdseligsten Freundlichkeit verwandeln. Sie wollte denn doch die Dinereinladung bei der alten Gräfin nicht versäumen. Es waren zwar nur Geistliche zugegen, es handelte sich vielleicht nur um Vereinssachen, aber es war doch eine
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