Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.dann, wenn ich ihm sage, daß der Stoff zu einem der größten Männer des Jahrhunderts in ihm lebt. Nenne ich etwas an ihm genial, so kann ich ihn um den Finger wickeln! Sie würden ihm da nicht einmal eine Unwahrheit sagen! entgegnete Wolny sinnend. Es steckt ja Vieles in ihm! Sprachen Sie noch nicht mit Ihrem Bruder? Er war in der Fabrik! Das Gestrige steht mir noch zu frisch vor Augen - lehnte Martha ab, beschämt niederblickend. Aber verlassen Sie sich, ich halte ihn vielleicht noch oben - lauteten die Worte eines Versuchs des Emporraffens beim Abschied. Sie sind edel - sagte Wolny träumerisch. Egoistisch! entgegnete Martha, gezwungen lächelnd. Mein Edelmuth ist Egoismus! Oder glauben Sie nicht auch, Herr Wolny, daß auch wir in der Achtung der Menschen Einbuße erleiden, wenn unsere Angehörigen uns durch schlechte Aufführung compromittiren? Nur bei oberflächlichen Menschen! lehnte Wolny entschieden ab. Aber auf die Meinung der oberflächlichen Menschen muß ja leider unser ganzes Leben gegründet sein! sagte das erfahrene, weltkluge Mädchen seufzend. Welche Thorheit wäre es, erst auf die Berichtigung derselben durch die Einsichtsvollen warten zu wollen! dann, wenn ich ihm sage, daß der Stoff zu einem der größten Männer des Jahrhunderts in ihm lebt. Nenne ich etwas an ihm genial, so kann ich ihn um den Finger wickeln! Sie würden ihm da nicht einmal eine Unwahrheit sagen! entgegnete Wolny sinnend. Es steckt ja Vieles in ihm! Sprachen Sie noch nicht mit Ihrem Bruder? Er war in der Fabrik! Das Gestrige steht mir noch zu frisch vor Augen – lehnte Martha ab, beschämt niederblickend. Aber verlassen Sie sich, ich halte ihn vielleicht noch oben – lauteten die Worte eines Versuchs des Emporraffens beim Abschied. Sie sind edel – sagte Wolny träumerisch. Egoistisch! entgegnete Martha, gezwungen lächelnd. Mein Edelmuth ist Egoismus! Oder glauben Sie nicht auch, Herr Wolny, daß auch wir in der Achtung der Menschen Einbuße erleiden, wenn unsere Angehörigen uns durch schlechte Aufführung compromittiren? Nur bei oberflächlichen Menschen! lehnte Wolny entschieden ab. Aber auf die Meinung der oberflächlichen Menschen muß ja leider unser ganzes Leben gegründet sein! sagte das erfahrene, weltkluge Mädchen seufzend. Welche Thorheit wäre es, erst auf die Berichtigung derselben durch die Einsichtsvollen warten zu wollen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="26"/> dann, wenn ich ihm sage, daß der Stoff zu einem der größten Männer des Jahrhunderts in ihm lebt. Nenne ich etwas an ihm genial, so kann ich ihn um den Finger wickeln!</p> <p>Sie würden ihm da nicht einmal eine Unwahrheit sagen! entgegnete Wolny sinnend. Es steckt ja Vieles in ihm! Sprachen Sie noch nicht mit Ihrem Bruder? Er war in der Fabrik!</p> <p>Das Gestrige steht mir noch zu frisch vor Augen – lehnte Martha ab, beschämt niederblickend. Aber verlassen Sie sich, ich halte ihn vielleicht noch oben – lauteten die Worte eines Versuchs des Emporraffens beim Abschied.</p> <p>Sie sind edel – sagte Wolny träumerisch. </p> <p>Egoistisch! entgegnete Martha, gezwungen lächelnd. Mein Edelmuth ist Egoismus! Oder glauben Sie nicht auch, Herr Wolny, daß auch wir in der Achtung der Menschen Einbuße erleiden, wenn unsere Angehörigen uns durch schlechte Aufführung compromittiren?</p> <p>Nur bei oberflächlichen Menschen! lehnte Wolny entschieden ab.</p> <p>Aber auf die Meinung der oberflächlichen Menschen muß ja leider unser ganzes Leben gegründet sein! sagte das erfahrene, weltkluge Mädchen seufzend. Welche Thorheit wäre es, erst auf die Berichtigung derselben durch die Einsichtsvollen warten zu wollen!</p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0032]
dann, wenn ich ihm sage, daß der Stoff zu einem der größten Männer des Jahrhunderts in ihm lebt. Nenne ich etwas an ihm genial, so kann ich ihn um den Finger wickeln!
Sie würden ihm da nicht einmal eine Unwahrheit sagen! entgegnete Wolny sinnend. Es steckt ja Vieles in ihm! Sprachen Sie noch nicht mit Ihrem Bruder? Er war in der Fabrik!
Das Gestrige steht mir noch zu frisch vor Augen – lehnte Martha ab, beschämt niederblickend. Aber verlassen Sie sich, ich halte ihn vielleicht noch oben – lauteten die Worte eines Versuchs des Emporraffens beim Abschied.
Sie sind edel – sagte Wolny träumerisch.
Egoistisch! entgegnete Martha, gezwungen lächelnd. Mein Edelmuth ist Egoismus! Oder glauben Sie nicht auch, Herr Wolny, daß auch wir in der Achtung der Menschen Einbuße erleiden, wenn unsere Angehörigen uns durch schlechte Aufführung compromittiren?
Nur bei oberflächlichen Menschen! lehnte Wolny entschieden ab.
Aber auf die Meinung der oberflächlichen Menschen muß ja leider unser ganzes Leben gegründet sein! sagte das erfahrene, weltkluge Mädchen seufzend. Welche Thorheit wäre es, erst auf die Berichtigung derselben durch die Einsichtsvollen warten zu wollen!
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