Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Edwina intonirte das Lied: "Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht -" Es will mich Niemand, unterbrach sie sich, den ich mag! verbesserte sie sich schon wieder. Wehmuth und Frivolität gingen in Eins. Sehen Sie nicht zu schwarz, unterbrach Ottomar mit dem Ausdruck des größten Antheils an diesen bei Alledem so vertrauensvollen Mittheilungen und gefesselt durch eine Sphinx, die alle ihre Krallen einzog, plötzlich nur Weib war, ruhig von den nahestehenden Blumentöpfen Blüthen abbrach und diese sich langsam und mit elegischer Betrachtung auf die Brust steckte. Auf das eine Wort Ottomars: Ihre Erfahrungen haben Sie bitter gemacht! ein Wort, das er harmlos gesprochen, fixirte sie ihn blitzschnell. Welche Erfahrungen? sagte sie. Ich bin Realistin. Wir Frauen müssen Realistinnen sein, wenn wir uns überhaupt halten wollen! Die Idealistinnen sind nur Wetterfahnen! Im Alter hin und her geschobene Närrinnen! Doch sind wir nur etwas durch die Männer! Denn das Leben ist zu schwer und die Pflichten sind zu groß! Man muß die Arme in die Seiten stemmen, um durchzukommen. Zum Lachen kommt man nicht mehr! Daß jetzt die Frauen ohne die Männer sich behaupten wollen, giebt einen Hexensabbath! Hat nicht ein gewisser Edwina intonirte das Lied: „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht –“ Es will mich Niemand, unterbrach sie sich, den ich mag! verbesserte sie sich schon wieder. Wehmuth und Frivolität gingen in Eins. Sehen Sie nicht zu schwarz, unterbrach Ottomar mit dem Ausdruck des größten Antheils an diesen bei Alledem so vertrauensvollen Mittheilungen und gefesselt durch eine Sphinx, die alle ihre Krallen einzog, plötzlich nur Weib war, ruhig von den nahestehenden Blumentöpfen Blüthen abbrach und diese sich langsam und mit elegischer Betrachtung auf die Brust steckte. Auf das eine Wort Ottomars: Ihre Erfahrungen haben Sie bitter gemacht! ein Wort, das er harmlos gesprochen, fixirte sie ihn blitzschnell. Welche Erfahrungen? sagte sie. Ich bin Realistin. Wir Frauen müssen Realistinnen sein, wenn wir uns überhaupt halten wollen! Die Idealistinnen sind nur Wetterfahnen! Im Alter hin und her geschobene Närrinnen! Doch sind wir nur etwas durch die Männer! Denn das Leben ist zu schwer und die Pflichten sind zu groß! Man muß die Arme in die Seiten stemmen, um durchzukommen. Zum Lachen kommt man nicht mehr! Daß jetzt die Frauen ohne die Männer sich behaupten wollen, giebt einen Hexensabbath! Hat nicht ein gewisser <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0100" n="94"/> <p> Edwina intonirte das Lied: <ref xml:id="TEXTEsfielBISFruehlingsnacht" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLEsfielBISFruehlingsnacht"> „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht</ref> –“ Es will mich Niemand, unterbrach sie sich, den ich mag! verbesserte sie sich schon wieder. Wehmuth und Frivolität gingen in Eins.</p> <p>Sehen Sie nicht zu schwarz, unterbrach Ottomar mit dem Ausdruck des größten Antheils an diesen bei Alledem so vertrauensvollen Mittheilungen und gefesselt durch eine Sphinx, die alle ihre Krallen einzog, plötzlich nur Weib war, ruhig von den nahestehenden Blumentöpfen Blüthen abbrach und diese sich langsam und mit elegischer Betrachtung auf die Brust steckte.</p> <p>Auf das eine Wort Ottomars: Ihre Erfahrungen haben Sie bitter gemacht! ein Wort, das er harmlos gesprochen, fixirte sie ihn blitzschnell.</p> <p>Welche Erfahrungen? sagte sie. <ref xml:id="TEXTIchbinBISWetterfahnen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLIchbinBISWetterfahnen">Ich bin Realistin. Wir Frauen müssen Realistinnen sein, wenn wir uns überhaupt halten wollen! Die Idealistinnen sind nur Wetterfahnen</ref>! Im Alter hin und her geschobene Närrinnen! Doch sind wir nur etwas durch die Männer! Denn das Leben ist zu schwer und die Pflichten sind zu groß! Man muß die Arme in die Seiten stemmen, um durchzukommen. Zum Lachen kommt man nicht mehr! Daß jetzt die Frauen ohne die Männer sich behaupten wollen, giebt einen <ref xml:id="TEXTHexensabbathBISBreughel" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLHexensabbathBISBreughel">Hexensabbath! Hat nicht ein gewisser </ref></p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
Edwina intonirte das Lied: „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht –“ Es will mich Niemand, unterbrach sie sich, den ich mag! verbesserte sie sich schon wieder. Wehmuth und Frivolität gingen in Eins.
Sehen Sie nicht zu schwarz, unterbrach Ottomar mit dem Ausdruck des größten Antheils an diesen bei Alledem so vertrauensvollen Mittheilungen und gefesselt durch eine Sphinx, die alle ihre Krallen einzog, plötzlich nur Weib war, ruhig von den nahestehenden Blumentöpfen Blüthen abbrach und diese sich langsam und mit elegischer Betrachtung auf die Brust steckte.
Auf das eine Wort Ottomars: Ihre Erfahrungen haben Sie bitter gemacht! ein Wort, das er harmlos gesprochen, fixirte sie ihn blitzschnell.
Welche Erfahrungen? sagte sie. Ich bin Realistin. Wir Frauen müssen Realistinnen sein, wenn wir uns überhaupt halten wollen! Die Idealistinnen sind nur Wetterfahnen! Im Alter hin und her geschobene Närrinnen! Doch sind wir nur etwas durch die Männer! Denn das Leben ist zu schwer und die Pflichten sind zu groß! Man muß die Arme in die Seiten stemmen, um durchzukommen. Zum Lachen kommt man nicht mehr! Daß jetzt die Frauen ohne die Männer sich behaupten wollen, giebt einen Hexensabbath! Hat nicht ein gewisser
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/100>, abgerufen am 23.07.2024. |