Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.die alte Frau, die Müllern, die regelmäßig die Wäsche abholte und im Hinterhause wohnte, Edwinas Großmutter war. Edwina fühlte kalt für die alte Frau und dünkte sich einer Wäscherin nicht blutsverwandt. Ja sie mußte es für eine Bosheit Marloffs, ihres Nährvaters, halten, daß er ihr beständig diese Aufpasserin stellte. Aber sie duldete nicht, daß auch die Brennicke die alte Frau geringschätzig behandelte. Sie zwang sie sogar, der anspruchslosen Greisin, einer Frau ganz aus dem Volke, ein gebrauchtes Schmähwort geradezu abzubitten. Fürst Rauden krönte das Gebäude eines Systems, das sich allmälig als gefährlich erwies. Die Hundertthalerscheine verschwanden wie Nichts. Die Regierungsräthin hatte den Prinzen, einen Dilettanten und ewigen Operntextsucher aufgestöbert. Man nannte ihn "Prinz Narziß", weil der etwa Vierzigjährige ein eitler, ganz in sich versunkener Mann war. Er war ein Angehöriger derselben fürstlichen Familie, zu welcher Gräfin Treuenfels gehörte. Aber auch er schien aus der Art geschlagen. Während die Raudens alle zum Militär übergingen und als Reiter, Attakenführer, selbst Brigadechefs einen ungewöhnlichen Muth entwickelten, war Fürst Egmont Ziska Prinz von Rüdt und zu Rauden, wie er hieß, zwar auch unter die Fahnen eines nur zwei Drittel souveränen Staates eingetreten, gerieth aber bald die alte Frau, die Müllern, die regelmäßig die Wäsche abholte und im Hinterhause wohnte, Edwinas Großmutter war. Edwina fühlte kalt für die alte Frau und dünkte sich einer Wäscherin nicht blutsverwandt. Ja sie mußte es für eine Bosheit Marloffs, ihres Nährvaters, halten, daß er ihr beständig diese Aufpasserin stellte. Aber sie duldete nicht, daß auch die Brennicke die alte Frau geringschätzig behandelte. Sie zwang sie sogar, der anspruchslosen Greisin, einer Frau ganz aus dem Volke, ein gebrauchtes Schmähwort geradezu abzubitten. Fürst Rauden krönte das Gebäude eines Systems, das sich allmälig als gefährlich erwies. Die Hundertthalerscheine verschwanden wie Nichts. Die Regierungsräthin hatte den Prinzen, einen Dilettanten und ewigen Operntextsucher aufgestöbert. Man nannte ihn „Prinz Narziß“, weil der etwa Vierzigjährige ein eitler, ganz in sich versunkener Mann war. Er war ein Angehöriger derselben fürstlichen Familie, zu welcher Gräfin Treuenfels gehörte. Aber auch er schien aus der Art geschlagen. Während die Raudens alle zum Militär übergingen und als Reiter, Attakenführer, selbst Brigadechefs einen ungewöhnlichen Muth entwickelten, war Fürst Egmont Ziska Prinz von Rüdt und zu Rauden, wie er hieß, zwar auch unter die Fahnen eines nur zwei Drittel souveränen Staates eingetreten, gerieth aber bald <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="85"/> die alte Frau, die Müllern, die regelmäßig die Wäsche abholte und im Hinterhause wohnte, Edwinas Großmutter war. Edwina fühlte kalt für die alte Frau und dünkte sich einer Wäscherin nicht blutsverwandt. Ja sie mußte es für eine Bosheit Marloffs, ihres Nährvaters, halten, daß er ihr beständig diese Aufpasserin stellte. Aber sie duldete nicht, daß auch die Brennicke die alte Frau geringschätzig behandelte. Sie zwang sie sogar, der anspruchslosen Greisin, einer Frau ganz aus dem Volke, ein gebrauchtes Schmähwort geradezu abzubitten.</p> <p>Fürst Rauden krönte das Gebäude eines Systems, das sich allmälig als gefährlich erwies. Die Hundertthalerscheine verschwanden wie Nichts. Die Regierungsräthin hatte den Prinzen, einen Dilettanten und ewigen Operntextsucher aufgestöbert. Man nannte ihn „Prinz Narziß“, weil der etwa Vierzigjährige ein eitler, ganz in sich versunkener Mann war. Er war ein Angehöriger derselben fürstlichen Familie, zu welcher Gräfin Treuenfels gehörte. Aber auch er schien aus der Art geschlagen. Während die Raudens alle zum Militär übergingen und als Reiter, Attakenführer, selbst Brigadechefs einen ungewöhnlichen Muth entwickelten, war Fürst Egmont Ziska <ref xml:id="TEXTPrinzBISStaates" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLPrinzBISStaates">Prinz von Rüdt und zu Rauden, wie er hieß, zwar auch unter die Fahnen eines nur zwei Drittel souveränen Staates</ref> eingetreten, gerieth aber bald </p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0091]
die alte Frau, die Müllern, die regelmäßig die Wäsche abholte und im Hinterhause wohnte, Edwinas Großmutter war. Edwina fühlte kalt für die alte Frau und dünkte sich einer Wäscherin nicht blutsverwandt. Ja sie mußte es für eine Bosheit Marloffs, ihres Nährvaters, halten, daß er ihr beständig diese Aufpasserin stellte. Aber sie duldete nicht, daß auch die Brennicke die alte Frau geringschätzig behandelte. Sie zwang sie sogar, der anspruchslosen Greisin, einer Frau ganz aus dem Volke, ein gebrauchtes Schmähwort geradezu abzubitten.
Fürst Rauden krönte das Gebäude eines Systems, das sich allmälig als gefährlich erwies. Die Hundertthalerscheine verschwanden wie Nichts. Die Regierungsräthin hatte den Prinzen, einen Dilettanten und ewigen Operntextsucher aufgestöbert. Man nannte ihn „Prinz Narziß“, weil der etwa Vierzigjährige ein eitler, ganz in sich versunkener Mann war. Er war ein Angehöriger derselben fürstlichen Familie, zu welcher Gräfin Treuenfels gehörte. Aber auch er schien aus der Art geschlagen. Während die Raudens alle zum Militär übergingen und als Reiter, Attakenführer, selbst Brigadechefs einen ungewöhnlichen Muth entwickelten, war Fürst Egmont Ziska Prinz von Rüdt und zu Rauden, wie er hieß, zwar auch unter die Fahnen eines nur zwei Drittel souveränen Staates eingetreten, gerieth aber bald
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/91>, abgerufen am 16.02.2025. |