Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.diese Rechtstitel, die Jahre ausgenommen. Du hast ja immer nur gefunden, was Du finden wolltest, Mama! konnte diese einzigste, wahrheitsanstrebende Tochter sagen, und wenn es sich um Vorkommnisse im Schlosse handelte, so hieß es wohl: Du hast ja weder in der Reform des Küchenwesens, noch in der Kunst, alte Schildereien aufzufrischen, irgend je eine Erfahrung gehabt! So gab es im Zimmer, in der Küche, in den Corridoren, im Salon nach dieser Richtung hin Nichts als Fehden. Das ungeduldige Temperament der Generalin ließ ihr nicht lange Ruhe an einem und demselben Orte. Die Pferde mußten fast immer angespannt stehen. Die Gegend wollte sie bereisen, immer neue Eindrücke gewinnen. Vollends gerieth sie in Unruhe, als sie von den großen Verlusten ihres Sohnes hörte, von seinem dreitägigen Arreste wegen "Religionsstörung", und ihm mit Rath und That dringend nöthig zu sein glaubte. Mutter, beim Rechnen wirst Du ihn am allermeisten stören! Rechnen ist nie Deine starke Seite gewesen! sagte Ada mit der ihr eignen Trockenheit im Ton, der aber keine Absicht, verletzen zu wollen, verrieth. Geld konnte ihm die Generalin nicht mitbringen. Ihre Pension von einem Duodezstaat war bemessen. Es war kein Geheimniß, daß sie auf die Verabredung zwischen ihrem seligen Gatten und dem Manne, der ihn getödtet hatte, diese Rechtstitel, die Jahre ausgenommen. Du hast ja immer nur gefunden, was Du finden wolltest, Mama! konnte diese einzigste, wahrheitsanstrebende Tochter sagen, und wenn es sich um Vorkommnisse im Schlosse handelte, so hieß es wohl: Du hast ja weder in der Reform des Küchenwesens, noch in der Kunst, alte Schildereien aufzufrischen, irgend je eine Erfahrung gehabt! So gab es im Zimmer, in der Küche, in den Corridoren, im Salon nach dieser Richtung hin Nichts als Fehden. Das ungeduldige Temperament der Generalin ließ ihr nicht lange Ruhe an einem und demselben Orte. Die Pferde mußten fast immer angespannt stehen. Die Gegend wollte sie bereisen, immer neue Eindrücke gewinnen. Vollends gerieth sie in Unruhe, als sie von den großen Verlusten ihres Sohnes hörte, von seinem dreitägigen Arreste wegen „Religionsstörung“, und ihm mit Rath und That dringend nöthig zu sein glaubte. Mutter, beim Rechnen wirst Du ihn am allermeisten stören! Rechnen ist nie Deine starke Seite gewesen! sagte Ada mit der ihr eignen Trockenheit im Ton, der aber keine Absicht, verletzen zu wollen, verrieth. Geld konnte ihm die Generalin nicht mitbringen. Ihre Pension von einem Duodezstaat war bemessen. Es war kein Geheimniß, daß sie auf die Verabredung zwischen ihrem seligen Gatten und dem Manne, der ihn getödtet hatte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="275"/> diese Rechtstitel, die Jahre ausgenommen. Du hast ja immer nur gefunden, was Du finden wolltest, Mama! konnte diese einzigste, wahrheitsanstrebende Tochter sagen, und wenn es sich um Vorkommnisse im Schlosse handelte, so hieß es wohl: Du hast ja weder in der Reform des Küchenwesens, noch in der Kunst, alte Schildereien aufzufrischen, irgend je eine Erfahrung gehabt! So gab es im Zimmer, in der Küche, in den Corridoren, im Salon nach dieser Richtung hin Nichts als Fehden. Das ungeduldige Temperament der Generalin ließ ihr nicht lange Ruhe an einem und demselben Orte. Die Pferde mußten fast immer angespannt stehen. Die Gegend wollte sie bereisen, immer neue Eindrücke gewinnen. Vollends gerieth sie in Unruhe, als sie von den großen Verlusten ihres Sohnes hörte, von seinem dreitägigen Arreste wegen „Religionsstörung“, und ihm mit Rath und That dringend nöthig zu sein glaubte. Mutter, beim Rechnen wirst Du ihn am allermeisten stören! Rechnen ist nie Deine starke Seite gewesen! sagte Ada mit der ihr eignen Trockenheit im Ton, der aber keine Absicht, verletzen zu wollen, verrieth. Geld konnte ihm die Generalin nicht mitbringen. <ref xml:id="TEXTIhreBISDuodezstaat" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLIhreBISDuodezstaat">Ihre Pension von einem Duodezstaat</ref> war bemessen. Es war kein Geheimniß, daß sie auf die Verabredung zwischen ihrem seligen Gatten und dem Manne, der ihn getödtet hatte, </p> </div> </body> </text> </TEI> [275/0281]
diese Rechtstitel, die Jahre ausgenommen. Du hast ja immer nur gefunden, was Du finden wolltest, Mama! konnte diese einzigste, wahrheitsanstrebende Tochter sagen, und wenn es sich um Vorkommnisse im Schlosse handelte, so hieß es wohl: Du hast ja weder in der Reform des Küchenwesens, noch in der Kunst, alte Schildereien aufzufrischen, irgend je eine Erfahrung gehabt! So gab es im Zimmer, in der Küche, in den Corridoren, im Salon nach dieser Richtung hin Nichts als Fehden. Das ungeduldige Temperament der Generalin ließ ihr nicht lange Ruhe an einem und demselben Orte. Die Pferde mußten fast immer angespannt stehen. Die Gegend wollte sie bereisen, immer neue Eindrücke gewinnen. Vollends gerieth sie in Unruhe, als sie von den großen Verlusten ihres Sohnes hörte, von seinem dreitägigen Arreste wegen „Religionsstörung“, und ihm mit Rath und That dringend nöthig zu sein glaubte. Mutter, beim Rechnen wirst Du ihn am allermeisten stören! Rechnen ist nie Deine starke Seite gewesen! sagte Ada mit der ihr eignen Trockenheit im Ton, der aber keine Absicht, verletzen zu wollen, verrieth. Geld konnte ihm die Generalin nicht mitbringen. Ihre Pension von einem Duodezstaat war bemessen. Es war kein Geheimniß, daß sie auf die Verabredung zwischen ihrem seligen Gatten und dem Manne, der ihn getödtet hatte,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/281>, abgerufen am 23.07.2024. |