Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Pension von ihrem seligen Regierungsrath ist gottsjämmerlich klein. Genug, Frau Regierungsrath Brennicke hat die Anzeige gelesen, mir geschrieben -" Aber Mutter, war Sascha eingefallen, als die Mutter ihren Brief schrieb und die Töchter diesen zu lesen wünschten: Du hast ja die Dame in zehn Jahren nicht gesehen! Zerline meinte: Wie kann sich die verändert haben! Der Mutter stand aber die Dame aus Neuvorpommern ganz so vor Augen, wie ihr diese einst auf der "schinnigen Platte" in der Schweiz begegnet war. Die Berge ringsum, die mächtigen Tannen, die Arven, das Heerdengeläut, das göttliche Interlaken, der Kuhreigen - Alles das - Kinder, rief die starkwillige begeisterte Frau, was Ihr mir den Kopf verrückt! Die Brennicke muß sie nehmen! Es ist eine vornehme Frau, von Verstand, von Bildung! Ihr werdet staunen und mich nicht irremachen -! Edwina bekam denn endlich den vollendeten Brief und belachte Vieles darin. Der Engel aus der Palissadenstraße fuhr sofort zur Frau Justizräthin, sagte ihr innigsten Dank und setzte mit ihren schönen schwarzen Augenwimpern blinzelnd hinzu: Lassen Sie sie getrost kommen! Ich will mich unbesehen von ihr bemuttern lassen! Für unsere Eltern können wir ja überhaupt nicht -! Pension von ihrem seligen Regierungsrath ist gottsjämmerlich klein. Genug, Frau Regierungsrath Brennicke hat die Anzeige gelesen, mir geschrieben –“ Aber Mutter, war Sascha eingefallen, als die Mutter ihren Brief schrieb und die Töchter diesen zu lesen wünschten: Du hast ja die Dame in zehn Jahren nicht gesehen! Zerline meinte: Wie kann sich die verändert haben! Der Mutter stand aber die Dame aus Neuvorpommern ganz so vor Augen, wie ihr diese einst auf der „schinnigen Platte“ in der Schweiz begegnet war. Die Berge ringsum, die mächtigen Tannen, die Arven, das Heerdengeläut, das göttliche Interlaken, der Kuhreigen – Alles das – Kinder, rief die starkwillige begeisterte Frau, was Ihr mir den Kopf verrückt! Die Brennicke muß sie nehmen! Es ist eine vornehme Frau, von Verstand, von Bildung! Ihr werdet staunen und mich nicht irremachen –! Edwina bekam denn endlich den vollendeten Brief und belachte Vieles darin. Der Engel aus der Palissadenstraße fuhr sofort zur Frau Justizräthin, sagte ihr innigsten Dank und setzte mit ihren schönen schwarzen Augenwimpern blinzelnd hinzu: Lassen Sie sie getrost kommen! Ich will mich unbesehen von ihr bemuttern lassen! Für unsere Eltern können wir ja überhaupt nicht –! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084" n="78"/> Pension von ihrem seligen Regierungsrath ist gottsjämmerlich klein. Genug, Frau Regierungsrath Brennicke hat die Anzeige gelesen, mir geschrieben –“</p> <p>Aber Mutter, war Sascha eingefallen, als die Mutter ihren Brief schrieb und die Töchter diesen zu lesen wünschten: Du hast ja die Dame in zehn Jahren nicht gesehen!</p> <p>Zerline meinte: Wie kann sich die verändert haben! </p> <p>Der Mutter stand aber die Dame aus Neuvorpommern ganz so vor Augen, wie ihr diese einst <ref xml:id="TEXTaufderBISPlatte" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLaufderBISPlatte">auf der „schinnigen Platte</ref>“ in der Schweiz begegnet war. Die Berge ringsum, die mächtigen Tannen, die <ref xml:id="TEXTArven" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERL Arven ">Arven</ref>, das Heerdengeläut, das göttliche Interlaken, der Kuhreigen – Alles das – Kinder, rief die starkwillige begeisterte Frau, was Ihr mir den Kopf verrückt! Die Brennicke muß sie nehmen! Es ist eine vornehme Frau, von Verstand, von Bildung! Ihr werdet staunen und mich nicht irremachen –!</p> <p>Edwina bekam denn endlich den vollendeten Brief und belachte Vieles darin. Der Engel aus der Palissadenstraße fuhr sofort zur Frau Justizräthin, sagte ihr innigsten Dank und setzte mit ihren schönen schwarzen Augenwimpern blinzelnd hinzu: Lassen Sie sie getrost kommen! Ich will mich unbesehen von ihr bemuttern lassen! Für unsere Eltern können wir ja überhaupt nicht –!</p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0084]
Pension von ihrem seligen Regierungsrath ist gottsjämmerlich klein. Genug, Frau Regierungsrath Brennicke hat die Anzeige gelesen, mir geschrieben –“
Aber Mutter, war Sascha eingefallen, als die Mutter ihren Brief schrieb und die Töchter diesen zu lesen wünschten: Du hast ja die Dame in zehn Jahren nicht gesehen!
Zerline meinte: Wie kann sich die verändert haben!
Der Mutter stand aber die Dame aus Neuvorpommern ganz so vor Augen, wie ihr diese einst auf der „schinnigen Platte“ in der Schweiz begegnet war. Die Berge ringsum, die mächtigen Tannen, die Arven, das Heerdengeläut, das göttliche Interlaken, der Kuhreigen – Alles das – Kinder, rief die starkwillige begeisterte Frau, was Ihr mir den Kopf verrückt! Die Brennicke muß sie nehmen! Es ist eine vornehme Frau, von Verstand, von Bildung! Ihr werdet staunen und mich nicht irremachen –!
Edwina bekam denn endlich den vollendeten Brief und belachte Vieles darin. Der Engel aus der Palissadenstraße fuhr sofort zur Frau Justizräthin, sagte ihr innigsten Dank und setzte mit ihren schönen schwarzen Augenwimpern blinzelnd hinzu: Lassen Sie sie getrost kommen! Ich will mich unbesehen von ihr bemuttern lassen! Für unsere Eltern können wir ja überhaupt nicht –!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/84>, abgerufen am 23.07.2024. |