Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Schlesier, Micheline, übergetretene, ehemals ultrakatholische Polin, standen da im neuen Glauben. Sie waren ganz damit einverstanden, daß der in der That liebenswürdige Geistliche die Taufe nicht als etwas Geheimnißvolles behandelte, das eine besondere Kraft einflöße, sondern als ein äußeres Zeichen, das nur für die Zeugen einen Werth hätte. Dem Kinde sei der Vorgang ja ganz unverständlich. Die Wiedertäufer, bemerkte der Redner, die eine Wiederholung der Taufe wollen, stellen sich auf den Standpunkt des Wunderglaubens, dem wir abgeschworen haben. Für uns kann kein Wasser, kein Oel mehr geweiht sein! Für uns kann es keine Weihe der Kraft geben, die etwa einem Priester bei seiner Weihe eingeimpft worden wäre! Wie sollte denn durch die Berührung mit einer Hand voll Wasser in uns eine so merkwürdige Bezauberung vor sich gehen? Das sagte er Alles ruhig und verständig. Entging er doch dem Schicksal, das ihn vor dreihundert Jahren für solche Worte auf den Scheiterhaufen gebracht hätte. Ottomar freute sich, seinem Vater Ansichten mittheilen zu können, die sein Alter billigte. Als dann der feierliche Moment erschien, wo Dieterici, der seine Zimmer für diese Festlichkeit hergegeben, das Aeußerste an Aufopferung im Wegräumen seiner Schreibmaterialien, seiner Falzbeine, Radirmesser und Stahlfedern geleistet hatte, von der Hebeamme den schreienden Schlesier, Micheline, übergetretene, ehemals ultrakatholische Polin, standen da im neuen Glauben. Sie waren ganz damit einverstanden, daß der in der That liebenswürdige Geistliche die Taufe nicht als etwas Geheimnißvolles behandelte, das eine besondere Kraft einflöße, sondern als ein äußeres Zeichen, das nur für die Zeugen einen Werth hätte. Dem Kinde sei der Vorgang ja ganz unverständlich. Die Wiedertäufer, bemerkte der Redner, die eine Wiederholung der Taufe wollen, stellen sich auf den Standpunkt des Wunderglaubens, dem wir abgeschworen haben. Für uns kann kein Wasser, kein Oel mehr geweiht sein! Für uns kann es keine Weihe der Kraft geben, die etwa einem Priester bei seiner Weihe eingeimpft worden wäre! Wie sollte denn durch die Berührung mit einer Hand voll Wasser in uns eine so merkwürdige Bezauberung vor sich gehen? Das sagte er Alles ruhig und verständig. Entging er doch dem Schicksal, das ihn vor dreihundert Jahren für solche Worte auf den Scheiterhaufen gebracht hätte. Ottomar freute sich, seinem Vater Ansichten mittheilen zu können, die sein Alter billigte. Als dann der feierliche Moment erschien, wo Dieterici, der seine Zimmer für diese Festlichkeit hergegeben, das Aeußerste an Aufopferung im Wegräumen seiner Schreibmaterialien, seiner Falzbeine, Radirmesser und Stahlfedern geleistet hatte, von der Hebeamme den schreienden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0171" n="165"/> Schlesier, Micheline, übergetretene, ehemals ultrakatholische Polin, standen da im neuen Glauben. Sie waren ganz damit einverstanden, daß der in der That liebenswürdige Geistliche die Taufe nicht als etwas Geheimnißvolles behandelte, das eine besondere Kraft einflöße, sondern als ein äußeres Zeichen, das nur für die Zeugen einen Werth hätte. Dem Kinde sei der Vorgang ja ganz unverständlich. Die Wiedertäufer, bemerkte der Redner, die eine Wiederholung der Taufe wollen, stellen sich auf den Standpunkt des Wunderglaubens, dem wir abgeschworen haben. Für uns kann kein Wasser, kein Oel mehr geweiht sein! Für uns kann es keine Weihe der Kraft geben, die etwa einem Priester bei seiner Weihe eingeimpft worden wäre! Wie sollte denn durch die Berührung mit einer Hand voll Wasser in uns eine so merkwürdige Bezauberung vor sich gehen? Das sagte er Alles ruhig und verständig. Entging er doch dem Schicksal, das ihn <ref xml:id="TEXTvordreihundertBISScheiterhaufen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLvordreihundertBISScheiterhaufen">vor dreihundert Jahren für solche Worte auf den Scheiterhaufen</ref> gebracht hätte. Ottomar freute sich, seinem Vater Ansichten mittheilen zu können, die sein Alter billigte.</p> <p>Als dann der feierliche Moment erschien, wo Dieterici, der seine Zimmer für diese Festlichkeit hergegeben, das Aeußerste an Aufopferung im Wegräumen seiner Schreibmaterialien, seiner Falzbeine, Radirmesser und Stahlfedern geleistet hatte, von der Hebeamme den schreienden </p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0171]
Schlesier, Micheline, übergetretene, ehemals ultrakatholische Polin, standen da im neuen Glauben. Sie waren ganz damit einverstanden, daß der in der That liebenswürdige Geistliche die Taufe nicht als etwas Geheimnißvolles behandelte, das eine besondere Kraft einflöße, sondern als ein äußeres Zeichen, das nur für die Zeugen einen Werth hätte. Dem Kinde sei der Vorgang ja ganz unverständlich. Die Wiedertäufer, bemerkte der Redner, die eine Wiederholung der Taufe wollen, stellen sich auf den Standpunkt des Wunderglaubens, dem wir abgeschworen haben. Für uns kann kein Wasser, kein Oel mehr geweiht sein! Für uns kann es keine Weihe der Kraft geben, die etwa einem Priester bei seiner Weihe eingeimpft worden wäre! Wie sollte denn durch die Berührung mit einer Hand voll Wasser in uns eine so merkwürdige Bezauberung vor sich gehen? Das sagte er Alles ruhig und verständig. Entging er doch dem Schicksal, das ihn vor dreihundert Jahren für solche Worte auf den Scheiterhaufen gebracht hätte. Ottomar freute sich, seinem Vater Ansichten mittheilen zu können, die sein Alter billigte.
Als dann der feierliche Moment erschien, wo Dieterici, der seine Zimmer für diese Festlichkeit hergegeben, das Aeußerste an Aufopferung im Wegräumen seiner Schreibmaterialien, seiner Falzbeine, Radirmesser und Stahlfedern geleistet hatte, von der Hebeamme den schreienden
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