Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.an Einheit. Will man in der Kunst, wie Meister Triesel will, Alles in die Correctheit zusammenfassen, so wäre das so übel nicht: Die Ideen denken sich selbst! Wir sind nur die dienenden Organe derselben! Die letzte große Idee, die wir gehabt haben, war der Liberalismus. Der ist jetzt so gemein geworden, so wohlfeil, wie die Brombeeren! Sogar die Conservativen sind liberal! Alle Beherrscher auf den Thronen sind liberal! Was kommt nun -? Ich sehe wirklich keinen einzigen neuen herrschenden Weltgedanken! Leichenverbrennung -! ging es durcheinander. Affenabstammung -! Der Mensch eine Maschine -! Die Unsterblichkeit Köhlerglaube -! Die Herren gingen auf Nichts mit besonderem Interesse ein, sondern ließen dem Stadtrath Pfifferling Zeit, die Bresche, die er mit einem einschneidenden: Ich bitte um's Wort! legte, zu erweitern. Er milderte das Durcheinander, indem er sagte: Meine Herren! Die ungeheure Dehnbarkeit der Idee des deutschen Reiches ist allerdings kein Spaß! Denken Sie, ein ganzes Volk, ein Volk in allen seinen Schichten, in allen seinen Beziehungen, an dieser steten Nothwendigkeit, nach Moltkes Meinung bis in's zwanzigste Jahrhundert, immer auf Posten zu stehen - es ist eine schreckliche, an Einheit. Will man in der Kunst, wie Meister Triesel will, Alles in die Correctheit zusammenfassen, so wäre das so übel nicht: Die Ideen denken sich selbst! Wir sind nur die dienenden Organe derselben! Die letzte große Idee, die wir gehabt haben, war der Liberalismus. Der ist jetzt so gemein geworden, so wohlfeil, wie die Brombeeren! Sogar die Conservativen sind liberal! Alle Beherrscher auf den Thronen sind liberal! Was kommt nun –? Ich sehe wirklich keinen einzigen neuen herrschenden Weltgedanken! Leichenverbrennung –! ging es durcheinander. Affenabstammung –! Der Mensch eine Maschine –! Die Unsterblichkeit Köhlerglaube –! Die Herren gingen auf Nichts mit besonderem Interesse ein, sondern ließen dem Stadtrath Pfifferling Zeit, die Bresche, die er mit einem einschneidenden: Ich bitte um’s Wort! legte, zu erweitern. Er milderte das Durcheinander, indem er sagte: Meine Herren! Die ungeheure Dehnbarkeit der Idee des deutschen Reiches ist allerdings kein Spaß! Denken Sie, ein ganzes Volk, ein Volk in allen seinen Schichten, in allen seinen Beziehungen, an dieser steten Nothwendigkeit, nach Moltkes Meinung bis in’s zwanzigste Jahrhundert, immer auf Posten zu stehen – es ist eine schreckliche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="200"/> an Einheit. Will man in der Kunst, wie Meister Triesel will, Alles in die Correctheit zusammenfassen, so wäre das so übel nicht: Die Ideen denken sich selbst! Wir sind nur die dienenden Organe derselben! Die letzte große Idee, die wir gehabt haben, war der Liberalismus. Der ist jetzt so gemein geworden, so wohlfeil, wie die Brombeeren! Sogar die Conservativen sind liberal! Alle Beherrscher auf den Thronen sind liberal! Was kommt nun –? Ich sehe wirklich keinen einzigen neuen herrschenden Weltgedanken!</p> <p><ref xml:id="TEXTLeichenverbrennung" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLLeichenverbrennung">Leichenverbrennung</ref> –! ging es durcheinander.</p> <p><ref xml:id="TEXTAffenabstammung" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLAffenabstammung">Affenabstammung</ref> –!</p> <p><ref xml:id="TEXTDerMenscheineMaschine" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLDerMenscheineMaschine">Der Mensch eine Maschine</ref> –!</p> <p>Die Unsterblichkeit Köhlerglaube –!</p> <p>Die Herren gingen auf Nichts mit besonderem Interesse ein, sondern ließen dem Stadtrath Pfifferling Zeit, die Bresche, die er mit einem einschneidenden: Ich bitte um’s Wort! legte, zu erweitern. Er milderte das Durcheinander, indem er sagte: Meine Herren! Die ungeheure Dehnbarkeit der Idee des deutschen Reiches ist allerdings kein Spaß! Denken Sie, ein ganzes Volk, ein Volk in allen seinen Schichten, in allen seinen Beziehungen, an dieser steten <ref xml:id="TEXTNothwendigkeitBISstehen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLNothwendigkeitBISstehen">Nothwendigkeit, nach Moltkes Meinung bis in’s zwanzigste Jahrhundert, immer auf Posten zu stehen</ref> – es ist eine schreckliche, </p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0206]
an Einheit. Will man in der Kunst, wie Meister Triesel will, Alles in die Correctheit zusammenfassen, so wäre das so übel nicht: Die Ideen denken sich selbst! Wir sind nur die dienenden Organe derselben! Die letzte große Idee, die wir gehabt haben, war der Liberalismus. Der ist jetzt so gemein geworden, so wohlfeil, wie die Brombeeren! Sogar die Conservativen sind liberal! Alle Beherrscher auf den Thronen sind liberal! Was kommt nun –? Ich sehe wirklich keinen einzigen neuen herrschenden Weltgedanken!
Leichenverbrennung –! ging es durcheinander.
Affenabstammung –!
Der Mensch eine Maschine –!
Die Unsterblichkeit Köhlerglaube –!
Die Herren gingen auf Nichts mit besonderem Interesse ein, sondern ließen dem Stadtrath Pfifferling Zeit, die Bresche, die er mit einem einschneidenden: Ich bitte um’s Wort! legte, zu erweitern. Er milderte das Durcheinander, indem er sagte: Meine Herren! Die ungeheure Dehnbarkeit der Idee des deutschen Reiches ist allerdings kein Spaß! Denken Sie, ein ganzes Volk, ein Volk in allen seinen Schichten, in allen seinen Beziehungen, an dieser steten Nothwendigkeit, nach Moltkes Meinung bis in’s zwanzigste Jahrhundert, immer auf Posten zu stehen – es ist eine schreckliche,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/206>, abgerufen am 23.07.2024. |