Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Damit wandte in bessrer Laune der Alte seinen lachenden Collegen den Rücken und nahm erst, um in die entlegene Rabe'sche Eisenbahn-Bedarf-Fabrik zu kommen, nach einigem Zu-Fußegehen, das ihn heute nicht trottoirempfindlich machte, einen Fiaker. Im Grunde hatte er, wie auch seine polternde Rede bewies, eine verdrießliche Aufgabe, zu der er sich zwingen, sich sammeln mußte. Die gute Martha, die ihm ein wahrer Engel erschien, weil sie sein geliebtes Kind in gefahrvollster Zeit mit der Umsicht einer eingeübten Krankenwärterin gepflegt und ihm, der Mutter und dem Bruder die herbe Prüfung, eine Typhuskranke zu bedienen, abgenommen hatte, drang auf sein Denkmal, die letzte Ehre, die der Künstler der immerhin merkwürdigen Frau Wolny erweisen sollte. Ein Besuch des alten Wehlisch, der sie kurz vor Wolnys Abreise dringend um die Annahme einer Pension oder einer größeren Summe gebeten hatte, war ohne Erfolg bei ihr gewesen. "Sie hoffte sich schon selbst durchzubringen!" sagte sie. Und einstweilen war sie fast den ganzen Winter bei den Althings wohlgeborgen. Wie wohl that ihr da die Ruhe nach dem Lärm und dem Leben bei der Commerzienräthin! Die Frau war im Zorn gestorben, im Mißmuth über das Elend des Lebens, im grauenvollsten Pessimismus, der den Pastor Siegfried in die größte Verlegenheit brachte, da alle seine Bibel- Damit wandte in bessrer Laune der Alte seinen lachenden Collegen den Rücken und nahm erst, um in die entlegene Rabe’sche Eisenbahn-Bedarf-Fabrik zu kommen, nach einigem Zu-Fußegehen, das ihn heute nicht trottoirempfindlich machte, einen Fiaker. Im Grunde hatte er, wie auch seine polternde Rede bewies, eine verdrießliche Aufgabe, zu der er sich zwingen, sich sammeln mußte. Die gute Martha, die ihm ein wahrer Engel erschien, weil sie sein geliebtes Kind in gefahrvollster Zeit mit der Umsicht einer eingeübten Krankenwärterin gepflegt und ihm, der Mutter und dem Bruder die herbe Prüfung, eine Typhuskranke zu bedienen, abgenommen hatte, drang auf sein Denkmal, die letzte Ehre, die der Künstler der immerhin merkwürdigen Frau Wolny erweisen sollte. Ein Besuch des alten Wehlisch, der sie kurz vor Wolnys Abreise dringend um die Annahme einer Pension oder einer größeren Summe gebeten hatte, war ohne Erfolg bei ihr gewesen. „Sie hoffte sich schon selbst durchzubringen!“ sagte sie. Und einstweilen war sie fast den ganzen Winter bei den Althings wohlgeborgen. Wie wohl that ihr da die Ruhe nach dem Lärm und dem Leben bei der Commerzienräthin! Die Frau war im Zorn gestorben, im Mißmuth über das Elend des Lebens, im grauenvollsten Pessimismus, der den Pastor Siegfried in die größte Verlegenheit brachte, da alle seine Bibel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0116" n="110"/> <p> Damit wandte in bessrer Laune der Alte seinen lachenden Collegen den Rücken und nahm erst, um in die entlegene Rabe’sche Eisenbahn-Bedarf-Fabrik zu kommen, nach einigem Zu-Fußegehen, das ihn heute nicht trottoirempfindlich machte, einen Fiaker. Im Grunde hatte er, wie auch seine polternde Rede bewies, eine verdrießliche Aufgabe, zu der er sich zwingen, sich sammeln mußte. Die gute Martha, die ihm ein wahrer Engel erschien, weil sie sein geliebtes Kind in gefahrvollster Zeit mit der Umsicht einer eingeübten Krankenwärterin gepflegt und ihm, der Mutter und dem Bruder die herbe Prüfung, eine Typhuskranke zu bedienen, abgenommen hatte, drang auf sein Denkmal, die letzte Ehre, die der Künstler der immerhin merkwürdigen Frau Wolny erweisen sollte. Ein Besuch des alten Wehlisch, der sie kurz vor Wolnys Abreise dringend um die Annahme einer Pension oder einer größeren Summe gebeten hatte, war ohne Erfolg bei ihr gewesen. „Sie hoffte sich schon selbst durchzubringen!“ sagte sie. Und einstweilen war sie fast den ganzen Winter bei den Althings wohlgeborgen. Wie wohl that ihr da die Ruhe nach dem Lärm und dem Leben bei der Commerzienräthin! Die Frau war im Zorn gestorben, im Mißmuth über das Elend des Lebens, im grauenvollsten Pessimismus, der den Pastor Siegfried in die größte Verlegenheit brachte, da alle seine Bibel- </p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0116]
Damit wandte in bessrer Laune der Alte seinen lachenden Collegen den Rücken und nahm erst, um in die entlegene Rabe’sche Eisenbahn-Bedarf-Fabrik zu kommen, nach einigem Zu-Fußegehen, das ihn heute nicht trottoirempfindlich machte, einen Fiaker. Im Grunde hatte er, wie auch seine polternde Rede bewies, eine verdrießliche Aufgabe, zu der er sich zwingen, sich sammeln mußte. Die gute Martha, die ihm ein wahrer Engel erschien, weil sie sein geliebtes Kind in gefahrvollster Zeit mit der Umsicht einer eingeübten Krankenwärterin gepflegt und ihm, der Mutter und dem Bruder die herbe Prüfung, eine Typhuskranke zu bedienen, abgenommen hatte, drang auf sein Denkmal, die letzte Ehre, die der Künstler der immerhin merkwürdigen Frau Wolny erweisen sollte. Ein Besuch des alten Wehlisch, der sie kurz vor Wolnys Abreise dringend um die Annahme einer Pension oder einer größeren Summe gebeten hatte, war ohne Erfolg bei ihr gewesen. „Sie hoffte sich schon selbst durchzubringen!“ sagte sie. Und einstweilen war sie fast den ganzen Winter bei den Althings wohlgeborgen. Wie wohl that ihr da die Ruhe nach dem Lärm und dem Leben bei der Commerzienräthin! Die Frau war im Zorn gestorben, im Mißmuth über das Elend des Lebens, im grauenvollsten Pessimismus, der den Pastor Siegfried in die größte Verlegenheit brachte, da alle seine Bibel-
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/116>, abgerufen am 16.02.2025. |