Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Entsetzen ergriff ihn. Die Thränen standen ihm im Auge. Nach langem Suchen wurde sie in Krajowa gefunden und in dem Augenblick, wo die Baronin Ugarti wegen verdächtigen Verkehrs mit den Paschas von Sarajowo und Skutari verhaftet und processirt wurde -! Ottomar seufzte: Isis und Osiris, laßt eure Schleier sinken -! Man wird zu Schillers Jüngling von Sais! Edwina, fast schon voll entwickelt, fuhr Marloff fort, wurde in eine Schweizerpension von mir gebracht, wo sie äußerst streng gehütet wurde und auch Anfangs tüchtig lernte. Die Berichte lauteten auch günstig. Aber schon nach zwei Jahren erschien sie plötzlich bei mir! Ganz ungerufen, ganz selbstständig durch die Schweiz und Deutschland gereist! Sie erklärte mir rundweg, die Lebensweise, die ich führte, würde sie nicht mitmachen! Im Laufe ihrer mit unglaublicher Sicherheit vorgebrachten Erzählung, die sie immer französisch sprechend und mit französischen Witzen unterbrach, kam auch die Mittheilung, die Ugarti hätte ihre Strafe abgebüßt. Die Dame wäre eine liebe Person, nur verleumdet, verhetzt von Feinden, kurz, ich sah keine Rettung, als den Grafen um Hülfe zu rufen und sie mit diesem zusammenzuführen. Die Enthüllung, daß sie des Grafen Tochter sei, machte einen fast feierlichen, ich möchte sagen, religiösen Eindruck auf sie! Sie weinte, sie sank vor ihm Entsetzen ergriff ihn. Die Thränen standen ihm im Auge. Nach langem Suchen wurde sie in Krajowa gefunden und in dem Augenblick, wo die Baronin Ugarti wegen verdächtigen Verkehrs mit den Paschas von Sarajowo und Skutari verhaftet und processirt wurde –! Ottomar seufzte: Isis und Osiris, laßt eure Schleier sinken –! Man wird zu Schillers Jüngling von Sais! Edwina, fast schon voll entwickelt, fuhr Marloff fort, wurde in eine Schweizerpension von mir gebracht, wo sie äußerst streng gehütet wurde und auch Anfangs tüchtig lernte. Die Berichte lauteten auch günstig. Aber schon nach zwei Jahren erschien sie plötzlich bei mir! Ganz ungerufen, ganz selbstständig durch die Schweiz und Deutschland gereist! Sie erklärte mir rundweg, die Lebensweise, die ich führte, würde sie nicht mitmachen! Im Laufe ihrer mit unglaublicher Sicherheit vorgebrachten Erzählung, die sie immer französisch sprechend und mit französischen Witzen unterbrach, kam auch die Mittheilung, die Ugarti hätte ihre Strafe abgebüßt. Die Dame wäre eine liebe Person, nur verleumdet, verhetzt von Feinden, kurz, ich sah keine Rettung, als den Grafen um Hülfe zu rufen und sie mit diesem zusammenzuführen. Die Enthüllung, daß sie des Grafen Tochter sei, machte einen fast feierlichen, ich möchte sagen, religiösen Eindruck auf sie! Sie weinte, sie sank vor ihm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="10"/> Entsetzen ergriff ihn. Die Thränen standen ihm im Auge. Nach langem Suchen wurde sie in Krajowa gefunden und in dem Augenblick, wo die Baronin Ugarti <ref xml:id="TEXTwegenverdaechtigenBISSkutari" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLwegenverdaechtigenBISSkutari"> wegen verdächtigen Verkehrs mit den Paschas von Sarajowo und Skutari</ref> verhaftet und processirt wurde –!</p> <p>Ottomar seufzte: <ref xml:id="TEXTIsisBISSais " type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLIsisBISSais ">Isis und Osiris, laßt eure Schleier sinken –! Man wird zu Schillers Jüngling von Sais</ref>!</p> <p>Edwina, fast schon voll entwickelt, fuhr Marloff fort, wurde in eine Schweizerpension von mir gebracht, wo sie äußerst streng gehütet wurde und auch Anfangs tüchtig lernte. Die Berichte lauteten auch günstig. Aber schon nach zwei Jahren erschien sie plötzlich bei mir! Ganz ungerufen, ganz selbstständig durch die Schweiz und Deutschland gereist! Sie erklärte mir rundweg, die Lebensweise, die ich führte, würde sie nicht mitmachen! Im Laufe ihrer mit unglaublicher Sicherheit vorgebrachten Erzählung, die sie immer französisch sprechend und mit französischen Witzen unterbrach, kam auch die Mittheilung, die Ugarti hätte ihre Strafe abgebüßt. Die Dame wäre eine liebe Person, nur verleumdet, verhetzt von Feinden, kurz, ich sah keine Rettung, als den Grafen um Hülfe zu rufen und sie mit diesem zusammenzuführen. Die Enthüllung, daß sie des Grafen Tochter sei, machte einen fast feierlichen, ich möchte sagen, religiösen Eindruck auf sie! Sie weinte, sie sank vor ihm </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0016]
Entsetzen ergriff ihn. Die Thränen standen ihm im Auge. Nach langem Suchen wurde sie in Krajowa gefunden und in dem Augenblick, wo die Baronin Ugarti wegen verdächtigen Verkehrs mit den Paschas von Sarajowo und Skutari verhaftet und processirt wurde –!
Ottomar seufzte: Isis und Osiris, laßt eure Schleier sinken –! Man wird zu Schillers Jüngling von Sais!
Edwina, fast schon voll entwickelt, fuhr Marloff fort, wurde in eine Schweizerpension von mir gebracht, wo sie äußerst streng gehütet wurde und auch Anfangs tüchtig lernte. Die Berichte lauteten auch günstig. Aber schon nach zwei Jahren erschien sie plötzlich bei mir! Ganz ungerufen, ganz selbstständig durch die Schweiz und Deutschland gereist! Sie erklärte mir rundweg, die Lebensweise, die ich führte, würde sie nicht mitmachen! Im Laufe ihrer mit unglaublicher Sicherheit vorgebrachten Erzählung, die sie immer französisch sprechend und mit französischen Witzen unterbrach, kam auch die Mittheilung, die Ugarti hätte ihre Strafe abgebüßt. Die Dame wäre eine liebe Person, nur verleumdet, verhetzt von Feinden, kurz, ich sah keine Rettung, als den Grafen um Hülfe zu rufen und sie mit diesem zusammenzuführen. Die Enthüllung, daß sie des Grafen Tochter sei, machte einen fast feierlichen, ich möchte sagen, religiösen Eindruck auf sie! Sie weinte, sie sank vor ihm
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/16>, abgerufen am 23.07.2024. |