Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Ottomar schwieg. Sein Schweigen war Widerspruch. Die Verirrung mit jener Frau - das Räthsel muß sich lösen. Ottomar besaß nun den Brief des ehrlosen Gatten, der sein junges unfehlbar schönes Weib an einen Andern verkauft hatte. Aber der Graf hatte ihn beim Nachhausegehen mit einer Bitte aus dem Portefeuille gezogen. Es war, wie wenn der Lichtglanz der Reinheit, in deren goldnem Dämmer sie sich eben befunden hatten, auch die Vorstellungen, die in seinem Innern lebten, verklärend ergriff. Er bat Ottomar, mit seinen Erkundigungen noch etwas innezuhalten; er wollte es noch auf einige Tage im Zuwarten ankommen lassen und nur die Briefe überwachen, die an die Tante gingen. Darüber waren nun acht Tage verstrichen. Am gestrigen Sonntage hatte der Graf den Freund und auch dessen Vater zu Tisch gehabt und ihn mit flüchtiger Vertraulichkeit gebeten, nun vorwärts zu schreiten und wenigstens das Persönliche festzustellen. Graf Udo war noch nicht völlig frei von dienstlichen Verpflichtungen und wurde von der Gesellschaft über die Maßen in Anspruch genommen. Daß er den Staatsdienst verließ, gehörte zu den Bedingungen des ersten Eintretens in's Majorat. In jenem schwarzen Buche, das von keinem unsichtbaren Engel der Reue gehütet wird, eher umkreisen es Ottomar schwieg. Sein Schweigen war Widerspruch. Die Verirrung mit jener Frau – das Räthsel muß sich lösen. Ottomar besaß nun den Brief des ehrlosen Gatten, der sein junges unfehlbar schönes Weib an einen Andern verkauft hatte. Aber der Graf hatte ihn beim Nachhausegehen mit einer Bitte aus dem Portefeuille gezogen. Es war, wie wenn der Lichtglanz der Reinheit, in deren goldnem Dämmer sie sich eben befunden hatten, auch die Vorstellungen, die in seinem Innern lebten, verklärend ergriff. Er bat Ottomar, mit seinen Erkundigungen noch etwas innezuhalten; er wollte es noch auf einige Tage im Zuwarten ankommen lassen und nur die Briefe überwachen, die an die Tante gingen. Darüber waren nun acht Tage verstrichen. Am gestrigen Sonntage hatte der Graf den Freund und auch dessen Vater zu Tisch gehabt und ihn mit flüchtiger Vertraulichkeit gebeten, nun vorwärts zu schreiten und wenigstens das Persönliche festzustellen. Graf Udo war noch nicht völlig frei von dienstlichen Verpflichtungen und wurde von der Gesellschaft über die Maßen in Anspruch genommen. Daß er den Staatsdienst verließ, gehörte zu den Bedingungen des ersten Eintretens in’s Majorat. In jenem schwarzen Buche, das von keinem unsichtbaren Engel der Reue gehütet wird, eher umkreisen es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="61"/> Ottomar schwieg. Sein Schweigen war Widerspruch. </p> <p>Die Verirrung mit jener Frau – das Räthsel muß sich lösen. </p> <p>Ottomar besaß nun den Brief des ehrlosen Gatten, der sein junges unfehlbar schönes Weib an einen Andern verkauft hatte. Aber der Graf hatte ihn beim Nachhausegehen mit einer Bitte aus dem Portefeuille gezogen. Es war, wie wenn der Lichtglanz der Reinheit, in deren goldnem Dämmer sie sich eben befunden hatten, auch die Vorstellungen, die in seinem Innern lebten, verklärend ergriff. Er bat Ottomar, mit seinen Erkundigungen noch etwas innezuhalten; er wollte es noch auf einige Tage im Zuwarten ankommen lassen und nur die Briefe überwachen, die an die Tante gingen. Darüber waren nun acht Tage verstrichen. Am gestrigen Sonntage hatte der Graf den Freund und auch dessen Vater zu Tisch gehabt und ihn mit flüchtiger Vertraulichkeit gebeten, nun vorwärts zu schreiten und wenigstens das Persönliche festzustellen. Graf Udo war noch nicht völlig frei von dienstlichen Verpflichtungen und wurde von der Gesellschaft über die Maßen in Anspruch genommen. Daß er den Staatsdienst verließ, gehörte zu den Bedingungen des ersten Eintretens in’s Majorat. </p> <p><ref xml:id="TEXTInjenemschwarzenBuche" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLInjenemschwarzenBuche">In jenem schwarzen Buche</ref>, das von keinem unsichtbaren Engel der Reue gehütet wird, eher umkreisen es </p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
Ottomar schwieg. Sein Schweigen war Widerspruch.
Die Verirrung mit jener Frau – das Räthsel muß sich lösen.
Ottomar besaß nun den Brief des ehrlosen Gatten, der sein junges unfehlbar schönes Weib an einen Andern verkauft hatte. Aber der Graf hatte ihn beim Nachhausegehen mit einer Bitte aus dem Portefeuille gezogen. Es war, wie wenn der Lichtglanz der Reinheit, in deren goldnem Dämmer sie sich eben befunden hatten, auch die Vorstellungen, die in seinem Innern lebten, verklärend ergriff. Er bat Ottomar, mit seinen Erkundigungen noch etwas innezuhalten; er wollte es noch auf einige Tage im Zuwarten ankommen lassen und nur die Briefe überwachen, die an die Tante gingen. Darüber waren nun acht Tage verstrichen. Am gestrigen Sonntage hatte der Graf den Freund und auch dessen Vater zu Tisch gehabt und ihn mit flüchtiger Vertraulichkeit gebeten, nun vorwärts zu schreiten und wenigstens das Persönliche festzustellen. Graf Udo war noch nicht völlig frei von dienstlichen Verpflichtungen und wurde von der Gesellschaft über die Maßen in Anspruch genommen. Daß er den Staatsdienst verließ, gehörte zu den Bedingungen des ersten Eintretens in’s Majorat.
In jenem schwarzen Buche, das von keinem unsichtbaren Engel der Reue gehütet wird, eher umkreisen es
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