Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Fräulein Dora verkennen Sie! sagte Martha, um nur den Uebergang zur Ausübung ihrer Pflichten zu gewinnen. Sie sorgt für das Ganze, wenn auch in sich gekehrt. Sie kann Niemanden im Ernste hassen. Wer Liebe besitzt, entgegnete Wolny aufbrausend, soll sie auch zeigen! Was nützt mir eine Empfindung, die nur Thränen über Maria Theresia oder einen todten Kanarienvogel hat! In eine fremde Menschenbrust muß man steigen können, in diese ohne die Collision der eigenen Interessen sich versetzen, da mitleben, da mitempfinden, das ist Liebe! Sollen Sie meine Frau nach Italien begleiten! unterbrach er sich, sich an die Stirn schlagend. Die Beantwortung dieser Reden wurde durch eifriges Verlangen, den Hausherrn zu sprechen, unterbrochen. Der alte Wehlisch sucht Herrn Wolny! hieß es von Seiten der Dienerschaft, die ebenfalls in eine lebhaftere Bewegung gekommen war. Wolny kehrte in die obern Räume zurück und hatte bald Gelegenheit, seine Gäste in aller Stille zu bitten, vor Nichts zu erschrecken, was etwa Störendes kommen würde, namentlich seiner Gattin keine Besorgniß zu verrathen. Der alte treue, nur zu schwache und energielose Verwalter hatte ihm angezeigt, daß die allgemeine Vermuthung, bei den noch an den Oefen thätigen Fräulein Dora verkennen Sie! sagte Martha, um nur den Uebergang zur Ausübung ihrer Pflichten zu gewinnen. Sie sorgt für das Ganze, wenn auch in sich gekehrt. Sie kann Niemanden im Ernste hassen. Wer Liebe besitzt, entgegnete Wolny aufbrausend, soll sie auch zeigen! Was nützt mir eine Empfindung, die nur Thränen über Maria Theresia oder einen todten Kanarienvogel hat! In eine fremde Menschenbrust muß man steigen können, in diese ohne die Collision der eigenen Interessen sich versetzen, da mitleben, da mitempfinden, das ist Liebe! Sollen Sie meine Frau nach Italien begleiten! unterbrach er sich, sich an die Stirn schlagend. Die Beantwortung dieser Reden wurde durch eifriges Verlangen, den Hausherrn zu sprechen, unterbrochen. Der alte Wehlisch sucht Herrn Wolny! hieß es von Seiten der Dienerschaft, die ebenfalls in eine lebhaftere Bewegung gekommen war. Wolny kehrte in die obern Räume zurück und hatte bald Gelegenheit, seine Gäste in aller Stille zu bitten, vor Nichts zu erschrecken, was etwa Störendes kommen würde, namentlich seiner Gattin keine Besorgniß zu verrathen. Der alte treue, nur zu schwache und energielose Verwalter hatte ihm angezeigt, daß die allgemeine Vermuthung, bei den noch an den Oefen thätigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0254" n="248"/> Fräulein Dora verkennen Sie! sagte Martha, um nur den Uebergang zur Ausübung ihrer Pflichten zu gewinnen. Sie sorgt für das Ganze, wenn auch in sich gekehrt. Sie kann Niemanden im Ernste hassen. </p> <p>Wer Liebe besitzt, entgegnete Wolny aufbrausend, soll sie auch zeigen! Was nützt mir eine Empfindung, die nur Thränen über Maria Theresia oder einen todten Kanarienvogel hat! In eine fremde Menschenbrust muß man steigen können, in diese ohne die Collision der eigenen Interessen sich versetzen, da mitleben, da mitempfinden, das ist Liebe! Sollen Sie meine Frau nach Italien begleiten! unterbrach er sich, sich an die Stirn schlagend. </p> <p>Die Beantwortung dieser Reden wurde durch eifriges Verlangen, den Hausherrn zu sprechen, unterbrochen. Der alte Wehlisch sucht Herrn Wolny! hieß es von Seiten der Dienerschaft, die ebenfalls in eine lebhaftere Bewegung gekommen war. </p> <p>Wolny kehrte in die obern Räume zurück und hatte bald Gelegenheit, seine Gäste in aller Stille zu bitten, vor Nichts zu erschrecken, was etwa Störendes kommen würde, namentlich seiner Gattin keine Besorgniß zu verrathen. Der alte treue, nur zu schwache und energielose Verwalter hatte ihm angezeigt, daß die allgemeine Vermuthung, bei den noch an den Oefen thätigen </p> </div> </body> </text> </TEI> [248/0254]
Fräulein Dora verkennen Sie! sagte Martha, um nur den Uebergang zur Ausübung ihrer Pflichten zu gewinnen. Sie sorgt für das Ganze, wenn auch in sich gekehrt. Sie kann Niemanden im Ernste hassen.
Wer Liebe besitzt, entgegnete Wolny aufbrausend, soll sie auch zeigen! Was nützt mir eine Empfindung, die nur Thränen über Maria Theresia oder einen todten Kanarienvogel hat! In eine fremde Menschenbrust muß man steigen können, in diese ohne die Collision der eigenen Interessen sich versetzen, da mitleben, da mitempfinden, das ist Liebe! Sollen Sie meine Frau nach Italien begleiten! unterbrach er sich, sich an die Stirn schlagend.
Die Beantwortung dieser Reden wurde durch eifriges Verlangen, den Hausherrn zu sprechen, unterbrochen. Der alte Wehlisch sucht Herrn Wolny! hieß es von Seiten der Dienerschaft, die ebenfalls in eine lebhaftere Bewegung gekommen war.
Wolny kehrte in die obern Räume zurück und hatte bald Gelegenheit, seine Gäste in aller Stille zu bitten, vor Nichts zu erschrecken, was etwa Störendes kommen würde, namentlich seiner Gattin keine Besorgniß zu verrathen. Der alte treue, nur zu schwache und energielose Verwalter hatte ihm angezeigt, daß die allgemeine Vermuthung, bei den noch an den Oefen thätigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/254 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/254>, abgerufen am 16.07.2024. |