Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.eigenthümlich weicher Zug lag über den Augen. Eine kleine Hiebwunde aus akademischer Zeit (ihm beigebracht von - Ottomar Althing!) wurde an der freien offenen Stirn kaum bemerkt. Ein Hausfreund, Hofmaler Triesel, jener berühmte Künstler, der ganz so, wie ihn Althing gegeißelt, die Porträtirungsgelüste der hohen Herrschaften gleichsam abfing, ein Gourmand, der sich von Gastmahl zu Gastmahl zu laden wußte, sagte von diesem kleinen rothen Streifen einmal zur alten Gräfin, die auch den Grafen, ihren Neven, abgöttisch verehrte: Die Chinesen setzen allen ihren Kunstwerken absichtlich noch einen Fehler hinzu, als Zeichen, daß ihre großartigen Leistungen doch immer nur Menschenwerk seien! Der kluge Epicuräer (übrigens ein Hauptsprecher bei den neuen Serapionsbrüdern) schmeichelte der Dame, die an Bildern ihres Gatten einen Ueberfluß hatte und nun schon seit einigen Monaten von einer Statue und dem Mausoleum oder einem großen Grabdenkmal für die ganze Familie sprach. Bis zur Ankunft des Grafen Udo hatte das Alles vertagt bleiben sollen. Die Gräfin war es denn auch, die eine Unterbrechung und Beendigung der lästigen Anwesenheit des Barons Forbeck herbeiführte, ein Erfolg, den sie durch ein leises Oeffnen einer hohen, mit Portieren verhängten Thür zu Stande brachte. eigenthümlich weicher Zug lag über den Augen. Eine kleine Hiebwunde aus akademischer Zeit (ihm beigebracht von – Ottomar Althing!) wurde an der freien offenen Stirn kaum bemerkt. Ein Hausfreund, Hofmaler Triesel, jener berühmte Künstler, der ganz so, wie ihn Althing gegeißelt, die Porträtirungsgelüste der hohen Herrschaften gleichsam abfing, ein Gourmand, der sich von Gastmahl zu Gastmahl zu laden wußte, sagte von diesem kleinen rothen Streifen einmal zur alten Gräfin, die auch den Grafen, ihren Neven, abgöttisch verehrte: Die Chinesen setzen allen ihren Kunstwerken absichtlich noch einen Fehler hinzu, als Zeichen, daß ihre großartigen Leistungen doch immer nur Menschenwerk seien! Der kluge Epicuräer (übrigens ein Hauptsprecher bei den neuen Serapionsbrüdern) schmeichelte der Dame, die an Bildern ihres Gatten einen Ueberfluß hatte und nun schon seit einigen Monaten von einer Statue und dem Mausoleum oder einem großen Grabdenkmal für die ganze Familie sprach. Bis zur Ankunft des Grafen Udo hatte das Alles vertagt bleiben sollen. Die Gräfin war es denn auch, die eine Unterbrechung und Beendigung der lästigen Anwesenheit des Barons Forbeck herbeiführte, ein Erfolg, den sie durch ein leises Oeffnen einer hohen, mit Portièren verhängten Thür zu Stande brachte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="28"/> eigenthümlich weicher Zug lag über den Augen. Eine kleine Hiebwunde aus akademischer Zeit (ihm beigebracht von – Ottomar Althing!) wurde an der freien offenen Stirn kaum bemerkt. Ein Hausfreund, <ref xml:id="TEXTHofmalerBISwusste" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLHofmalerBISwusste">Hofmaler Triesel, jener berühmte Künstler, der ganz so, wie ihn Althing gegeißelt, die Porträtirungsgelüste der hohen Herrschaften gleichsam abfing, ein Gourmand, der sich von Gastmahl zu Gastmahl zu laden wußte</ref>, sagte von diesem kleinen rothen Streifen einmal zur alten Gräfin, die auch den Grafen, ihren <ref xml:id="TEXTNeven" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLNeven">Neven</ref>, abgöttisch verehrte: Die Chinesen setzen allen ihren Kunstwerken absichtlich noch einen Fehler hinzu, als Zeichen, daß ihre großartigen Leistungen doch immer nur Menschenwerk seien! Der kluge Epicuräer (übrigens ein Hauptsprecher bei den neuen Serapionsbrüdern) schmeichelte der Dame, die an Bildern ihres Gatten einen Ueberfluß hatte und nun schon seit einigen Monaten von einer Statue und dem Mausoleum oder einem großen Grabdenkmal für die ganze Familie sprach. Bis zur Ankunft des Grafen Udo hatte das Alles vertagt bleiben sollen. </p> <p>Die Gräfin war es denn auch, die eine Unterbrechung und Beendigung der lästigen Anwesenheit des Barons Forbeck herbeiführte, ein Erfolg, den sie durch ein leises Oeffnen einer hohen, mit Portièren verhängten Thür zu Stande brachte. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0034]
eigenthümlich weicher Zug lag über den Augen. Eine kleine Hiebwunde aus akademischer Zeit (ihm beigebracht von – Ottomar Althing!) wurde an der freien offenen Stirn kaum bemerkt. Ein Hausfreund, Hofmaler Triesel, jener berühmte Künstler, der ganz so, wie ihn Althing gegeißelt, die Porträtirungsgelüste der hohen Herrschaften gleichsam abfing, ein Gourmand, der sich von Gastmahl zu Gastmahl zu laden wußte, sagte von diesem kleinen rothen Streifen einmal zur alten Gräfin, die auch den Grafen, ihren Neven, abgöttisch verehrte: Die Chinesen setzen allen ihren Kunstwerken absichtlich noch einen Fehler hinzu, als Zeichen, daß ihre großartigen Leistungen doch immer nur Menschenwerk seien! Der kluge Epicuräer (übrigens ein Hauptsprecher bei den neuen Serapionsbrüdern) schmeichelte der Dame, die an Bildern ihres Gatten einen Ueberfluß hatte und nun schon seit einigen Monaten von einer Statue und dem Mausoleum oder einem großen Grabdenkmal für die ganze Familie sprach. Bis zur Ankunft des Grafen Udo hatte das Alles vertagt bleiben sollen.
Die Gräfin war es denn auch, die eine Unterbrechung und Beendigung der lästigen Anwesenheit des Barons Forbeck herbeiführte, ein Erfolg, den sie durch ein leises Oeffnen einer hohen, mit Portièren verhängten Thür zu Stande brachte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/34 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/34>, abgerufen am 16.07.2024. |