Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Verschonen Sie uns mit Ihren Besuchen! geendigt, aber Raimund hatte das Princip, daß die unangenehmen Gefühle dadurch verstärkt werden, wenn man zu oft an sie denkt. Er hatte die fatale Scene im Park, seine Anwendung des frivolen Satzes der Frau von Genlis: "Die Männer wissen gar nicht, was sie für Erfolge haben könnten, wenn sie nur mehr Courage hätten -" eine plötzliche Umarmung Helenens, ganz vergessen. Martha trat ein, das federgeschmückte Hütchen a la Rubens auf dem errötheten Antlitz, im herbstlichen carrirten Mantel. Bist Du allein? fragte sie noch unter der Thür. Wie Du siehst! antwortete der Bruder, der schon nach Unbefangenheit rang. Denn er bemerkte sogleich die Zornesgluth auf der Stirn seiner Schwester. Oder erscheint es Dir nicht anständig einzutreten? Hast Du doch sonst mit mir hier zusammengehaust! Es sind immer noch dieselben drei Zimmer und immer noch ist's die alte anständige Wirthin! Die Du bald zur Kündigung zwingen wirst, wenn Du Deine nächtlichen Gelage nicht läßt! Wie sieht es hier aus! sagte sie näher tretend. Ueberall die Spuren der Völlerei! Auf dem Sopha hat Jemand die Nacht geschlafen! Ich, liebes Kind! Dein alter Anbeter Mahlo campirte in meinem Bett! So verstehen wir den Socialismus! Verschonen Sie uns mit Ihren Besuchen! geendigt, aber Raimund hatte das Princip, daß die unangenehmen Gefühle dadurch verstärkt werden, wenn man zu oft an sie denkt. Er hatte die fatale Scene im Park, seine Anwendung des frivolen Satzes der Frau von Genlis: „Die Männer wissen gar nicht, was sie für Erfolge haben könnten, wenn sie nur mehr Courage hätten –“ eine plötzliche Umarmung Helenens, ganz vergessen. Martha trat ein, das federgeschmückte Hütchen à la Rubens auf dem errötheten Antlitz, im herbstlichen carrirten Mantel. Bist Du allein? fragte sie noch unter der Thür. Wie Du siehst! antwortete der Bruder, der schon nach Unbefangenheit rang. Denn er bemerkte sogleich die Zornesgluth auf der Stirn seiner Schwester. Oder erscheint es Dir nicht anständig einzutreten? Hast Du doch sonst mit mir hier zusammengehaust! Es sind immer noch dieselben drei Zimmer und immer noch ist’s die alte anständige Wirthin! Die Du bald zur Kündigung zwingen wirst, wenn Du Deine nächtlichen Gelage nicht läßt! Wie sieht es hier aus! sagte sie näher tretend. Ueberall die Spuren der Völlerei! Auf dem Sopha hat Jemand die Nacht geschlafen! Ich, liebes Kind! Dein alter Anbeter Mahlo campirte in meinem Bett! So verstehen wir den Socialismus! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0169" n="163"/> Verschonen Sie uns mit Ihren Besuchen! geendigt, aber Raimund hatte das Princip, daß die unangenehmen Gefühle dadurch verstärkt werden, wenn man zu oft an sie denkt. Er hatte die fatale Scene im Park, seine Anwendung des frivolen Satzes der <ref xml:id="TEXTFrauvonGenlis" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLFrauvonGenlis">Frau von Genlis</ref>: „Die Männer wissen gar nicht, was sie für Erfolge haben könnten, wenn sie nur mehr Courage hätten –“ eine plötzliche Umarmung Helenens, ganz vergessen. </p> <p>Martha trat ein, <ref xml:id="TEXTdasfedergeschmueckteBISRubens" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdasfedergeschmueckteBISRubens">das federgeschmückte Hütchen <hi rendition="#aq">à la</hi> Rubens</ref> auf dem errötheten Antlitz, im herbstlichen carrirten Mantel. Bist Du allein? fragte sie noch unter der Thür. </p> <p>Wie Du siehst! antwortete der Bruder, der schon nach Unbefangenheit rang. Denn er bemerkte sogleich die Zornesgluth auf der Stirn seiner Schwester. Oder erscheint es Dir nicht anständig einzutreten? Hast Du doch sonst mit mir hier zusammengehaust! Es sind immer noch dieselben drei Zimmer und immer noch ist’s die alte anständige Wirthin! </p> <p>Die Du bald zur Kündigung zwingen wirst, wenn Du Deine nächtlichen Gelage nicht läßt! Wie sieht es hier aus! sagte sie näher tretend. Ueberall die Spuren der Völlerei! Auf dem Sopha hat Jemand die Nacht geschlafen! </p> <p>Ich, liebes Kind! Dein alter Anbeter Mahlo campirte in meinem Bett! So verstehen wir den Socialismus! </p> </div> </body> </text> </TEI> [163/0169]
Verschonen Sie uns mit Ihren Besuchen! geendigt, aber Raimund hatte das Princip, daß die unangenehmen Gefühle dadurch verstärkt werden, wenn man zu oft an sie denkt. Er hatte die fatale Scene im Park, seine Anwendung des frivolen Satzes der Frau von Genlis: „Die Männer wissen gar nicht, was sie für Erfolge haben könnten, wenn sie nur mehr Courage hätten –“ eine plötzliche Umarmung Helenens, ganz vergessen.
Martha trat ein, das federgeschmückte Hütchen à la Rubens auf dem errötheten Antlitz, im herbstlichen carrirten Mantel. Bist Du allein? fragte sie noch unter der Thür.
Wie Du siehst! antwortete der Bruder, der schon nach Unbefangenheit rang. Denn er bemerkte sogleich die Zornesgluth auf der Stirn seiner Schwester. Oder erscheint es Dir nicht anständig einzutreten? Hast Du doch sonst mit mir hier zusammengehaust! Es sind immer noch dieselben drei Zimmer und immer noch ist’s die alte anständige Wirthin!
Die Du bald zur Kündigung zwingen wirst, wenn Du Deine nächtlichen Gelage nicht läßt! Wie sieht es hier aus! sagte sie näher tretend. Ueberall die Spuren der Völlerei! Auf dem Sopha hat Jemand die Nacht geschlafen!
Ich, liebes Kind! Dein alter Anbeter Mahlo campirte in meinem Bett! So verstehen wir den Socialismus!
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