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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

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der Commerzienräthin ein, die ihren Mann der Untreue beschuldigten. Namentlich wurde das Verhältniß zu Martha Ehlerdt als ein erwiesenes, sogar von ihrer ältern Schwester, der Romanleserin, bestätigtes dargestellt. Manchmal kamen anonyme Briefe, wo Rabe hohe Schwüre that, er wüßte nicht, wer sie geschrieben. Wolny sollte dann selbst entscheiden und riß die Briefe an sich, um sie zu lesen, wenn er guter Laune wäre. Anonyme Briefe, sagte er, muß man nur liegen lassen! Die Handschrift verräth sich nach Jahren durch irgend einen Zufall! Die Mutter wollte etwas von Scheidung (aus Liebe, sagte sie mit elegischem Schmelz), nie aber etwas vom Testament wissen. Von ihrer früheren Schönheit, ihrer Eleganz, ihren vornehmen Verbindungen war sie zu sehr erfüllt, ja sie konnte zuweilen förmlich rasen gegen die Vorstellung vom Tode, die man ihr immerfort einzuprägen wagte. Sie wollte jung, schön, wenigstens an Abenden bei blendendem Gaslicht mit diesem Eindruck erscheinen. Sie mochte wohl dem allerdings jüngern Manne nicht mißtrauen, verwarf alle Verleumdungen, zog ihn auch an sich, küßte ihn, und seine Sanftmuth, seine offenbare Güte wirkten, sagte sie, heilend, belebend auf sie - da war dann von keinem Testament die Rede! Dann aber wieder dauerte sie doch der Sohn, es schmeichelte ihr dessen Gattin, eine gewandte herzlose

der Commerzienräthin ein, die ihren Mann der Untreue beschuldigten. Namentlich wurde das Verhältniß zu Martha Ehlerdt als ein erwiesenes, sogar von ihrer ältern Schwester, der Romanleserin, bestätigtes dargestellt. Manchmal kamen anonyme Briefe, wo Rabe hohe Schwüre that, er wüßte nicht, wer sie geschrieben. Wolny sollte dann selbst entscheiden und riß die Briefe an sich, um sie zu lesen, wenn er guter Laune wäre. Anonyme Briefe, sagte er, muß man nur liegen lassen! Die Handschrift verräth sich nach Jahren durch irgend einen Zufall! Die Mutter wollte etwas von Scheidung (aus Liebe, sagte sie mit elegischem Schmelz), nie aber etwas vom Testament wissen. Von ihrer früheren Schönheit, ihrer Eleganz, ihren vornehmen Verbindungen war sie zu sehr erfüllt, ja sie konnte zuweilen förmlich rasen gegen die Vorstellung vom Tode, die man ihr immerfort einzuprägen wagte. Sie wollte jung, schön, wenigstens an Abenden bei blendendem Gaslicht mit diesem Eindruck erscheinen. Sie mochte wohl dem allerdings jüngern Manne nicht mißtrauen, verwarf alle Verleumdungen, zog ihn auch an sich, küßte ihn, und seine Sanftmuth, seine offenbare Güte wirkten, sagte sie, heilend, belebend auf sie – da war dann von keinem Testament die Rede! Dann aber wieder dauerte sie doch der Sohn, es schmeichelte ihr dessen Gattin, eine gewandte herzlose

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[230/0236] der Commerzienräthin ein, die ihren Mann der Untreue beschuldigten. Namentlich wurde das Verhältniß zu Martha Ehlerdt als ein erwiesenes, sogar von ihrer ältern Schwester, der Romanleserin, bestätigtes dargestellt. Manchmal kamen anonyme Briefe, wo Rabe hohe Schwüre that, er wüßte nicht, wer sie geschrieben. Wolny sollte dann selbst entscheiden und riß die Briefe an sich, um sie zu lesen, wenn er guter Laune wäre. Anonyme Briefe, sagte er, muß man nur liegen lassen! Die Handschrift verräth sich nach Jahren durch irgend einen Zufall! Die Mutter wollte etwas von Scheidung (aus Liebe, sagte sie mit elegischem Schmelz), nie aber etwas vom Testament wissen. Von ihrer früheren Schönheit, ihrer Eleganz, ihren vornehmen Verbindungen war sie zu sehr erfüllt, ja sie konnte zuweilen förmlich rasen gegen die Vorstellung vom Tode, die man ihr immerfort einzuprägen wagte. Sie wollte jung, schön, wenigstens an Abenden bei blendendem Gaslicht mit diesem Eindruck erscheinen. Sie mochte wohl dem allerdings jüngern Manne nicht mißtrauen, verwarf alle Verleumdungen, zog ihn auch an sich, küßte ihn, und seine Sanftmuth, seine offenbare Güte wirkten, sagte sie, heilend, belebend auf sie – da war dann von keinem Testament die Rede! Dann aber wieder dauerte sie doch der Sohn, es schmeichelte ihr dessen Gattin, eine gewandte herzlose

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/236>, abgerufen am 24.11.2024.