Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

er hätte ihn ganz so aus Neapel mitgebracht, so würden sie dort gefischt, doch nun müßte er auch sofort verzehrt werden. Es geschah dies auch Abends bei Blaumeißels, wobei Plümicke Fisch für nicht Fleisch erklärte und mitmachte. Er hatte gehört, daß sich die schwarzäugige Josefa manchmal nach ihm erkundigte.

Der Graf erfuhr nach und nach von Ottomar die Geständnisse des Pflegevaters Marloff von jenem Abende her. Dafür zeigte er ihm Briefe, die ihm die kalte Verleugnerin ihres Pflegevaters und ihrer Großmutter geschrieben hatte, Auswüchse einer verworrenen Lectüre, Ergebnisse eines schrankenlosen, durch keine Schulung gezügelten Fühlens und Denkens. Da hieß es unter Anderm: "Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich den Namen meines wahren Vaters erfuhr! Ich blickte wie in eine Felsenwand, die sich plötzlich öffnete! Ich sah eine Landschaft voll Lieblichkeit, belebt von tanzenden Elfen! Und dieser Vater nahte sich mir einst und sah auf mich mit Thränen herab. Meine Neigung war Putz, Luxus, elegante Existenz, Diener, denen ich befehlen konnte; eine Bibliothek, diese wäre mir über Alles gegangen, aber mit kostbaren Einbänden. Ich hatte Alles schon so in Ungarn - und diese Wonne bekam ich nun wieder! Doch stellte der Graf die strengsten Bedingungen. Er verlangte von mir den absoluten

er hätte ihn ganz so aus Neapel mitgebracht, so würden sie dort gefischt, doch nun müßte er auch sofort verzehrt werden. Es geschah dies auch Abends bei Blaumeißels, wobei Plümicke Fisch für nicht Fleisch erklärte und mitmachte. Er hatte gehört, daß sich die schwarzäugige Josefa manchmal nach ihm erkundigte.

Der Graf erfuhr nach und nach von Ottomar die Geständnisse des Pflegevaters Marloff von jenem Abende her. Dafür zeigte er ihm Briefe, die ihm die kalte Verleugnerin ihres Pflegevaters und ihrer Großmutter geschrieben hatte, Auswüchse einer verworrenen Lectüre, Ergebnisse eines schrankenlosen, durch keine Schulung gezügelten Fühlens und Denkens. Da hieß es unter Anderm: „Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich den Namen meines wahren Vaters erfuhr! Ich blickte wie in eine Felsenwand, die sich plötzlich öffnete! Ich sah eine Landschaft voll Lieblichkeit, belebt von tanzenden Elfen! Und dieser Vater nahte sich mir einst und sah auf mich mit Thränen herab. Meine Neigung war Putz, Luxus, elegante Existenz, Diener, denen ich befehlen konnte; eine Bibliothek, diese wäre mir über Alles gegangen, aber mit kostbaren Einbänden. Ich hatte Alles schon so in Ungarn – und diese Wonne bekam ich nun wieder! Doch stellte der Graf die strengsten Bedingungen. Er verlangte von mir den absoluten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="61"/>
er hätte ihn ganz so aus Neapel mitgebracht, so würden sie dort gefischt, doch nun müßte er auch sofort verzehrt werden. Es geschah dies auch Abends bei Blaumeißels, wobei Plümicke Fisch für nicht Fleisch erklärte und mitmachte. Er hatte gehört, daß sich die schwarzäugige Josefa manchmal nach ihm erkundigte.</p>
        <p>Der Graf erfuhr nach und nach von Ottomar die Geständnisse des Pflegevaters Marloff von jenem Abende her. Dafür zeigte er ihm Briefe, die ihm die kalte Verleugnerin ihres Pflegevaters und ihrer Großmutter geschrieben hatte, Auswüchse einer verworrenen Lectüre, Ergebnisse eines schrankenlosen, durch keine Schulung gezügelten Fühlens und Denkens. Da hieß es unter Anderm: &#x201E;Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich den Namen meines wahren Vaters erfuhr! Ich blickte wie in eine Felsenwand, die sich plötzlich öffnete! Ich sah eine Landschaft voll Lieblichkeit, belebt von tanzenden Elfen! Und dieser Vater nahte sich mir einst und sah auf mich mit Thränen herab. Meine Neigung war Putz, Luxus, elegante Existenz, Diener, denen ich befehlen konnte; eine Bibliothek, diese wäre mir über Alles gegangen, aber mit kostbaren Einbänden. Ich hatte Alles schon so in Ungarn &#x2013; und diese Wonne bekam ich nun wieder! Doch stellte der Graf die strengsten Bedingungen. Er verlangte von mir den absoluten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0067] er hätte ihn ganz so aus Neapel mitgebracht, so würden sie dort gefischt, doch nun müßte er auch sofort verzehrt werden. Es geschah dies auch Abends bei Blaumeißels, wobei Plümicke Fisch für nicht Fleisch erklärte und mitmachte. Er hatte gehört, daß sich die schwarzäugige Josefa manchmal nach ihm erkundigte. Der Graf erfuhr nach und nach von Ottomar die Geständnisse des Pflegevaters Marloff von jenem Abende her. Dafür zeigte er ihm Briefe, die ihm die kalte Verleugnerin ihres Pflegevaters und ihrer Großmutter geschrieben hatte, Auswüchse einer verworrenen Lectüre, Ergebnisse eines schrankenlosen, durch keine Schulung gezügelten Fühlens und Denkens. Da hieß es unter Anderm: „Denken Sie sich mein Erstaunen, als ich den Namen meines wahren Vaters erfuhr! Ich blickte wie in eine Felsenwand, die sich plötzlich öffnete! Ich sah eine Landschaft voll Lieblichkeit, belebt von tanzenden Elfen! Und dieser Vater nahte sich mir einst und sah auf mich mit Thränen herab. Meine Neigung war Putz, Luxus, elegante Existenz, Diener, denen ich befehlen konnte; eine Bibliothek, diese wäre mir über Alles gegangen, aber mit kostbaren Einbänden. Ich hatte Alles schon so in Ungarn – und diese Wonne bekam ich nun wieder! Doch stellte der Graf die strengsten Bedingungen. Er verlangte von mir den absoluten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:40:43Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>) (2014-02-19T12:40:43Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/67
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/67>, abgerufen am 22.11.2024.