Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Dieterici hatte früher den Humor gehabt, mit seinem Freunde Ottomar diese und ähnliche Controversen durchzusprechen. Heute war ihm trotz der hübschen Mädchen und Frauen, die zugegen waren, aller Spaß vergangen. Sein erster Zornesausbruch fand statt, als die Hebeamme mit ihrem Teller umging und er und Ottomar jeder einen blanken Thaler in diesen unfreiwilligen Sammelfond, den ein Wickelkind von Dragee geformt schmückte, geworfen hatte und die "Person" beim Pathen noch inne hielt, als wäre ein Thaler nicht genug. Die dicke Priesterin Lucinens wurde streng von ihm abgefertigt. Mahlo wollte einen blanken Thaler wechseln und griff so blind in den mit Zwei- und Viergroschenstücken überhäuften Teller hinein, daß die "weise Dame" außer sich gerieth und behauptete, "dieser Herr" hätte weit weniger in den Teller hineingelegt, als herausgenommen. Es war eine Vertrauensfrage. Und all der Lärm in Herrn Doctor Dietericis Studirzimmer! Unter seinem Ulpian, Tribonian und dem subsidiarischen Landrecht! Seine Würde stieg ihm plötzlich so zu Kopfe, daß er selbst, der verstimmte Doctor, das erste Zeichen gab, Mahlo vor die Thüre zu setzen. Es geschah noch nicht. Denn horch! Musik kündigte sich an! Geigen wurden gestimmt! Drei Geigen, eine Flöte und ein Baß waren gekommen, um die Füße zum Tanze zu elektrisiren! Ich beschwöre Dieterici hatte früher den Humor gehabt, mit seinem Freunde Ottomar diese und ähnliche Controversen durchzusprechen. Heute war ihm trotz der hübschen Mädchen und Frauen, die zugegen waren, aller Spaß vergangen. Sein erster Zornesausbruch fand statt, als die Hebeamme mit ihrem Teller umging und er und Ottomar jeder einen blanken Thaler in diesen unfreiwilligen Sammelfond, den ein Wickelkind von Dragée geformt schmückte, geworfen hatte und die „Person“ beim Pathen noch inne hielt, als wäre ein Thaler nicht genug. Die dicke Priesterin Lucinens wurde streng von ihm abgefertigt. Mahlo wollte einen blanken Thaler wechseln und griff so blind in den mit Zwei- und Viergroschenstücken überhäuften Teller hinein, daß die „weise Dame“ außer sich gerieth und behauptete, „dieser Herr“ hätte weit weniger in den Teller hineingelegt, als herausgenommen. Es war eine Vertrauensfrage. Und all der Lärm in Herrn Doctor Dietericis Studirzimmer! Unter seinem Ulpian, Tribonian und dem subsidiarischen Landrecht! Seine Würde stieg ihm plötzlich so zu Kopfe, daß er selbst, der verstimmte Doctor, das erste Zeichen gab, Mahlo vor die Thüre zu setzen. Es geschah noch nicht. Denn horch! Musik kündigte sich an! Geigen wurden gestimmt! Drei Geigen, eine Flöte und ein Baß waren gekommen, um die Füße zum Tanze zu elektrisiren! Ich beschwöre <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="177"/> Dieterici hatte früher den Humor gehabt, mit seinem Freunde Ottomar diese und ähnliche Controversen durchzusprechen. Heute war ihm trotz der hübschen Mädchen und Frauen, die zugegen waren, aller Spaß vergangen. Sein erster Zornesausbruch fand statt, als die Hebeamme mit ihrem Teller umging und er und Ottomar jeder einen blanken Thaler in diesen unfreiwilligen Sammelfond, den ein Wickelkind von <ref xml:id="TEXTDragée" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLDragée">Dragée</ref> geformt schmückte, geworfen hatte und die „Person“ beim Pathen noch inne hielt, als wäre ein Thaler nicht genug. <ref xml:id="TEXTDiedickeBISLucinens" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERL">Die dicke Priesterin Lucinens</ref> wurde streng von ihm abgefertigt. Mahlo wollte einen blanken Thaler wechseln und griff so blind in den mit Zwei- und Viergroschenstücken überhäuften Teller hinein, daß die „weise Dame“ außer sich gerieth und behauptete, „dieser Herr“ hätte weit weniger in den Teller hineingelegt, als herausgenommen. Es war eine Vertrauensfrage. Und all der Lärm in Herrn Doctor Dietericis Studirzimmer! <ref xml:id="TEXTUnterBISLandrecht" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLUnterBISLandrecht">Unter seinem Ulpian, Tribonian und dem subsidiarischen Landrecht</ref>! Seine Würde stieg ihm plötzlich so zu Kopfe, daß er selbst, der verstimmte Doctor, das erste Zeichen gab, Mahlo vor die Thüre zu setzen. Es geschah noch nicht. Denn horch! Musik kündigte sich an! Geigen wurden gestimmt! Drei Geigen, eine Flöte und ein Baß waren gekommen, um die Füße zum Tanze zu elektrisiren! Ich beschwöre </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0183]
Dieterici hatte früher den Humor gehabt, mit seinem Freunde Ottomar diese und ähnliche Controversen durchzusprechen. Heute war ihm trotz der hübschen Mädchen und Frauen, die zugegen waren, aller Spaß vergangen. Sein erster Zornesausbruch fand statt, als die Hebeamme mit ihrem Teller umging und er und Ottomar jeder einen blanken Thaler in diesen unfreiwilligen Sammelfond, den ein Wickelkind von Dragée geformt schmückte, geworfen hatte und die „Person“ beim Pathen noch inne hielt, als wäre ein Thaler nicht genug. Die dicke Priesterin Lucinens wurde streng von ihm abgefertigt. Mahlo wollte einen blanken Thaler wechseln und griff so blind in den mit Zwei- und Viergroschenstücken überhäuften Teller hinein, daß die „weise Dame“ außer sich gerieth und behauptete, „dieser Herr“ hätte weit weniger in den Teller hineingelegt, als herausgenommen. Es war eine Vertrauensfrage. Und all der Lärm in Herrn Doctor Dietericis Studirzimmer! Unter seinem Ulpian, Tribonian und dem subsidiarischen Landrecht! Seine Würde stieg ihm plötzlich so zu Kopfe, daß er selbst, der verstimmte Doctor, das erste Zeichen gab, Mahlo vor die Thüre zu setzen. Es geschah noch nicht. Denn horch! Musik kündigte sich an! Geigen wurden gestimmt! Drei Geigen, eine Flöte und ein Baß waren gekommen, um die Füße zum Tanze zu elektrisiren! Ich beschwöre
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