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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

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gethan und gesagt, grade im Alterthum, wo die Leichen verbrannt wurden, hätte sich doch die Bildhauerkunst in einem so überaus blühenden Zustande befunden! Worauf aber der Herr Principal mit dem Bemerken erwiderte, die moderne Bildhauerkunst sei auf den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele begründet. Die Alten hätten diese feste Zuversicht der Christen nicht nöthig gehabt, da die Motive ihrer Kunstpflege in andern Dingen gelegen hätten. Diese letzteren wären nun fast sämmtlich bei uns untergegangen. Kein Gott hätte wahre Kunstliebe in den Zeiten der Barbarei, wie sie gegenwärtig herrschten, wieder heraufbeschwören können! Die Kunstliebe hätte sich immer hinter etwas flüchten müssen, was ihr gleichsam einen nothdürftigen Vorwand zum Existiren gegeben hätte. Das Verbrennen der Leichen nun, hatte Althing gesagt, wird uns ein paar Bestellungen zu Urnen bringen; aber die machen zuletzt die Töpfer aus gebranntem Thon auch. Unserm Hauptverdienst, die Gräber zu schmücken, fehlt mit Leichenverbrennung die Unterlage, die Liebe zur festgehaltenen menschlichen Gestalt. Mit dem Bilde der sofortigen Zerstörung derselben geht unbewußt im Menschen auch das Interesse, diese Gestalt sich in der Erinnerung zu erhalten, verloren. Wenn man nicht glaubt, daß über die Kirchhöfe in stillen Nächten bei Mondenglanz weiße Nebelgestalten wallen, sich um die Leiden der Zurück-

gethan und gesagt, grade im Alterthum, wo die Leichen verbrannt wurden, hätte sich doch die Bildhauerkunst in einem so überaus blühenden Zustande befunden! Worauf aber der Herr Principal mit dem Bemerken erwiderte, die moderne Bildhauerkunst sei auf den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele begründet. Die Alten hätten diese feste Zuversicht der Christen nicht nöthig gehabt, da die Motive ihrer Kunstpflege in andern Dingen gelegen hätten. Diese letzteren wären nun fast sämmtlich bei uns untergegangen. Kein Gott hätte wahre Kunstliebe in den Zeiten der Barbarei, wie sie gegenwärtig herrschten, wieder heraufbeschwören können! Die Kunstliebe hätte sich immer hinter etwas flüchten müssen, was ihr gleichsam einen nothdürftigen Vorwand zum Existiren gegeben hätte. Das Verbrennen der Leichen nun, hatte Althing gesagt, wird uns ein paar Bestellungen zu Urnen bringen; aber die machen zuletzt die Töpfer aus gebranntem Thon auch. Unserm Hauptverdienst, die Gräber zu schmücken, fehlt mit Leichenverbrennung die Unterlage, die Liebe zur festgehaltenen menschlichen Gestalt. Mit dem Bilde der sofortigen Zerstörung derselben geht unbewußt im Menschen auch das Interesse, diese Gestalt sich in der Erinnerung zu erhalten, verloren. Wenn man nicht glaubt, daß über die Kirchhöfe in stillen Nächten bei Mondenglanz weiße Nebelgestalten wallen, sich um die Leiden der Zurück-

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[86/0092] gethan und gesagt, grade im Alterthum, wo die Leichen verbrannt wurden, hätte sich doch die Bildhauerkunst in einem so überaus blühenden Zustande befunden! Worauf aber der Herr Principal mit dem Bemerken erwiderte, die moderne Bildhauerkunst sei auf den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele begründet. Die Alten hätten diese feste Zuversicht der Christen nicht nöthig gehabt, da die Motive ihrer Kunstpflege in andern Dingen gelegen hätten. Diese letzteren wären nun fast sämmtlich bei uns untergegangen. Kein Gott hätte wahre Kunstliebe in den Zeiten der Barbarei, wie sie gegenwärtig herrschten, wieder heraufbeschwören können! Die Kunstliebe hätte sich immer hinter etwas flüchten müssen, was ihr gleichsam einen nothdürftigen Vorwand zum Existiren gegeben hätte. Das Verbrennen der Leichen nun, hatte Althing gesagt, wird uns ein paar Bestellungen zu Urnen bringen; aber die machen zuletzt die Töpfer aus gebranntem Thon auch. Unserm Hauptverdienst, die Gräber zu schmücken, fehlt mit Leichenverbrennung die Unterlage, die Liebe zur festgehaltenen menschlichen Gestalt. Mit dem Bilde der sofortigen Zerstörung derselben geht unbewußt im Menschen auch das Interesse, diese Gestalt sich in der Erinnerung zu erhalten, verloren. Wenn man nicht glaubt, daß über die Kirchhöfe in stillen Nächten bei Mondenglanz weiße Nebelgestalten wallen, sich um die Leiden der Zurück-

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/92>, abgerufen am 23.11.2024.