Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Helenen rief sogar eine Stimme des Gewissens: Du bist ihm undankbar! Und dennoch schüttelte sie zuletzt stumm und ernst ihr schönes lockiges goldblondes Haupt. Die Mutter war überrascht, Martha nicht. Sie hatte in Hochlinden schon beim bloßen Erzählen von Holl beobachtet, sie hatte es hier gesehen, daß - der Capitän - sie Anfangs rührte und - allmälig "interessirte". Nun denn, so ist die Sache abgemacht! sagte der Vater nach einer Weile, wo auch er sein Erstaunen nicht unterdrücken konnte. Schreib' ihm einen vernünftigen Absagebrief! Er soll uns nun entschieden verschonen. Nichts weiter mehr aufrühren! Am besten - unterbrach er sich und wandte sich an Martha. Am besten, Martha, Du setzest den Brief auf! Mutterchen trifft es nicht scharf genug. Martha kennt die Verhältnisse! Und die Mutter - nun scherzte schon der Vater und suchte heitere Stimmung zu befördern - hat so manche Schwärmerei für alte Orthographie, die jetzt wieder neu wird. Goethe schreibt noch gern g statt ch. "Mein Mädgen!" Gebt dem Grafen Nichts zu lachen! Jetzt muß ich zu Blaumeißel hinunter! schloß er. Der heult um Plümicke wie ein alter Jagdhund, dem sein Herr gestorben ist! Helenen rief sogar eine Stimme des Gewissens: Du bist ihm undankbar! Und dennoch schüttelte sie zuletzt stumm und ernst ihr schönes lockiges goldblondes Haupt. Die Mutter war überrascht, Martha nicht. Sie hatte in Hochlinden schon beim bloßen Erzählen von Holl beobachtet, sie hatte es hier gesehen, daß – der Capitän – sie Anfangs rührte und – allmälig „interessirte“. Nun denn, so ist die Sache abgemacht! sagte der Vater nach einer Weile, wo auch er sein Erstaunen nicht unterdrücken konnte. Schreib’ ihm einen vernünftigen Absagebrief! Er soll uns nun entschieden verschonen. Nichts weiter mehr aufrühren! Am besten – unterbrach er sich und wandte sich an Martha. Am besten, Martha, Du setzest den Brief auf! Mutterchen trifft es nicht scharf genug. Martha kennt die Verhältnisse! Und die Mutter – nun scherzte schon der Vater und suchte heitere Stimmung zu befördern – hat so manche Schwärmerei für alte Orthographie, die jetzt wieder neu wird. Goethe schreibt noch gern g statt ch. „Mein Mädgen!“ Gebt dem Grafen Nichts zu lachen! Jetzt muß ich zu Blaumeißel hinunter! schloß er. Der heult um Plümicke wie ein alter Jagdhund, dem sein Herr gestorben ist! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0138" n="132"/> <p> Helenen rief sogar eine Stimme des Gewissens: Du bist ihm undankbar!</p> <p>Und dennoch schüttelte sie zuletzt stumm und ernst ihr schönes lockiges goldblondes Haupt.</p> <p>Die Mutter war überrascht, Martha nicht. Sie hatte in Hochlinden schon beim bloßen Erzählen von Holl beobachtet, sie hatte es hier gesehen, daß – der Capitän – sie Anfangs rührte und – allmälig „interessirte“.</p> <p>Nun denn, so ist die Sache abgemacht! sagte der Vater nach einer Weile, wo auch er sein Erstaunen nicht unterdrücken konnte. Schreib’ ihm einen vernünftigen Absagebrief! Er soll uns nun entschieden verschonen. Nichts weiter mehr aufrühren! Am besten – unterbrach er sich und wandte sich an Martha. Am besten, Martha, Du setzest den Brief auf! Mutterchen trifft es nicht scharf genug. Martha kennt die Verhältnisse! Und die Mutter – nun scherzte schon der Vater und suchte heitere Stimmung zu befördern – hat so manche Schwärmerei für alte Orthographie, die jetzt wieder neu wird. Goethe schreibt noch gern g statt ch. „Mein Mädgen!“ Gebt dem Grafen Nichts zu lachen! Jetzt muß ich zu Blaumeißel hinunter! schloß er. Der heult um Plümicke wie ein alter Jagdhund, dem sein Herr gestorben ist!</p> </div> </body> </text> </TEI> [132/0138]
Helenen rief sogar eine Stimme des Gewissens: Du bist ihm undankbar!
Und dennoch schüttelte sie zuletzt stumm und ernst ihr schönes lockiges goldblondes Haupt.
Die Mutter war überrascht, Martha nicht. Sie hatte in Hochlinden schon beim bloßen Erzählen von Holl beobachtet, sie hatte es hier gesehen, daß – der Capitän – sie Anfangs rührte und – allmälig „interessirte“.
Nun denn, so ist die Sache abgemacht! sagte der Vater nach einer Weile, wo auch er sein Erstaunen nicht unterdrücken konnte. Schreib’ ihm einen vernünftigen Absagebrief! Er soll uns nun entschieden verschonen. Nichts weiter mehr aufrühren! Am besten – unterbrach er sich und wandte sich an Martha. Am besten, Martha, Du setzest den Brief auf! Mutterchen trifft es nicht scharf genug. Martha kennt die Verhältnisse! Und die Mutter – nun scherzte schon der Vater und suchte heitere Stimmung zu befördern – hat so manche Schwärmerei für alte Orthographie, die jetzt wieder neu wird. Goethe schreibt noch gern g statt ch. „Mein Mädgen!“ Gebt dem Grafen Nichts zu lachen! Jetzt muß ich zu Blaumeißel hinunter! schloß er. Der heult um Plümicke wie ein alter Jagdhund, dem sein Herr gestorben ist!
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